# taz.de -- Erzbischof Joachim Meisner ist gestorben: Der Katholiban von Köln
       
       > Ein Lieblingsfeind von Linken, Homosexuellen und fortschrittlichen
       > Katholiken ist verstorben. Joachim Meisner möge in Frieden ruhen.
       
 (IMG) Bild: Zwei, die nicht wirklich zusammenpassten: Kardinal Meisner und der Kölner Dom
       
       Mit dem Gebetbuch in der Hand friedlich eingeschlafen – es dürfte ein Tod
       gewesen sein, wie ihn sich Joachim Meisner gewünscht hat. Am Mittwochmorgen
       ist der frühere Erzbischof von Köln im Alter von 83 Jahren während seines
       Urlaubs im bayerischen Bad Füssing gestorben.
       
       Mit ihm verliert die katholische Kirche einen ihrer streitbarsten
       Vertreter. Er sei „ein mutiger Kämpfer“ gewesen, würdigte ihn der
       Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx. Meisner selbst
       verstand sich als „Widerstandskämpfer Gottes“ und „Wachhund der
       katholischen Kirche“. Und das meinte er bitterernst.
       
       Mit dem Reformkurs des derzeitigen Papsts Franziskus fremdelte Meisner denn
       auch in seinen letzten Lebensjahren sichtlich und hörbar. So begehrte er
       noch vor Kurzem gemeinsam mit drei anderen ehemals mächtigen
       erzkonservativen Kardinälen um eine Audienz bei Jorge Mario Bergoglio, um
       ihm ihre „Zweifel“ an dessen Schreiben „Amoris laetitia“ zu überbringen:
       Dass wiederverheiratete Geschiedene wenigstens in Einzelfällen zur
       Kommunion zugelassen sein sollen, war für ihn des Teufels.
       
       Joachim Meisner war alles andere als ein sympathischer rheinischer Don
       Camillo. Aus gutem Grund galt der Kardinal, der bis zu seiner Emeritierung
       2014 ein Vierteljahrhundert lang die katholischen Geschicke in der Domstadt
       bestimmt hat und eine mächtige Stimme in der Deutschen Bischofskonferenz
       war, lange Zeit als der umstrittenste deutsche Kirchenführer.
       
       Schon seine Ernennung zum Erzbischof Kölns durch Karol Wojtyła, den
       damaligen Papst Johannes Paul II., sorgte für Proteststürme. Mit
       ungewöhnlicher Vehemenz, doch letztlich vergeblich wehrte sich das Kölner
       Domkapital gegen die Inthronisierung Meisners, der so gar nicht in das
       traditionell liberale Klima des „rheinischen Katholizismus“ passen wollte.
       
       ## In Meisners Welt gabs nur Schwarz und Weiß
       
       Hier die Heilsgemeinschaft, da der Rest der Welt – das bestimmte Meisners
       Denken und Handeln. Zwischentöne waren ihm fremd. Er glaubte fest daran,
       der Mensch habe „eigentlich nur eine Alternative: entweder Bruder in
       Christus zu sein oder Genosse im Antichrist“. Beim Smalltalk im Anschluss
       an einen Kölner Soldatengottesdienst vor zehn Jahren bedankte sich Meisner
       beim damaligen Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung: „Wenn wir
       nicht die Bundeswehr gehabt hätten, hätten am Rhein die roten Fahnen
       gehangen. Das wäre nicht aufzuhalten gewesen.“ Auch das meinte er
       bitterernst.
       
       Nicht nur der Antikommunismus, sondern auch die unendliche Abneigung gegen
       jegliche modernistische Tendenzen verband Meisner mit Karol Wojtyła. Ebenso
       eng war sein Verhältnis zu dessen Nachfolger Joseph Ratzinger. Die beiden
       Traditionalisten wussten, dass sie sich auf Meisner verlassen konnten. Ohne
       Skrupel ging er gegen vermeintliche Abweichler vor, die nicht seiner reinen
       Lehre folgen wollten.
       
       Obskure rechte kirchliche Strömungen fanden hingegen seine Sympathie. So
       sorgte Meisner im Januar 2014 für Aufregung, als er die Familien des
       „Neokatechumenalen Wegs“ – eine sektenähnliche Gemeinschaft – für ihren
       Kinderreichtum lobte: „Eine Familie von euch ersetzt mir drei muslimische
       Familien.“
       
       Mit seinen geradezu chronischen verbalen Entgleisungen sorgte der „Unstern
       von Köln“ (Süddeutsche Zeitung) immer wieder zielsicher für
       Empörungsstürme. Meisner selbst sah es so: „Ich habe immer für die Sache
       Gottes den Kopf hingehalten.“
       
       Der beruflich verordnete Single sehnte sich nach einer Zeit zurück, als
       sich seines Glaubens nach der Mensch noch „sehr präzise“ als Abbild des von
       Meisner angebeteten Gottes verstanden haben soll, „nämlich als Frau, die
       auf den Mann hin geordnet ist, und als Mann, der auf die Frau hin geordnet
       ist, sodass sie sich in der Ehe zusammentaten“. Deswegen warnte er auch mit
       Vorliebe vor der „sexuellen Verwilderung“ der Jugend. Homosexualität sei
       etwas, befand er einmal ganz unbefangen, was man „ausschwitzen“ müsse.
       
       Er sei ein „notorischer geistiger Brandstifter“, urteilte einmal der
       Zentralrat der Juden. Der Grund: Wenn es gegen das aus seiner Sicht Böse in
       der Welt ging, war ihm kaum ein NS-Vergleich zu unpassend. So verkündete
       Meisner, mit dem Kruzifix-Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1995
       „entartet die Kultur“. Schließlich hätten schon die Nazis Kreuze aus
       Schulen verbannt: „Als sie ihr schauriges kreuzloses Werk begannen,
       stürzten sie die ganze Welt ins Unglück.“
       
       Die Abtreibungspille RU 486 verglich Meisner mit dem zum millionenfachen
       Judenmord benutzten Gas Zyklon B. Es sei „eine unsägliche Tragödie, wenn
       sich am Ende dieses Jahrhunderts die chemische Industrie ein zweites Mal
       anschicken würde, in Deutschland ein chemisches Tötungsmittel für eine
       bestimmte gesetzlich abgegrenzte Menschengruppe zur Verfügung zu stellen“.
       
       Wenn es um das Thema Abtreibung ging, kannte Meisner erst recht keinerlei
       Geschmacksgrenzen. Berüchtigt ist seine Dreikönigtagspredigt 2005: „Wo der
       Mensch sich nicht relativieren und eingrenzen lässt, dort verfehlt er sich
       immer am Leben: zuerst Herodes, der die Kinder von Bethlehem umbringen
       lässt, dann unter anderem Hitler und Stalin, die Millionen Menschen
       vernichten ließen, und heute, in unserer Zeit, werden ungeborene Kinder
       millionenfach umgebracht.“
       
       ## Der rechte Mann am rechten Ort
       
       In einer anderen Predigt hatte er kurz zuvor Abtreibung gar als einen
       „Tatbestand“ tituliert, „der wohl alle bisherigen Verbrechen der Menschheit
       in den Schatten stellt“ – also auch die Verbrechen des Nationalsozialismus.
       Dass Johannes Paul II. 1999 den Ausstieg der deutschen katholischen Kirche
       aus der staatlichen Schwangerenberatung verfügte, verdankte sich seiner
       Initiative.
       
       Für Meisners Weltbild ausschlaggebend war seine Diaspora-Erfahrung in der
       kirchenfeindlichen, mehrheitlich protestantisch geprägten DDR. Im heute
       polnischen Wrocław 1933 in eine streng katholische Familie hineingeboren,
       wuchs er nach der Flucht 1945 im thüringischen Körner auf. Nach einer
       Banklehre trat er mit 17 Jahren in das Spätberufenenseminar Norbertuswerk
       bei Magdeburg ein und holte hier sein Abitur nach. Er studierte Philosophie
       und Theologie und wurde Ende 1962 in Erfurt zum Priester geweiht. 1975
       folgte die Ernennung zum Titularbischof von Vina und Weihbischof in
       Erfurt-Meiningen. Schließlich stieg er als Protegé Karol Wojtyłas im
       Frühjahr 1980 zum Bischof von Berlin auf – auch hier bereits gegen den
       Willen des dortigen Domkapitels. Den Kardinalspurpur erhielt er 1983.
       
       Als Meisner im Februar 1989 sein Erzbischofsamt in Köln antrat, versprach
       er, sein Kirchenvolk „in den Himmel zu führen“. Anlässlich seiner
       Emeritierung im Februar 2014 sagte Meisner, er habe gedacht, er „würde eine
       große Rückkehr der aus der Kirche Ausgetretenen auslösen“. Das war ein
       Irrtum. Während seiner Amtszeit traten in Deutschlands größtem und
       reichstem Erzbistum mehr Gläubige aus der katholischen Kirche aus als in
       allen anderen deutschen Diözesen. Die Zahl der Gottesdienstbesucher
       halbierte sich. In der einst erzkatholischen Domstadt liegt der katholische
       Bevölkerungsanteil nur noch bei 40 Prozent.
       
       Meisner war eine Art Katholiban, ein Gotteskrieger, der die moderne
       pluralistische und säkulare Gesellschaft mit Inbrunst bekämpfte. Die
       „Katholikenphobie“, die er gern wortstark beklagte, hat Meisner mit
       verursacht. Für Johannes Paul II. und Benedikt XVI. war er trotzdem genau
       der rechte Mann am rechten Ort. Mit ihrem Nachfolger Franziskus ist eine
       andere Zeit angebrochen. Es war nicht mehr die Zeit Joachim Meisners.
       Requiescat in pace – er möge in Frieden ruhen.
       
       5 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pascal Beucker
       
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