# taz.de -- Studie zu Geschmacksverstärkern: Schöne Grüße aus der Glutamat-Hölle
       
       > Im Essen vieler Europäer steckt zuviel Glutamat, warnt die EU-Behörde für
       > Lebensmittelsicherheit. Das kann gesundheitsschädlich sein.
       
 (IMG) Bild: In Maßen genießbar, sonst sogar gesundheitsschädlich: Glutamat
       
       Berlin taz | Die Europäer fast aller Altersgruppen essen im Schnitt so viel
       Glutamat, dass es potenziell die Gesundheit gefährdet. Die Mengen seien bei
       den unter 65-Jährigen weit höher als die Dosis, die ein Mensch ein Leben
       lang ohne Risiko zu sich nehmen kann, heißt es in einer [1][neuen Studie]
       der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa). Hoher Glutamatkonsum
       könne zum Beispiel Kopfschmerzen auslösen beziehungsweise den Blutdruck
       oder den Insulinspiegel erhöhen.
       
       Glutaminsäure und ihre Salze kommen natürlicherweise, aber auch als
       künstliche Zusatzstoffe in Lebensmitteln vor. Werden sie zum Beispiel
       Kartoffelchips, Fertiggerichten oder Instant-Suppen beigemischt, müssen sie
       als „Geschmacksverstärker“ mit den E-Nummern 620 bis 625 oder den
       wissenschaftlichen Bezeichnungen wie „Mononatriumglutamat“ im
       Zutatenverzeichnis genannt werden.
       
       Glutamat hat aber auch eigenen Geschmack: „Umami“, der weder süß, sauer,
       salzig noch bitter, sondern würzig-herzhaft und Fleischbrühen-ähnlich ist.
       Geringe Mengen finden sich zum Beispiel in Erbsen oder Tomaten, hohe
       beispielsweise in Parmesan-Käse.
       
       Gerade das künstlich zugesetzte Glutamat wurde verdächtigt, etwa zu
       Übergewicht, Krebs oder Alzheimer beizutragen. Diese Befürchtungen ließen
       sich laut Efsa nicht bestätigen.
       
       ## Das China-Restaurant-Syndrom
       
       Gut belegt ist dagegen das so genannte China-Restaurant-Syndrom, von dem
       zuerst Besucher asiatischer Gaststätten in den USA berichteten: Nach dem
       Genuss glutamathaltiger Speisen hatten einzelne Personen vorübergehend ein
       Kribbeln im Halsbereich, ein Hitze- und Engegefühl und/oder Kopfschmerzen.
       Die Efsa stellt nach Analyse der wichtigsten Studien zum Thema fest, dass
       bei „einigen Individuen“ die Symptome in Abhängigkeit von der Dosis zu-
       oder abnähmen. Allerdings sei nach wie vor unbekannt, wie genau dieser
       Mechanismus im Körper funktioniert.
       
       Diese Symptome seien in Studien in Verbindung mit Glutamatdosen von mehr
       als 42,9 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag gebracht worden.
       Für Kopfschmerzen lag die Grenze bei 85,8 Milligramm, für erhöhten
       Blutdruck bei 150 Milligramm und für erhöhten Insulinspiegel bei 143
       Milligramm.
       
       Deshalb hat die Efsa nun erstmals eine „akzeptable tägliche Aufnahmemenge“
       (ADI) unterhalb dieser Werte festgelegt: Ein Leben lang täglich 30
       Milligramm hält sie für unbedenklich. Diese Zahl basiert auch auf der
       höchsten Dosis, bei der Wissenschaftler keine nachteiligen Wirkungen auf
       Versuchstiere beobachtet haben.
       
       Doch aus Umfragen und Branchendaten hat die Behörde ermittelt, dass viele
       Europäer mehr zu sich nehmen. Das gilt sogar, wenn man nur das zugesetzte
       Glutamat betrachtet, bei 1 bis 9 Jahre alten Kinder mit durchschnittlichem
       Konsum. Wenn der Konsum hoch ist, sind auch Säuglinge und die bis
       17-Jährigen betroffen.
       
       ## Vorsicht vor Salzgebäck und Tiefkühlpizzen
       
       Die größte Quelle ist „Feingebäck“. Darunter seien zum Beispiel Salzgebäck,
       Cracker oder Tiefkühlpizzen zu verstehen, sagte ein Efsa-Sprecher der taz.
       Säuglinge nehmen das meiste künstliche Glutamat aus Suppen und Brühen auf.
       Dabei ist Hefeextrakt nicht einmal berücksichtigt. Der enthält natürliches
       Glutamat und wird als Geschmacksverstärker etwa in Suppenpulver benutzt,
       gilt aber rechtlich gesehen nicht als Zusatzstoff.
       
       Was tun, um die Glutamat-Dosen auf das gesunde Maß zu senken? Die Behörde
       empfiehlt der EU-Kommission, die erlaubten Höchstmengen des Zusatzstoffes
       in Lebensmitteln zu ändern – vor allem bei Feingebäck, Suppen, Brühen,
       Soßen, Fleisch, Würz- und Nahrungsergänzungsmitteln. Zudem seien neue
       Limits für die gesundheitsschädlichen Substanzen Blei und Arsen in den
       Glutamat-Zusätzen nötig.
       
       „Wir haben an der Efsa-Stellungnahme nichts auszusetzen“, sagte Julia
       Gelbert, Zusatzstoffexpertin des deutschen Industrieverbands Bund für
       Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde. Er werde der Kommission helfen,
       Lebensmittelkategorien zu ermitteln, bei denen Glutamat wirklich nötig sei.
       
       Niemand hält Konsumenten dazu an, Lebensmittel mit natürlichem Glutamat aus
       dem Speiseplan zu streichen. Stattdessen empfiehlt die Deutsche
       Gesellschaft für Ernährung: „Der Verbraucher kann durch gezielte
       Lebensmittelauswahl und bewusste Ernährung die Aufnahme von zugesetzten
       Glutamaten minimieren.“ Deutschlands einflussreichste Vereinigung von
       Ernährungswissenschaftlern rät schon lange, insbesondere im Essen für
       Kinder auf Geschmacksverstärker zu verzichten, „da durch den
       standardisierten Geschmack auch der Sinn für die Geschmacksvielfalt
       natürlicher Lebensmittel verloren geht.“
       
       13 Jul 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.efsa.europa.eu/de/efsajournal/pub/4910
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
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