# taz.de -- Spielfilm über einen Sklavenaufstand: Mit Gott gegen alle
       
       > Vom Prediger zum heiligen Krieger: Nate Parker erzählt in „The Birth of a
       > Nation“ die Geschichte des Sklavenführers Nat Turner.
       
 (IMG) Bild: Der Aufstand: Nat Turner (Nate Parker, vorne) und seine Verbündeten
       
       Der Titel soll provozieren. „The Birth of a Nation“, so hieß 1915 ein Film
       von D. W. Griffith, der unter anderem dafür bekannt wurde, den Ku-Klux-Klan
       einerseits in günstigem Licht erscheinen zu lassen und die schwarzen
       Protagonisten andererseits – von Weißen mit Blackfacing gespielt –
       rassistisch zu porträtieren. Jetzt hat der Regisseur Nate Parker die
       Perspektive umgekehrt und erzählt in „The Birth of a Nation – Aufstand zur
       Freiheit“, wie der deutsche Titel lautet, eine Geschichte aus den
       Südstaaten nach historischem Vorbild, in der vor allem die Weißen keine
       gute Figur machen.
       
       Nate Parker, zugleich Hauptdarsteller seines Films, ist in der Rolle des
       Nat Turner zu erleben. Turner war ein Sklave, der im 19. Jahrhundert auf
       einer Plantage aufwuchs, sich selbst das Lesen beibrachte, von seinen
       Besitzern Bibelstunden erhielt und später Laienprediger wurde. Im Sommer
       1831 versammelte er Gleichgesinnte, um sich in einem Aufstand gegen die
       Unterdrückung durch die Weißen zur Wehr zu setzen. Seinen Besitzer, Joseph
       Travis, erschlug er mit einem Beil. Im Herbst des Jahres wurde Turner dafür
       gehängt.
       
       Parker rückt seine Hauptfigur ins Zentrum des Geschehens. Durch Nat Turners
       Augen, von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter, blickt man auf die
       Zustände im Virginia des frühen 19. Jahrhunderts.
       
       ## Es beginnt mit einer Kinderfreundschaft
       
       Auf der Plantage, die im Film einer ebenfalls Turner genannten Familie
       gehört, herrscht ein liberales Klima, in dem die Sklaven anständig
       behandelt werden. Nat spielt als Kind mit Samuel Turner, dem Sohn der
       Plantagenbesitzer, so wie Freunde es tun. Samuels Mutter Elizabeth ist
       strenggläubige Christin, was sich günstig auf die Lage der Sklaven
       auszuwirken scheint.
       
       Als die Mutter eines Tages entdeckt, dass Nat lesen kann, gibt sie ihm
       Unterricht. Wobei sie gleich klarstellt, dass der Großteil ihrer Bibliothek
       nichts für Schwarze ist. Mit Ausnahme eines Buchs: der Bibel. Nat erweist
       sich als gelehrig, irgendwann darf er vor den Sklaven seine ersten
       Predigten halten.
       
       Als der erwachsene Samuel Turner, mit stoischer Maskulinität von Armie
       Hammer gegeben, in der Plantage die Nachfolge seines Vaters übernimmt,
       treten eines Tages die Nachbarn an ihn heran. Sie haben von Nats
       rhetorischen Fähigkeiten erfahren und wollen den „negro preacher“ vor ihren
       Sklaven sprechen lassen. Die Stimmung in der Gegend ist aufgeheizt, immer
       wieder rebellieren Sklaven gegen die Gewalt, die sie erleiden. Nat soll sie
       mit Bibelworten in Schach halten.
       
       ## Wo Auspeitschen zum Alltag gehört
       
       Von diesem Moment an kippt der Tonfall des Films. Hatte Parker in der
       ersten Hälfte die Coming-of-Age-Geschichte eines Sklaven unter halbwegs
       akzeptablen Bedingungen nachgezeichnet, konfrontiert er Nat Turner jetzt
       mit den Zuständen auf den anderen Plantagen. Auspeitschen und brutale
       Folter gehören dort zum Tagesgeschäft.
       
       Samuel macht gute Miene zum bösen Spiel, da er in finanziellen Nöten steckt
       und auf das Geld angewiesen ist, das er mit Nats Predigten verdient. Nat
       selbst gerät immer stärker in Konflikt mit der guten Nachricht, die er
       verkündet, und der Realität, auf die er trifft. Sogar auf seiner Plantage:
       Um das Ansehen unter den Nachbarn und damit seine Einkünfte nicht zu
       gefährden, gestattet Samuel den anderen Plantagenbesitzern schon mal, mit
       einer seiner Sklavinnen zu schlafen, selbst wenn diese verheiratet ist.
       
       Durch all diese Prüfungen hindurch verkörpert Parker die Gläubigkeit seines
       Protagonisten als unerschütterliche ideologische Position. Seine Frau wird
       von Sklavenjägern fast bis zur Unkenntlichkeit misshandelt, Nat reißt sich
       mühsam zusammen. Als sein Besitzer sich gegen ihn wendet und ihn dafür
       auspeitschen lässt, dass Nat einen Weißen auf dessen Bitte hin getauft hat,
       erleidet der Glaubensmann die Hiebe wie ein Märtyrer. Seinen Glauben kann
       das nicht erschüttern.
       
       ## Die Bibel als Kampfschrift lesen
       
       Allerdings beginnt er die Bibel gänzlich anders zu lesen als die Weißen,
       findet für jedes Zitat, das zur Rechtfertigung der Sklaverei herangezogen
       wird, eine Passage, die zum Kampf gegen Unterdrückung aufruft. Bis Nat
       schließlich eine Sonnenfinsternis als Zeichen Gottes deutet: Er organisiert
       einen Aufstand und ermordet mit seinen Verbündeten die eigenen Besitzer.
       
       Parker inszeniert dies sehr geradlinig und offensichtlich. Interessant ist
       der Film denn auch weniger wegen seines legitimen Anliegens, die
       historische Rolle Nat Turners zu würdigen, sondern weil er sich nicht
       ausschließlich in Glorifizierung ergeht. Sein Nat ist nicht minder
       irregeleitet als die Weißen, was seine Lesart der Bibel angeht. Letztlich
       kompromittiert Nat damit sein Anliegen, gegen die unhaltbaren Zustände auf
       den Plantagen aufzubegehren. Die Religion erweist sich als weltanschauliche
       Knetmasse, die sich zu jedem politischen Zweck instrumentalisieren lässt.
       
       In den USA hat der Film seit seinem Start im Oktober lediglich magere
       Ergebnisse eingespielt. Zwar hatte er beim Sundance Filmfestival Anfang
       2016 mehrere Preise erhalten und war fortan als Oscarfavorit gehandelt
       worden. Doch dann wurde ein Vergewaltigungsfall aus dem Jahr 1999 publik,
       in den Parker und sein Koautor Jean Celestine verwickelt waren. Parker
       wurde damals freigesprochen, doch die Klägerin nahm sich vor fünf Jahren
       das Leben. Der Fall überschattet seitdem – zu Recht – die Rezeption des
       Films. Völlig missachten sollte man ihn dennoch nicht.
       
       13 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tim Caspar Boehme
       
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