# taz.de -- Förderung der Kreativbranche: Wenn die nächste Rechnung kommt
       
       > Die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft wird aus Bundesmitteln
       > finanziert – aber wofür verwendet sie eigentlich ihre Gelder?
       
 (IMG) Bild: Schöner Beruf, wenig Kohle, wie schade
       
       Die Kreativbranche ist ein weites Feld. Bei einer Konferenz des
       Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes besteht sie aus:
       Anzugträgern und Perlenkettenträgerinnen, Unternehmens- und
       Steuerberater*innen. Nur (soloselbstständige) Kunstschaffende sind nicht
       anwesend.
       
       „Innovativ, Digital, Kreativ – Perspektiven und Förderung von
       Zukunftsinvestitionen“ lautet der Titel der Konferenz, die Ende Juni im
       Haus Ungarn in Berlin vom Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft
       und der KfW veranstaltet wird. Die KfW ist ihres Zeichens größte deutsche
       Förderbank, die auch innovative – und rentable – Ideen von Kreativen
       unterstützt. Aber was und wer soll hier eigentlich gefördert werden?
       
       Etwa 13 Prozent aller Gelder in der Bundesrepublik werden für Kultur
       ausgegeben. Die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft – sie steht unter
       der Federführung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie sowie
       des Ministeriums für Kultur und Medien – verfügt im Jahr 2017 über
       Haushaltsmittel in Höhe von 7.786.000 Euro.
       
       Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen
       hervor. Mit der Initiative sollen die „Erwerbschancen innovativer kleiner
       Kulturbetriebe sowie freischaffender Künstlerinnen und Künstler verbessert
       werden“, heißt es auf deren Website.
       
       ## Fraglich sind die Verteilungskriterien
       
       Als Träger des Kompetenzzentrums erhält die Arbeitsgemeinschaft u-institut
       e.V./Backes & Husted GbR/Büro in diesem Jahr 3.738.385 Euro. Unter der
       Leitung von zwei Unternehmensberatern schreibt sie sich auf die Fahne,
       „Kultur- und Kreativwirtschaft als eigenständige Branche sichtbar in
       Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur zu verankern und ihre
       Wettbewerbsfähigkeit zu stärken“.
       
       Dafür richtet sie unter anderen den jährlichen Wettbewerb „Kultur- und
       Kreativpiloten“ aus (gefördert mit insgesamt über 600.000 Euro), die
       Vergabe des Wirtschaftsfilmpreises (Kosten: bis zu 300.000 Euro) sowie
       Veranstaltungen mit klingenden Titeln wie „Generation Games“, „Industrie
       4.0: Chance für kreatives Unternehmertum“ oder „Partnering –
       branchenübergreifende Zusammenarbeit“. Und betreibt auch eine Homepage
       (Kosten 2016: knapp 200.000 Euro).
       
       Das Kompetenzzentrum und seine Initiativen geben unterm Strich also
       beachtliche Summen aus. Fraglich sind und bleiben dabei die
       Verteilungskriterien. Die angepriesenen Evaluierungen der Arbeit des
       Zentrums sind nicht öffentlich einsehbar.
       
       In ihren Antrag an die Bundesregierung – „Soziale und wirtschaftliche Lage
       von Künstlerinnen, Künstlern und Kreativen verbessern, Kulturförderung
       gerecht gestalten“ – forderten die Grünen im Mai mehr Transparenz in
       Datenerhebung und Vergaberichtlinien sowie eine größere soziale und
       finanzielle Sicherheit für Menschen, die in der Kreativbranche tätig sind.
       
       Konkret wären das zum Beispiel bezahlbare
       Mindestkrankenversicherungsbeiträge oder die dringend notwendige
       Integration von soloselbstständigen Kulturschaffenden in die gesetzliche
       Rentenversicherung.
       
       ## „Ich hab ganz klassische BWL studiert“
       
       Als Grundlage wünscht man sich bei den Grünen, dass zur Evaluierung erst
       einmal die Datenlage zur wirtschaftlichen Situation Kreativer umfassend
       verbessert wird. So sind die pauschalen Angaben in den Monitoring-Berichten
       zum Durchschnittseinkommen Kreativer bislang nahezu unbrauchbar, da sie
       nicht aufgeschlüsselt werden in einzelne Teilbereiche.
       
       Aus dem Bericht der Bundesregierung von 2016 wird nicht ersichtlich, wie
       die Einkommensverteilung der einzelnen Teilbranchen aussieht oder wie viele
       freischaffende Kreative sozialversichert sind oder derzeit unter der
       Armutsgrenze oder in Altersarmut leben.
       
       Auch die Konferenz, die sich als Werbeveranstaltung für KfW,
       Kompetenzzentrum und die „denglische“ Sprache entpuppt, gibt darüber keinen
       Aufschluss. Stattdessen stellen Unternehmer und Unternehmerinnen ihre
       Erfolgsideen vor. Und der Mittelstand sorgt sich um den mangelhaften Ausbau
       von Glasfaserleitungen. Der meistgehörte Satz des Tages ist: „Ich hab ganz
       klassische BWL studiert“.
       
       Auf der Bühne sitzen Interessenvertreter: ein Leiter der Deutschen Bank,
       ein Start-Up-Unternehmer, ein Bitkom-Geschäftsleiter. Man spricht über
       Napster, Uber, Airbnb und Spotify. Über Finanzierung, Digitalisierung, und
       Start-Up-isierung. Allesamt wegweisende Begriffe in den boomenden „Creative
       Industries“, in denen Kapital das Wichtigste ist.
       
       Zum Abschluss wird zur – monatlichen – Networking-Veranstaltung „Gin &
       Genius“ auf der Dachterrasse geladen. Man trinkt, man quatscht, man
       kokettiert. Mit „man“ ist zwar tatsächlich auch „frau“ gemeint. Nicht aber
       manch freier Kunstschaffender, der sich oft fragen muss, wie er seine
       nächste Rechnung bezahlen soll.
       
       5 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nora Voit
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kulturpolitik
 (DIR) Monika Grütters
 (DIR) Ramona Pop
 (DIR) Lesestück Meinung und Analyse
 (DIR) zeitgenössische Kunst
 (DIR) Erbschaftsteuer
 (DIR) Klaus Lederer
 (DIR) Gastkommentar
 (DIR) Abgeordnetenhauswahlen 2016
 (DIR) Berliner Volksbühne
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Sony Music zieht nach Berlin: Richtfest mit Ramona
       
       Sony Music verlegt seinen deutschen Hauptsitz und die Zentrale Continental
       Europe im Sommer 2020 nach Berlin. Die neue Adresse: Potsdamer Straße.
       
 (DIR) Kulturpolitik der AfD: Kämpfe, die kommen werden
       
       Die deutsche Sprache ist das „Zentrum unserer Identität“ – diesen Satz
       würden wohl viele unterschreiben. Auch wenn er von der AfD stammt.
       
 (DIR) Serie „Kunsträume Berlin“: Zwischen Leben und Tod
       
       In einer neuen Reihe stellen wir ungewöhnliche Kunstprojekte vor. Zum
       Auftakt geht es mit der „Kunst im Westend“ in ein Krankenhaus.
       
 (DIR) Neue Studie über Geldgeschenke: Erben bekommen mehr als gedacht
       
       Ökonomen haben herausgefunden, dass Nachkommen in Deutschland ein Viertel
       mehr als bisher geschätzt erhalten. Der Fiskus profitiert davon kaum.
       
 (DIR) Rot-rot-grüne Kulturpolitik in Berlin: Kulturlinker und Opernfan
       
       Mit Klaus Lederer (Die Linke) bekommt Berlin einen eigenständigen
       Kultursenator. Gleich am Anfang muss er dicke Brocken aus dem Weg räumen.
       
 (DIR) Gastkommentar zu Rot-Rot-Grün in Berlin: Mehr APO wagen
       
       Grüne und Linke wollen Demokratie auch jenseits der Parlamente fördern. Die
       Berliner Initiativen sollten sich deswegen zu einem Netzwerk
       zusammenschließen.
       
 (DIR) Vor der Wahl in Berlin: Michael Müller auf Tauchstation
       
       Berlins Regierender Bürgermeister und Kultursenator setzt auf die
       Globalisierung der Theater. Darüber will er im Wahlkampf aber nicht reden.
       
 (DIR) Protest in der Berliner Volksbühne: Dissidenten bis zum Schluss
       
       Die Belegschaft des Hauses protestiert gegen den neuen Intendanten Chris
       Dercon: Die Identität des Hauses werde geschleift. Was heißt das?