# taz.de -- March for Science gegen Donald Trump: Eine Generation geht verloren
       
       > Im Wahlkampf nannte Trump den Klimawandel eine Erfindung. Wegen gekürzter
       > Mittel gehen US-Wissenschaftler nun auf die Straße.
       
 (IMG) Bild: Trumps Forschungsprogramm: „Wir werden mehr mit weniger machen“
       
       New York taz | Drei Monate nach Donald Trumps Amtsantritt steht das Büro
       für Wissenschaft und Technologie (OSTP) im vierten Stock des
       Eisenhower-Executive-Office-Gebäudes direkt neben dem Weißen Haus immer
       noch weitgehend leer. Wo bis Januar zwei, manchmal auch drei Dutzend,
       Hightech-ExpertInnen und WissenschaftlerInnen über künstliche Intelligenz,
       Klimawandel, die Folgen einer Ölpest im Golf und die Eindämmung des
       jüngsten Ebolaausbruchs nachdachten und daraus Empfehlungen für den
       Präsidenten formulierten, sitzt jetzt lediglich ein einsamer junger
       Politologe.
       
       Michael Kratsios ist ein bisheriger Mitarbeiter eines der größten Geldgeber
       Trumps, des Kaliforniers Peter Thiel. Im Techbereich hat Kratsios, der
       bislang in Investmentunternehmen und Banken arbeitete, keine Erfahrung und
       an den morgendlichen Briefings der politischen EntscheiderInnen darf er
       nicht teilnehmen. Auch bei den Diskussionen über Trumps geplante tiefe
       Einschnitte in die Forschungsetats in den Bereichen Gesundheit, Energie und
       Umwelt spielte er keine Rolle.
       
       Während der fachliche Rat im Weißen Haus ausbleibt, rühren sich stattdessen
       Zigtausende von ForscherInnen in den USA. Viele von ihnen waren schon
       entgeistert, als sie im Wahlkampf Trumps fortschritts- und
       wissenschaftsfeindliche Parolen über den Klimawandel als eine „chinesische
       Erfindung“ und Auflagen für Umwelt- und Arbeitsplatzsicherheit als
       „Hemmnisse für die Wirtschaft“ hörten.
       
       Als Trump eine Woche nach seinem Einzug ins Weiße Haus ein Einreiseverbot
       für Menschen aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern verkündete,
       machte sich Angst an den Universitäten und in den Hightechunternehmen des
       Landes breit. Denn das – bislang von Gerichten verhinderte – Einreiseverbot
       würde auch den Aufenthalt Tausender ausländischer ForscherInnen gefährden
       und es unmöglich machen, neue Talente im Rest der Welt anzuwerben.
       
       ## Budget um 31 Prozent gekürzt
       
       Seither hatte das Weiße Haus weitere Hiobsbotschaften für die Forschung.
       Die größte davon ist der im März vorgelegte Haushaltsentwurf von Trump.
       Danach will der Präsident 31 Prozent (oder 5,7 Milliarden Dollar) des Etats
       der Umweltbehörde EPA streichen und ein Viertel ihrer 15.000 Beschäftigten
       entlassen. Er will 18 Prozent, oder knapp 6 Milliarden Dollar, weniger an
       das Nationale Gesundheitsinstitut (NHI) zahlen sowie die Mittel für
       Klimaforschung bei der Raumfahrtbehörde Nasa und der nationalen Ozean- und
       Atmosphärenbehörde (Noaa) den Garaus machen. „Wir werden sparen und
       effizienter arbeiten“, verkündete er. Sein Forschungsprogramm: „Wir werden
       mehr mit weniger machen.“
       
       Am 22. April, dem von der Unesco ausgerufenen „Tag der Erde“, wenn weltweit
       Fachleute für mehr Umwelt- und Klimaschutz plädieren, wollen
       US-ForscherInnen in Washington und zahlreichen anderen US-Städten gegen
       ihren Präsidenten demonstrieren. ForscherInnen, die sich sonst auf ihre
       Messungen im Labor konzentrieren oder Geldquellen für ihre Arbeit suchen
       und politischen Aktivitäten fernbleiben, tragen auf einmal Buttons und
       T-Shirts mit Slogans wie: „Science, not silence“ (Wissenschaft statt
       Schweigen) und „Stand up for Science“ (Aufstehen für die Wissenschaft).
       
       „Wir hoffen noch, dass der Kongress die Einsparungen verhindert“,
       beschreibt Erdforscherin Natassa Romanou die Stimmung, „wenn das nicht
       geschieht, wird es dramatisch.“ Sie lehrt an der Columbia-Universität New
       York und forscht am Goddard-Institut der Nasa über den Kohlenstoffkreislauf
       in den Ozeanen und über die Wechselwirkung mit dem Klima. Der ehemalige
       Chef ihres Instituts, James Hansen, war in den 80er Jahren einer der ersten
       Wissenschaftler, die vor den Gefahren der globalen Erwärmung warnten. Damit
       wurde er zu einer Schlüsselfigur für die Klimabewegung.
       
       Die Lobby der Öl- und anderen Industrien für fossile Brennstoffe versuchte
       schon unter Expräsident George W. Bush, die Bundesmittel für die
       Klimaforschung zu kürzen. Doch damals bekamen sie dafür keine Mehrheit im
       Kongress. Seither haben sich dort die Mehrheiten zu ihren Gunsten
       verändert. Sollte es bei den Einsparungen bleiben, werden viele
       Forschungsbereiche betroffen sein. Einzelne Universitäten haben bereits im
       Januar Neueinstellungen und Anwerbung wissenschaftlicher Hilfskräfte auf
       Eis gelegt, weil sie nicht wissen, ob sie ab Oktober, wenn das neue
       Haushaltsjahr beginnt, die nötigen Bundesmittel bekommen.
       
       ## Weil es „lange dauert, Talente auszubilden“
       
       An der George-Washington-Universität in der US-Hauptstadt befürchtet der
       Neurowissenschaftler Kevin Pelphrey, „dass die Regierung die
       Autismusforschung aufgibt“. Und in Kalifornien warnt Neurobiologieprofessor
       Ben Barres an der Universität Stanford, dass eine ganze Generation von
       WissenschaftlerInnen verloren gehen könnte, weil es „lange dauert, die
       besten Talente auszubilden“. Gefahren drohen auch für Wasserschutzprojekte
       und selbst für archäologische Grabungen.
       
       Bei seinem Amtsantritt gab der neue Chef der Umweltbehörde EPA, Scott
       Pruitt, eine Kostprobe seiner Wissenschaftsskepsis. Ende März lehnte er das
       Verbot eines Insektenvertilgungsmittels ab. Nach fünfjährigen Studien waren
       ForscherInnen seiner Behörde EPA zu dem Ergebnis gekommen, dass
       Chlorpyrifos, das in den USA und weltweit seit 1965 in der Landwirtschaft
       eingesetzt wird, schädliche Auswirkungen auf das Gehirn – sowohl auf die
       Lernfähigkeit als auch auf das Gedächtnis – haben kann, und hatten ein
       Verbot empfohlen. Der Konzern Dow Chemical, der das Insektizid unter dem
       Markennamen Lorsban verkauft, hatte dagegengehalten. Dann entschied
       EPA-Chef Pruitt: „Wir müssen noch weiter forschen.“ Konkret bedeutet dies,
       dass Lorsban bis mindestens ins Jahr 2022 im Einsatz bleibt.
       
       Die meisten ForscherInnen in den USA sind in skeptischer Wartehaltung. Noch
       arbeiten sie ja an ihren Projekten. Doch Trumps Sparmaßnahmen könnten einen
       Exodus aus den staatlich finanzierten Institutionen auslösen. Erdforscherin
       Romanou hofft, dass sie und ihre KollegInnen dann Alternativen bei privaten
       Universitäten in den USA finden werden.
       
       Doch außerhalb der USA hat bereits ein Werben um die ForscherInnen
       eingesetzt. In einem englischsprachigen Video sagte der französische
       Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron: „Kommt nach Frankreich. Bei uns
       könnt ihr die Klimaforschung fortsetzen.“
       
       Wann – und ob überhaupt – wieder kompetente BeraterInnen in das 1974
       geschaffene OSTP-Büro kommen, ist offen. Das Weiße Haus sagt, Trump habe
       qualifizierte KandidatInnen im Sinn, nennt aber keine Namen. Das war bei
       Amtsvorgänger Barack Obama grundsätzlich anders. Er hatte schon im
       Wahlkampf ein großes Team von wissenschaftlichen und technologischen
       BeraterInnen, die ihm im Januar 2008 ins Weiße Haus folgten.
       
       20 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
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