# taz.de -- 18-Uhr-Demo in Berlin-Kreuzberg: Feuer und Flamme
       
       > Auch ohne Anmeldung darf der Protestzug mitten im Myfest starten. Er
       > verläuft ohne Zwischenfälle. Die Polizei hält sich zurück.
       
 (IMG) Bild: Mit viel Rauch startet die 18-Uhr-Demo
       
       Es ist kurz nach 18 Uhr am Montagabend, als am Oranienplatz die ersten
       Transparente in Richtung Myfest hochgehalten werden. Zuvor hatten Redner
       von der Bühne am Platz die ausgelassen zu HipHop tanzenden Menschen dazu
       aufgerufen, sich ihre Energie zu sparen für die Revolutionäre
       1-Mai-Demonstration. Einige Demobeobachter von linken Uni-Gruppen in pinken
       Westen halten sich bereit.
       
       Gegen halb sieben sind erste „Loslaufen“-Rufe zu hören. Kein einziger
       Polizist weit und breit. Dann werden einige Rauchbomben und Bengalos
       gezündet: Gut eingenebelt startet die Demo – und zieht ohne Probleme durch
       die Oranienstraße.
       
       Ob der Protestzug mitten im Myfest-Getümmel überhaupt würde starten dürfen,
       war im Vorfeld offen geblieben. Denn erstmals war die krawallträchtige
       18-Uhr-Demo nicht angemeldet worden. Die Polizei hatte im Vorfeld darauf
       zwar gelassen reagiert und angekündigt, den Aufzug zu tolerieren, bei dem
       in den vergangenen Jahre stets mehr als zehntausend Teilnehmer mitliefen.
       Trotzdem hatte die Nichtanmeldung für eine gewisse Spannung gesorgt.
       
       Für Innensenator Andreas Geisel (SPD) war es der erste 1. Mai im Amt. Er
       war davon ausgegangen, dass es auch 30 Jahre nach den ersten heftigen
       Krawallen an dem Feiertag in Kreuzberg nicht gänzlich friedlich bleibt:
       „Wir setzen wieder auf die bewährte Doppelstrategie: Kommunikation, solange
       es friedlich bleibt, und hartes Durchgreifen gegen Gewalttäter.“ Die
       Polizei war insgesamt mit rund 5.500 Einsatzkräften in ganz Berlin im
       Einsatz.
       
       Auch als die 18-Uhr-Demo in die Naunynstraße einbiegt, werden weitere
       Bengalos und Feuerwerk gezündet. Im vorderen Teil läuft ein gut 500
       Menschen starker schwarzer Block, viele sind vermummt. Doch die Polizei
       bleibt bei ihrer Taktik – und hält sich komplett zurück. Aber ihre
       Hubschrauber kreisen über dem Viertel.
       
       Auch die Innenpolitiker von Rot-Rot-Grün haben sich dem Aufzug
       angeschlossen – Tom Schreiber (SPD), Hakan Taş (Linke) und Benedikt Lux
       (Grüne) verfolgen das Geschehen als Beobachter am Ende des Zugs. Sie gehen
       davon aus, dass sich letztlich mehr als zehntausend Teilnehmer an dem
       Protest beteiligen könnten.
       
       Erst als der Demozug das Myfest-Gelände verlässt, wird er von Polizisten
       begleitet. Die Stimmung unter den Demonstranten kühlt ein wenig ab; einige
       Flaschen fliegen. Insgesamt wirkt alles sehr entspannt. Die inzwischen
       mehrere tausend Menschen starke Demo wollte laut Planungen nach Neukölln
       ziehen und dann zurück zum Spreewaldplatz.
       
       Gegen 20 Uhr spricht die Polizei von etwa 8.000 TeilnehmerInnen, die
       Organisatoren von rund 15.000. Mitten in Neukölln kommt es zu einem ersten
       nennenswerten Zwischenfall. In der Pannierstraße nimmt die Polizei mehrere
       Teilnehmer offenbar aus dem Zug heraus fest und setzt dabei Schlagstöcke
       und Pfefferspray ein. Grund für die Festnahme laut Polizei: Vermummung und
       die Verwendung von Fahnenstangen als Schlagwerkzeug. Es gibt mehrere
       Verletzte Demonstranten. Die Stimmung wird aggressiver. Trotzdem erreicht
       die Demo ohne weitere Zwischenfälle ihren Endpunkt eine gute halbe Stunde
       später.
       
       Innensenator Geisel und Polizeipräsident Klaus Kandt haben am Abend am
       Rande der Demo die Entscheidung verteidigt, diese durch Kreuzberg ziehen zu
       lassen, obwohl sie nicht angemeldet war. „Wir haben vermieden einzugreifen,
       um keine Eskalation auf das Fest zu tragen“, sagte Kandt. Er sprach von 300
       Teilnehmern der „Kategorie rot“, die die Polizei als gewaltbereit
       einschätzt.
       
       Geisel verwies auf das im Grundgesetz festgeschriebene Versammlungsrecht.
       Eine Anmeldung diene dazu, dass sich die Polizei vorbereiten könne. Das sei
       gewährleistet gewesen. Die Nichtanmeldung der Demonstration werde aber
       Konsequenzen haben. Es habe eine Güterabwägung mit Blick auf das Myfest und
       eine Beschränkung der Demonstration am Abend gegeben. An der Stelle sei es
       schlauer gewesen, deeskalierend zu wirken.
       
       Schon vor 18 Uhr wurde viel demonstriert in Kreuzberg. Gegen 16 Uhr war
       eine von Jugendgruppen organisierte Demo vom Michaelkirchplatz losgezogen
       mit rund 300 Teilnehmern. Eine der Organisatorinnen des Protestzugs hatte
       in der taz über das Ziel des zusätzlichen Demozugs gesagt: „Wir wollen
       Schülerinnen und Schüler auf die Demo bringen, vielleicht auch Leute, die
       noch nie auf einer Demo waren.“
       
       Deutlich stärker besucht war die die Internationalistische Demo – bestehend
       vor allem aus palästinensischen und kurdischen Gruppen, die sich von der
       18-Uhr-Demo abgespalten hatten. An ihr nahmen etwa 1.500 Personen teil. Sie
       zogen ebenfalls ab etwa 16 Uhr vom Lausitzer Platz über Ohlauer und
       Bürknerstraße zum Kottbusser Tor. Trotz teils antiisraelischer Parolen und
       einer prominenten Präsenz der BDS-Kampagne, die zum Boykott israelischer
       Produkte aufruft, blieb die Demonstration in diesem Jahr friedlich.
       Vergangenes Jahr war es zu Auseinandersetzungen zwischen pro- und
       antiisraelischen linken Gruppen gekommen.
       
       1 May 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erik Peter
 (DIR) Malene Gürgen
 (DIR) Bert Schulz
 (DIR) Plutonia Plarre
       
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