# taz.de -- Staatszeitung in Myanmar: Der Mann in den Wolken
       
       > Die einstige Propagandazeitung „Global New Light“ ist heute Sprachrohr
       > für die demokratische Regierung. Frei berichten kann sie nicht.
       
 (IMG) Bild: Zeitungsverkäufer in Rangun: Die Staatszeitungen stehen in Konkurrenz zu den privaten Medien
       
       Rangun taz | Die silberglänzende Schnur des Telefonapparats verbindet Aye
       Min Soe mit dem „Man in the clouds“, dem Mann aus den Wolken. Sie steht auf
       einer Wachstuch-Tischdecke auf Aye Min Soes Schreibtisch in den mintgrün
       gestrichenen Redaktionsräumen des Global New Light of Myanmar, der
       englischsprachigen Staatszeitung, die es noch immer gibt, obwohl Birma seit
       fast einem Jahr eine demokratische Regierung hat.
       
       Aye Min Soe, ein stiller Mann mit schütterem Haar, leitet die Redaktion.
       Für ihn macht nach wie vor alles Sinn. „Die Regierung ist unser Eigentümer,
       also schreiben wir in ihrem Sinne“, sagt der 39-Jährige. Er knetet sich
       regelmäßig unsicher die Faust. Das Informationsministerium rufe ein paar
       Mal pro Monat an, sagt er. Ehemalige Mitarbeiter behaupten, das Telefon
       klingele jeden Abend. Am Apparat ist der Mann aus den Wolken.
       
       Die Zensur reicht von putzigen Eingriffen, wie dem Verbannen abgebrochener
       Pagoden-Spitzen auf unprominenten Stellen in der Zeitung – die Birmanen
       könnten das als Omen für das Scheitern der Regierung werten – bis zum
       Entfernen oppositioneller Stimmen. „Dabei kann der Mann in den Wolken doch
       kaum Englisch“, verrät Aye Min Soe und erlaubt sich, ein bisschen zu
       schmunzeln.
       
       Einst verurteilte die Nationale Liga für Demokratievon
       Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi Propagandamedien. Heute macht
       sie selbst Gebrauch davon. Es scheint, als hätten die Demokratiekämpfer von
       einst, jetzt, da sie einen Blick in die Wundertüte geworfen haben, Gefallen
       an den Instrumenten der Diktaturzeit gefunden.
       
       „Seit wann brauchen Demokratien Staatsmedien?“, echauffiert sich Kyaw Min
       Swe. Er gibt die birmesische Tageszeitung The Voice heraus und baute Birmas
       Presserat mit auf. Ein alter Weggefährte aus diesen Tagen ist der
       amtierende Informationsminister Pe Myint. Früher habe er die Abschaffung
       der Propagandazeitungen gefordert, jetzt ist er ihr oberster Chef.
       
       Im Informationsministerium heißt es dazu von einem hochrangigen Beamten,
       der ironischerweise nur zögerlich informiert und seinen Namen nicht in
       einer Zeitung lesen will, nur, es handele sich nicht um Propaganda, sondern
       um Information, und die sei demokratisch.
       
       Das Global New Light richtet sich an Diplomaten, Investoren und ein
       Englisch sprechendes heimisches Publikum. Von Birmesen wird es in
       Englischkursen munter zum Vokabellernen konsumiert, von Ausländern müde
       belächelt oder spöttisch verlacht. Oft geht die unfreiwillig komische
       Propaganda in Birma in sozialen Netzwerken viral. Allem Spott zum Trotz:
       Die Zeitung wird wahrgenommen, ist sie doch neben Facebook der einzige
       Kanal, auf dem die Regierung überhaupt nach außen kommuniziert.
       
       ## „Eine Klatsche für private Medien“
       
       Bei einer Medienkonferenz im Mai machte Informationsminister Pe Myint seine
       Position klar: „Staatsmedien stellen eine Brücke zwischen Regierung und
       Volk dar.“ Neben dem englischsprachigen Global New Light besitzt die
       Regierung noch zwei weitere Zeitungen.
       
       „Es ist eine Klatsche für die privaten Medien, dass die Regierung denkt,
       sie brauche eigene Medien, um mit dem Volk zu kommunizieren“, sagt
       Zeitungsherausgeber Kyaw Min Swe und verweist außerdem auf die schädliche
       Konkurrenz. Die Staatsmedien könnten dank Subventionen landesweit verteilt
       werden und würden so den privaten Medien die Anzeigenkunden abwerben.
       
       Dabei sollte sich, nachdem 2010 die Generäle beschlossen, Birma zu
       demokratisieren, auch für das Global New Light etwas ändern. 2013 kaufte
       ein in Japan lebender birmesischer Geschäftsmann 49 Prozent der
       Geschäftsanteile, ein Jahr später begann die japanische Nachrichtenagentur
       Kyodo News die Redaktion zu unterstützen. Mit einer neuen Druckerpresse
       waren Farbfiaskos bald Geschichte, Redakteure wurden für Trainings nach
       Tokio geflogen und ausländische Journalisten ins Team geholt, um
       internationale Standards zu etablieren.
       
       Die Quelle der Propaganda blieb immer die Myanmar News Agency. Thiri, die
       lieber nicht mit ihrem echten Namen in diesem Text auftauchen möchte, hat
       vier Jahre lang bei der staatseigenen Nachrichtenagentur, die auch räumlich
       im Informationsministerium angesiedelt ist, Texte für das Global New Light
       geschrieben.
       
       ## Freie Berichterstattung nur mit Erlaubnis
       
       Sie freut sich diebisch, wenn sie davon erzählt, wie ihr Chefredakteur und
       sie sich regelmäßig über Vorgaben aus dem Ministerium hinwegsetzten. Denn
       anders als während des demokratischen Aufbruchs versprochen, wurde die
       Nachrichtenagentur von der Regierungspartei Nationale Liga für Demokratie
       (NLD) nie zu einem öffentlich-rechtlichen Medium umgebaut. Frustriert
       kündigte Thiri deshalb Anfang des Jahres. Dennoch, so schlimm sei alles
       auch wieder nicht. „Wenn das Ministerium uns die Erlaubnis gab, dann
       konnten wir frei berichten“, sagt sie. Wie wenig sinnvoll ihre Aussage ist,
       merkt sie nicht.
       
       Thiri glaubt, wie viele in Birma, dass die Berichterstattung des Global New
       Light, gemessen an demokratischen und journalistischen Standards, zwar
       nicht einwandfrei ist. Es klingt wie aus einem Propagandaschulbuch der
       Generäle, wenn sie sagt: „Aber unser Land ist nun einmal noch immer
       instabil.“ Deshalb müsse die Regierung die Situation unter Kontrolle
       halten.
       
       Unter Kontrolle scheint in Birma im Moment kaum etwas. Im Norden des Landes
       ist der Bürgerkrieg wieder aufgeflammt, die repressive Gesetzgebung aus
       Juntazeiten führt jeden zweiten Tag zu Verhaftungen, und im Westen des
       Landes sind 65.000 Mitglieder einer muslimischen Minderheit nach
       Bangladesch geflohen. Sie berichten von Brandstiftung, Mord und
       Vergewaltigungen durch Soldaten.
       
       Das Global New Light druckte wochenlang fast täglich Statements der
       Regierung, die noch immer mit einem mächtigen Militär zurechtkommen muss,
       in denen Anschuldigungen geleugnet und internationale Medien und
       Menschenrechtsgruppen der Lüge bezichtigt wurden.
       
       ## Ungeschickte Reaktionen
       
       Schadet das Global New Light der Regierung am Ende mehr, als es ihr nutzt?
       „Eine seriöse Regierung würde sich jedenfalls nicht so ungeschickt
       anstellen und stattdessen viel eher die Nachricht verbreiten, den Vorwürfen
       nachgehen zu wollen“, sagt David Mathieson, bis vor Kurzem Birma-Experte
       von Human Rights Watch.
       
       Redaktionsleiter Aye Min Soe stöhnt leise, wie immer, wenn er lange
       überlegt, ob und wie er eine Frage beantworten soll. „Wir müssen sicher
       professioneller werden“, sagt er. Zu Zeiten der Militärjunta hat er unter
       Pseudonym eine Menge riskiert und neben seinem Job bei der Staatszeitung
       für ein Exilmedium geschrieben.
       
       So wie damals würde er im Moment gerne diese eine Geschichte zur
       Landwirtschaftspolitik recherchieren. „Die Regierung verfolgt bei dem Thema
       einen völlig falschen Ansatz“, sagt er eifrig. Ob er damit allerdings am
       Mann aus den Wolken vorbeikommt, ist fraglich.
       
       Aye Min Soe begleitet nach draußen. Die Sonne steht inzwischen tief. Es ist
       Samstag, später Nachmittag. Irgendetwas scheint er noch loswerden zu
       wollen. Ich habe keine Stimme abgegeben, sagt er. Die NLD nicht gewählt?
       Nein, so meine er das nicht. Er lächelt schüchtern. Er habe überhaupt nicht
       gewählt. „Ein guter Journalist schlägt sich nicht auf eine Seite“, sagt er.
       Dann geht er durch den staubigen Innenhof zurück an seinen Schreibtisch,
       zum Telefon mit der silbernen Schnur und wird eine Schelte des
       Außenministeriums an Malaysia auf die Titelseite heben.
       
       5 Feb 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Verena Hölzl
       
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