# taz.de -- Kritik an Gutachter von Beate Zschäpe: „Keineswegs plausibel“
       
       > Psychiater Joachim Bauer sollte Zschäpe im NSU-Prozess eine Höchststrafe
       > ersparen. Nun wird seine Einlassung vom Gerichtsgutachter zerpflückt.
       
 (IMG) Bild: Den Durchblick verloren? Gutachter Joachim Bauer im NSU-Prozess
       
       Berlin taz | Joachim Bauer gab sich alle Mühe. In einer Art „verschärfter
       Geiselhaft“ habe sich Beate Zschäpe unter ihren Mitabgetauchten Uwe Mundlos
       und Uwe Böhnhardt befunden, sagte der Psychiater im NSU-Prozess. Die
       Terrortaten habe sie nicht gewollt, von Böhnhardt sei sie geschlagen
       worden. Nur weil sie, auch durch frühkindliche Vernachlässigung, an einer
       dependenten Persönlichkeitsstörung leide, sei sie im Trio geblieben – und
       damit vermindert schuldfähig.
       
       Der Freiburger Psychiater war das womöglich letzte Manöver von Zschäpe im
       NSU-Prozess. 16 Stunden lang hatte er mit der Angeklagten auf ihren Wunsch
       hin in der Haft gesprochen. Mit seinem Gutachten sollte Bauer einen
       Strafrabatt erwirken. Das aber dürfte nun gescheitert sein.
       
       Denn am Dienstag soll der vom Gericht bestellte Gutachter Henning Saß im
       NSU-Prozess seine Wertung von Bauers Aussagen abgegeben. Und die ist
       vernichtend. Bauers Gutachten sei „offensichtlich nicht gestützt auf die
       speziellen Kenntnisse und Erfahrungen in der forensischen Psychiatrie“,
       schreibt Saß in einer Stellungnahme, die er vorab dem Gericht übermittelte
       und die der taz vorliegt. Bauer habe sich Zeugenaussagen „stark selektiert“
       bedient und eine Persönlichkeitsstörung Zschäpes „keineswegs plausibel
       gemacht“. Es mangele an „Mindestanforderungen für Begutachtungen“.
       
       Saß führt aus, dass Zschäpe, anders als sie sich gegenüber Bauer
       darstellte, von Zeugen durchaus als durchsetzungsstark geschildert wurde.
       Ihre Mutter nannte sie ein selbstbewusstes Mädchen, von ihren vier
       Beziehungen habe Zschäpe drei von sich aus beendet. Sie selbst hatte
       berichtet, wie sie gegenüber den Uwes verhinderte, dass das Trio nach
       Südafrika floh. Nach ihrer Festnahme hatte sie zudem einem Polizisten
       gesagt, sie sei von den Männern zu nichts gezwungen worden. Und noch im
       Prozess, so Saß, habe sich Zschäpe auch manipulativ gezeigt.
       
       Diese Aussagen aber habe Bauer „außer Acht gelassen“, bemerkt der
       Gerichtsgutachter. Für eine „labile, selbstunsichere, willensschwache“
       Persönlichkeit Zschäpes jedenfalls gebe es in der Gesamtschau „keine
       Bestätigung“.
       
       ## Harte Kritik an der Methodik
       
       Auch an Bauers Methodik übt Saß harte Kritik. Dessen Schlussfolgerungen
       seien „weitgehend spekulative, an bestimmte Vorannahmen gebundene
       Vermutungen“. Kritische Nachfragen habe Bauer „offenbar nicht vorgenommen“.
       Auch sei eine „sachverständige Überprüfung“, wie glaubwürdig Zschäpes
       Angaben ihm gegenüber waren, nicht erfolgt.
       
       Auch einen zweiten Gutachter, den Zschäpes Verteidigung aufgeboten hatte,
       bürstet Saß ab. Der Psychiater Pedro Faustmann hatte ihm ein
       unwissenschaftliches Vorgehen vorgeworfen. Saß weist das zurück: Es sei
       „zentral“, im Gutachten auch „Grenzen und Unsicherheiten aufzuzeigen,
       einschließlich der Frage der Subjektivität“. Es ergäbe sich auch nach
       Faustmanns Ausführungen „keine Änderungen an den Einschätzungen in meinem
       Gutachten“.
       
       Saß hatte in seinem Gutachten Zschäpe volle Schuldfähigkeit attestiert. Für
       die 42-Jährige wird es nun eng. Denn das Gericht deutete bereits an, dass
       es den Einschätzungen von Saß folgt, obwohl Zschäpe ein Gespräch mit ihm
       verweigert hatte.
       
       Ihr Gutachter Bauer hatte sich zudem selbst in Misskredit gebracht. Er
       musste einräumen, Zschäpe Pralinen mit in die Haft gebracht zu haben. Der
       Welt schrieb er eine Mail, in der er den NSU-Prozess mit einer
       „Hexenverbrennung“ verglich. Mehrere Nebenklage-Anwälte stellten darauf
       einen Befangenheitsantrag gegen Bauer. Der Vergleich sei eine „unfassbare
       Entgleisung“. Bauer habe „jede professionelle Distanz verloren“.
       
       29 May 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Konrad Litschko
       
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