# taz.de -- Neues Album von Der Plan: Europa ist ein Punk
       
       > Ein flammendes Plädoyer für Europa und die Grundrechte – das ist das neue
       > Album „Unkapitulierbar“ des legendären Düsseldorfer Trios Der Plan.
       
 (IMG) Bild: „Wir sind Songwriter geworden“, sagt Der Plan
       
       Im Hinterzimmer eines Plattenladens in der Berliner Yorckstraße hängt eine
       Trikolore. Auf den ersten Blick ein seltsames Ambiente für Der Plan, die
       dort ihr Interview geben: Blau, Weiß, Rot, die Farben Frankreichs.
       Nationalflaggen und Pop, das ist ohnehin ein kompliziertes Thema.
       
       Sicher: Fahnen sind, wie Pop ja auch, auf maximale Wiedererkennbarkeit hin
       gestaltet. Pop machte sie sich aber selten unkritisch zu eigen, sondern
       nutzte den Wiedererkennungseffekt, um eigene, kritische Deutungen
       draufzuklatschen. Der Union Jack spielte im frühen britischen Punk eine
       Rolle, genauso das Star-Spangled Banner zu Woodstock-Zeiten und die
       Trikolore stand eben für: Revolution.
       
       Die Europaflagge ging bislang ein wenig unter. Was weniger an ihrer
       Ästhetik liegt als daran, dass die EU sich kaum als Pop-Thema anbot.
       Außerhalb der Musik scheint sich das gerade allerdings zu ändern. Wird die
       EU etwa in ihrer allseits konstatierten Krise wenn schon nicht Punk, so
       doch zumindest populär? Denn sie taucht auch auf dem Cover des neuen Albums
       von Der Plan auf.
       
       Dem Personal des ikonischen Gemäldes „Die Freiheit führt das Volk“ von
       Eugène Delacroix – das ist dieses Bild, das aussieht wie die Französische
       Revolution, wäre diese vom Cast von „Les Misérables“ durchgeführt worden –
       wurden die Köpfe der Bandmitglieder aufgesetzt und alles durch herrliche
       Computereffekte verfremdet.
       
       Moritz R® wird als Pistolero gezeigt, der mit einem gigantischen Joint
       spielt. Der barbusige Pyrolator hält eine EU-Flagge in der Hand. Ihm zu
       Füßen, auf der Barrikade, bedeckt eine zerschossene US-Fahne eine Leiche,
       während die Flagge Großbritanniens als Pulli-Design der voranschreitenden
       Pyrolator-Freiheits-Figur am Rockzipfel hängt. Wirkt alles ein bisschen
       sehr come on? Ist es auch.
       
       „Unkapitulierbar“ heißt das Album zudem: Wo sich der Titel kämpferisch
       gibt, ruht die Musik erstaunlicherweise in sich. Keine vorwärtstreibenden,
       quirlig-aufreibenden Hymnen wie früher sind da zu hören, sondern
       postironische, elektro-psychedelische Oden auf die Sonne und
       Reggae-Schleicher. Selbst wo es expliziter wird, im Agitprop-Song
       „Grundrecht“ etwa: Wut wäre auf diesem entspannt-engagierten Album fehl am
       Platz.
       
       „Ich sehe mich als starken Pro-Europäer, aber Künstler haben immer wenig
       dafür getan, der europäischen Idee, unabhängig von links oder rechts, Leben
       einzuhauchen. US-Künstler verwenden die Fahne, um zu zeigen, dass sie sich
       verantwortlich fühlen, auch US-kritische. Man muss europafreundlich sein,
       um heute überhaupt politisch handlungsfähig zu sein“, erklärt Moritz
       Reichelt alias Moritz R®. „In den Achtzigern hätten wir so etwas nicht
       machen müssen.“
       
       Die Achtziger waren das erfolgreichste Jahrzehnt für Der Plan. In der
       deutschsprachigen Musiklandschaft gilt das Trio als Wegbereiter der Neuen
       Deutschen Welle. Mit Wurzeln in Düsseldorf waren die Wege kurz: zu den
       Fehlfarben, der Punk-Szene um den Ratinger Hof, zur Elektronik, aber auch
       zur Kunstszene. Frank Fenstermacher, von Anfang an dabei, spielte auch bei
       den Fehlfarben. Kurt Dahlke alias Pyrolator spielte zudem bei
       Deutsch-Amerikanische Freundschaft, bevor er zu Der Plan und den Fehlfarben
       stieß.
       
       ## Pop-Untergrund West
       
       Moritz Reichelt war schon als Zwölfjähriger mit einem Bild auf der
       Documenta IV von 1968 vertreten, gründete später mit Fenstermacher in
       Wuppertal die New-Wave-Galerie „Art Attack“. Aus dieser ging das Label „Ata
       Tak“ hervor, wo entscheidende Werke des westdeutschen Pop-Untergrunds
       erschienen, etwa Andreas Doraus Hit „Fred vom Jupiter“.
       
       Der Plan schien also nur ein Projekt unter vielen zu sein, fand aber rasch
       einen eigenen Stil – musikalisch zwischen Residents, Kraftwerk und Dada,
       aber vor allem im Anspruch, Sound und bildende Kunst zu verbinden. Kurt
       Dahlke: „Vorbild war eine Bewegung der zwanziger Jahre, das Triadische
       Ballett von Oskar Schlemmer und die Mechanische Bauhaus-Bühne, die
       Verbindung von Dada und Bauhaus. Einen solchen Konnex von Musik und Kunst
       hat es vielleicht in den Sechzigern gegeben, in der Zero-Bewegung. Das
       haben wir in die Gegenwart der Achtziger geholt.“
       
       Das zweite Album war ihr Durchbruch: „Normalette Surprise“ (1981) erhielt
       den Untertitel „14 elektronische Schlager“. Die Single „Da vorne steht ne
       Ampel“ wurde zum Hit. Der Plan sang eingängig über Simpel-Rhythmik und
       Billo-Synthie und lieferte in Sound und Habitus unfreiwillig die Blaupause
       für das Kommerz-Ding, das NDW genannt werden sollte.
       
       Im Video von 1982 tanzen Der Plan, verkleidet als Engel, Teufel und
       Roboter, in Pappmaché-Stadtkulisse einer Frau auf der anderen Straßenseite
       entgegen. Irgendwann kommt ein zweidimensionales Papp-Auto von rechts nach
       links gefahren, und die junge Frau rettet sich über Rot zur Band hinüber.
       
       „Wir haben früher alles aus Pappe gebaut. Wir nannten uns Papp-Profis“,
       erinnert sich Kurt Dahlke, und Moritz Reichelt ergänzt: „Das reicht heute
       natürlich nicht mehr aus, ästhetisch.“ Wie lässt sich das Konzept, die
       Verbindung von Kunst und Musik, heute denken? Digitale Möglichkeiten sind
       reizvoll, aber es bleibt eine Frage des Geldes und der Kompetenzen. Bevor
       das neue Album auf der Bühne umgesetzt werden kann, wollen sich Der Plan
       mit Bühnenbildnern beraten. Dass diese Verbindung eine der Gründe für das
       Comeback der Band ist, steht außer Frage.
       
       ## Synthie-Seligkeit und Verfremdung
       
       Moritz Reichelt: „Kurt vermisst die Kunst in der Musik – er ist ja bei
       Fehlfarben, das ist eine richtige Rockband. Ich vermisse eher die Musik,
       weil ich bildender Künstler bin und in der Zwischenzeit kaum mit Musik
       gearbeitet habe. Ich habe Texte geschrieben, die ich gerne umsetzen wollte.
       Wir spielten beim 50. Geburtstag von Andreas Dorau. Danach haben wir uns
       dann gepampert.“
       
       „Unkapitulierbar“ ist im Geiste noch ganz Der Plan – für Spätgeborene
       dürfte das bekömmlicher sein als für Zeitzeugen, die den ruhigeren Sound
       erst mal verdauen müssen. „Das würde mich ja freuen“, sagt Reichelt, „wir
       haben früher doch viel mehr mit Synthesizern rumgedudelt, während wir jetzt
       von vornherein Songs komponiert haben. Wir sind Songwriter geworden.“
       
       Als solche haben die drei nicht nur das Bedürfnis, die EU zu verteidigen,
       sondern auch Vorbilder, die in den Anfängen nicht hörbar waren. Im Falle
       Moritz Reichelts ist es Lee Hazlewood, Komponist von „These Boots Are Made
       for Walking“ und anderen Sixties-Stompern. Ist der Dada-Anteil also heute
       gar nicht so wichtig für Der Plan?
       
       Der Plan war jedoch immer schon eine Band, die wusste, wie ein Hit
       funktioniert, bei allem Experimentieren. Das Überdrehte aber steht Der Plan
       noch immer am besten, während vieles, was erwachsener Songwriter-Pop sein
       will, ein wenig harmloser daherkommt, als man sich das wünschen würde.
       Gelungen ist „Unkapitulierbar“ aber dennoch. Die Musik fließt smooth
       zwischen Synthie-Seligkeit und Verfremdung in immer wieder eingängige
       Melodien und Texte mit speziellem NDW-Retro-Humor.
       
       Es wirkt bloß so, als stünde Der Plan stets souverän auf der Bremse. Das
       Gegenmodell wäre etwa Kollege Andreas Dorau, der sich stets amtlich
       produzieren lässt. Der Plan ist seiner Post-Übermut-Karriere eher ergeben.
       „Wir sind 25 Jahre älter geworden. Ecken und Kanten sind drin, wenn es
       musikalisch sinnvoll ist. Das ist alles kein Easy Listening. So eine
       Komposition hat, wenn sie funktioniert, eine innere Logik, und das wirkt
       dann vielleicht konventionell, aber für mich ist das die Art, wie ein Song
       funktioniert. Das ist nicht mehr mit Synthie-Maschinen-Rumbasteln, das ist
       Arbeit am Lied“, erklärt Reichelt.
       
       Und überhaupt: „Früher hat man immer gedacht, die Musikentwicklung
       verläuft linear: Alles wird immer elektronischer, immer irrer. Aber seit
       zehn Jahren ist Songwriting wieder möglich. Das ist eigentlich das
       Zeitgemäße. Da passen wir wunderbar rein mit diesem Album.“
       
       30 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Steffen Greiner
       
       ## TAGS
       
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