# taz.de -- Schlechtere Fischstäbchen in Osteuropa?: Die Zwei-Esser-Gesellschaft Europas
       
       > Die Visegrad-Staaten wollen es nicht mehr hinnehmen, dass
       > Lebensmittelprodukte derselben Hersteller sich so eklatant von denen im
       > Rest der EU unterscheiden.
       
 (IMG) Bild: Lecker Fischstäbchen
       
       Prag taz | Dem EU-Binnenmarkt droht ein Boykott aus den eigenen Reihen. Die
       Visegrad-Gruppe, eine Vereinigung der vier mittelosteuropäischen Länder
       Slowakei, Tschechien, Ungarn und Polen, rebelliert gegen minderwertige
       Lebensmittel. In einem Vergleich von 21 Produkten, wie Tiefkühlpizza von
       Dr. Oetker, Fischstäbchen von Iglo, Fleischkonserven oder Molkereiprodukten
       fand das tschechische Landwirtschaftsministerium enorme qualitative
       Unterschiede.
       
       Während die Preise meist gleich oder sogar höher sind, zeichnen sich die
       Produkte, die unter dem gleichen Namen und in der gleichen Verpackung
       verkauft werden, wie in den westlichen EU-Staaten, vor allem durch mindere
       Qualität aus: weniger Fleisch- oder Fischanteil, Isoglukose statt Zucker,
       dafür aber mehr Fett oder tierisches Eiweiß. Im Durchschnitt ist die
       Grammage der getesteten Produkte zudem um 20 Prozent niedriger.
       
       „Diese Qualitätsunterschiede sind typisch für die Aufteilung Europas in
       Bürger erster und zweiter Klasse“, schimpfte der slowakische
       Ministerpräsident Robert Fico beim jüngsten Gipfel der Visegrad-Vier in
       Budapest. Eine Lösung hat der Sozialdemokrat schon parat: „Wenn wir kein
       rasantes Handeln der EU-Kommission sehen, sind wir bereit, einseitige
       Maßnahmen zu ergreifen. Zum Beispiel Sanktionen gegen andere EU-Länder“,
       erklärte Fico. Ein halbes Jahr lang würden die Slowaken dann die Einfuhr
       von Waren aus der EU einstellen.
       
       Die EU, so heißt es aus Brüssel, regele nur die Etikettierung von
       Lebensmitteln, nicht deren Inhalt. Einen Boykott sehe sie als eklatanten
       Bruch der Regeln des EU-Binnenmarktes.
       
       ## In Österreich ist mehr Fisch im Stäbchen
       
       So könnten Fischstäbchen zu einem Sargnagel der ohnehin gebeutelten Union
       werden. Während Käpt'n Iglo in der Slowakei von einer Packung lacht, in der
       sich 280 Gramm Fischstäbchen mit einem Frischfischanteil von 58 Prozent
       befinden, gibt es dieselbe Packung im benachbarten Österreich zum gleichen
       Preis von 2,99 Euro um 20 Gramm schwerer und mit einem Fischanteil von 65
       Prozent.
       
       Das Problem der minderwertigen Lebensmittel ist nicht neu. Seit Jahren
       weist die tschechische Europaabgeordnete Olga Sehnalová auf die
       zwei-Esser-Gesellschaft in Europa hin. Besonders eklatant sind die
       Unterschiede bei Fleischkonserven. Das Frühstücksfleisch der dänischen
       Firma Tulip beinhaltet in Deutschland nur Schweinefleisch, in Tschechien
       aber 39 Prozent abgeschabtes Knochenfleisch vom Huhn, so das Ergebnis eines
       Vergleichs, den Sehnalová schon 2015 in Auftrag gegeben hatte. Enorme
       Unterschiede auch beim Preis: In Deutschland kostete das Frühstücksfleisch
       44 Cent pro 100 Gramm, in Tschechien 86 Cent pro 100 Gramm.
       
       „Wir passen unsere Produkte der Nachfrage des Marktes an“, lautet dabei das
       immerwährende Argument der Erzeuger. Selber schuld? Nein, meint Robert
       Fico, der den Kampf gegen minderwertige Lebensmittel zu seiner Chefsache
       gemacht hat. Sollten Sanktionen nichts bringen, dann werde die
       Visegrad-Gruppe sich in einem Referendum an die EU-Kommission wenden. „Bei
       einer Million Unterschriften kommt die Kommission dann in Zugzwang. Und
       eine Million sind innerhalb der Visegrad-Vier mit ihren 65 Millionen
       Einwohnern ein Klacks“, sagt Fico.
       
       21 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alexandra Mostyn
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Lebensmittel
 (DIR) Visegrad-Gruppe
 (DIR) Essen
 (DIR) Binnenmarkt
 (DIR) EU
 (DIR) Lebensmittel
 (DIR) Bio
 (DIR) Vegetarismus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Biokaffee aus Äthiopien: Dementi zum Pfuschvorwurf
       
       Ein deutscher Ökokontrolleur hatte in der taz mutmaßliche Mängel bei
       Inspektionen kritisiert. Nun hat sich die äthiopische Botschaft
       eingeschaltet.
       
 (DIR) Studie zu Geschmacksverstärkern: Schöne Grüße aus der Glutamat-Hölle
       
       Im Essen vieler Europäer steckt zuviel Glutamat, warnt die EU-Behörde für
       Lebensmittelsicherheit. Das kann gesundheitsschädlich sein.
       
 (DIR) Auffälligkeiten bei Bio-Lebensmitteln: EU gibt Mitgliedsländern die Schuld
       
       EU-Staaten untersuchten Auffälligkeiten bei Öko-Essen zu lax, klagt die
       EU-Kommission. Betrüger würden nicht richtig verfolgt.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Tofu aus Fleisch
       
       Ein neuer Lebensmittelskandal schockt Vegetarier: Rund 95 Prozent des
       weltweit produzierten Tofus bestehen gar nicht aus Soja.