# taz.de -- Französische Migrationskomödie: Sapperlot!
       
       > Eine Revue von Sketchen mit leidlich witziger Pointe: „Ein Dorf sieht
       > schwarz“ erzählt die wahre Geschichte einer zairischen Familie.
       
 (IMG) Bild: Familie Zantoko: Sivi (Médina Diarra), Anne (Aïssa Maïga), Seyolo (Marc Zinga), Kamini (Bayron Lebli)
       
       Dass ein Film auf einer wahren Geschichte basiert, verspricht heutzutage
       nichts Originelles. Vielleicht wäre das Marketing zur französischen Komödie
       „Ein Dorf sieht schwarz“ deshalb besser beraten gewesen, mit der
       Ursprungsgeschichte des Films, der im Original „Bienvenue à Marly-Gomont“
       heißt, zu werben: Im Grunde nämlich geht er auf ein YouTube-Video zurück,
       mithilfe dessen der schwarze französische Rapper Kamini seinen ersten
       Nummer-eins-Hit landen konnte.
       
       „Marly-Gomont“ nannte Kamini den Song, nach dem Kaff, in dem er
       aufgewachsen ist. Das Video zeigt ihn vor Kuhweiden, auf Mähdreschern,
       neben unmodisch gekleideten weißen Bauern verschiedenen Alters. Im Text
       schildert er Land und Leute: „Die Picardie: 95 Prozent Kühe, 5 Prozent
       Einwohner, darunter eine einzige schwarze Familie – ausgerechnet meine. Was
       für ein Albtraum!“
       
       Er rappt auch über die wenig netten Kosenamen, mit denen man ihn im
       Kindergarten bedachte, und benennt die ländlich-raue Ehrlichkeit, mit der
       manche ihm zuraunten: „Ich mag ja keine Araber und keine Schwarzen, aber
       dich mag ich, obwohl du schwarz bist!“ Das Video verbreitete sich im Herbst
       2006 wie ein Lauffeuer und machte aus Kamini einen Star.
       
       „Ein Dorf sieht schwarz“ erzählt die Geschichte aus Sicht von Kaminis
       Vater. Der aus Zaire stammende Seyolo Zantoko schließt 1975 in Lille das
       Medizinstudium ab. Um der vermeintlich besseren Zukunft seiner Kinder
       willen nimmt er das Angebot einer Landarztstelle im Norden von Paris an.
       Ein verzweifelter Bürgermeister hatte unter den jungen Medizinern geworben,
       weil sein Landkreis jahrelang ohne ärztliche Versorgung geblieben war. Ob
       es dem Schwarzen mit seiner Familie im kleinen Marly-Gomont gefallen wird,
       dessen ist sich aber auch der Bürgermeister nicht sicher: „Sie müssen
       verstehen, das ist nicht Frankreich, sondern die Provinz!“
       
       ## Kinder bei der Einschulung
       
       Um das auch dem Kinozuschauer vor Augen zu führen, lässt Regisseur Julien
       Rambaldi die Zantokos im strömenden Regen auf dem platten Land dem Bus
       entsteigen. Erst mal ist kein Ort nirgendwo zu sehen, und natürlich sind
       sowohl die zwei kleinen Kinder als auch Seyolos Frau Anne entsetzt: Unter
       „im Norden von Paris“ hatten sie sich etwas ganz anderes vorgestellt.
       Staunende Gesichter mit offenstehenden Mündern und aufgerissenen Augen
       bestimmen von da an den Film.
       
       Zuerst sind es noch die Afrikaner, die sich über Regen und Kälte wundern,
       ebenso über das klapprige Auto, das man ihnen zur Verfügung stellt. Bald
       aber sind es die Dorfbewohner, die sich beim Anblick der schwarzen Familie
       kaum mehr einkriegen können. „Sapperlot“, stoßen die Hausfrauen beim
       Markteinkauf aus, als die flott gekleidete Anne vorbeikommt. Sie hält den
       Fluch für eine Grußformel und gibt erst mal ein freundliches „Sapperlot“
       zurück.
       
       Den Kindern geht es bei der Einschulung kaum besser. Auch da glotzen und
       kreischen die neuen Mitschüler, und natürlich will sich keiner auch nur
       neben sie stellen. So herrscht denn auch in Seyolos Praxis zunächst
       gähnende Leere. Und die hochschwangere Frau, die eines Tages im Wartezimmer
       sitzt, macht sich bei seinem Anblick trotz Schmerzen wieder davon; man
       hatte ihr nicht erzählt, dass der neue Arzt schwarz ist.
       
       All diese und noch viele weitere Situationen schildert Rambaldi in seiner
       Komödie als eine Revue von Sketchen mit stets leidlich witziger Pointe.
       Interessant bleibt der Film, weil man hinter der karikaturesken Schilderung
       der „typischen“ provinziellen Fremdenfeindlichkeit oft genug die
       zugrundeliegende echte Erfahrung spürt. Dieses ständige allseitige Glotzen
       auf die eine Familie von dunkler Hautfarbe hat es sicher tatsächlich
       gegeben.
       
       ## „Fass mich nicht an mit deinen Dreckspfoten!“
       
       Umso mehr wächst die Bewunderung für Seyolo, Kaminis Vater, den der
       Schauspieler Marc Zinga mit stillem Charme als Ruhepol im
       Rassismus-Slapstick verkörpert. Sein Seyolo ersinnt unermüdlich neue
       Strategien, um der Fremdenscheu im Dorf entgegenzuwirken.
       
       Er besucht die Kneipe und spricht dort die Männer an; er lernt Dartspielen,
       um mitzuhalten; er stellt sich auf den Marktplatz und schüttelt dabei allen
       Vorbeikommenden die Hand. Und als die Hochschwangere niederkommt und noch
       in den schlimmsten Wehen „Fass mich nicht an mit deinen Dreckspfoten!“
       schreit, dann macht er einfach unermüdlich weiter. Es muss ein hartes,
       jahrelanges Ringen um Anerkennung gewesen sein.
       
       Wenn Kaminis Rapperstimme zuletzt aus dem Off davon erzählt, wie zur
       Beerdigung seines Vaters die Menschen aus der ganzen Region herbeiströmten,
       offenbart der Film seine hinter Lachern verborgene emotionale Wucht. Seyolo
       Zantoko und sein Mut, der französischen Provinz in den 70er Jahren die
       Stirn zu bieten, hat das Zeug zur Heldengeschichte. Aber für uns weiße
       Europäer ist die Komödienform wahrscheinlich die erträglichere.
       
       20 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Schweizerhof
       
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