# taz.de -- Sitzung des neuen Parlaments in Birma: Wenn Träume wahr werden
       
       > Das erste frei gewählte Parlament nach der Herrschaft der Militärs hat
       > sich konstituiert. Zuvor wurden die neuen Abgeordneten geschult.
       
 (IMG) Bild: Montag in Birmas Hauptstad Naypyidaw: Abgeordnete der NLD auf dem Weg zur Parlamentssitzung.
       
       Naypyidaw taz | „Opa, du siehst ja aus wie ein Präsident“, sagte sein
       Enkel, als U Aung Win ihn das erste Mal mit Seidenturban und in
       lachsfarbener Parlamentsuniform sah. Am Montag betrat der 70-Jährige so
       erstmals als Abgeordneter von Aung San Suu Kyis Nationaler Liga für
       Demokratie (NLD) das Parlament. Rang und Namen schmeicheln ihm noch immer.
       Auf seiner Visitenkarte trägt er nach wie vor den Titel „Hauptmann“. U Aung
       Win gehörte einst Birmas Militär an.
       
       1988 wechselte er die Fronten. Er hatte genug davon, ethnische Minderheiten
       niederzumetzeln und zu sehen, wie die Militärjunta das von ihr später in
       Myanmar umbenannte Land herunterwirtschaftete. Als 1988 die Studenten
       aufbegehrten, schloss er sich an. Er musste dafür zwei Jahre ins Gefängnis.
       
       NLD-Mitglieder, die wie er einst dem Militär angehörten, kann U Aung Win im
       neuen Parlament an einer Hand abzählen. Viele seiner Mitabgeordneten sind
       frühere politische Gefangene und Ex-Aktivisten. Sie müssen nun zeigen, dass
       sie nicht nur gegen das Militär opponieren, sondern auch Politik gestalten
       können.
       
       Bei der Wahl im November [1][gewann die NLD deutlich]. Einen ähnlichen Sieg
       errang die Partei bereits 1990. Doch damals machten die Generäle einen
       Rückzieher, annullierten das Ergebnis und setzten die Tyrannei fort.
       
       ## Geheimniskrämerei der NLD
       
       In den letzten Monaten war das Misstrauen deshalb in der NLD groß. Es
       dringen kaum Informationen über Programm und Posten in der künftigen
       Regierung an die Öffentlichkeit. Die NLD-Abgeordneten haben die Order,
       nicht mit den Medien zu sprechen.
       
       Auch gibt es kaum Anhaltspunkte, wer Präsident werden könnte. Suu Kyi darf
       laut Verfassung nicht Staatsoberhaupt werden, weil ihre Söhne britische
       Staatsbürger sind.
       
       „Mich interessieren keine Spekulationen über den künftigen Präsidenten“,
       sagt Myo Yan Naung Thein. „Ich will, dass die Macht reibungslos übergeben
       wird und wir endlich Wandel haben.“ Er verbrachte als junger Erwachsener
       viele Jahre für den Kampf um Demokratie im Gefängnis und hätte sich nie
       erträumt, dass der Tag tatsächlich kommt, an dem eine NLD-Mehrheit ins
       Parlament einzieht.
       
       ## Günstling des Militärs als willkommener Finanzier
       
       Als Vorsitzender des Parteikomitees für Information und Strategie ist er es
       leid, für die Geheimniskrämerei der NLD kritisiert zu werden. Kritisiert
       wurde er auch, als er einen Günstling des Militärs bat, ein Training für
       die Parlamentarier zu finanzieren. „Er hat Geld, wir haben keines“, erklärt
       er. „Wir müssen solche Leute für die Entwicklung des Landes einspannen.“
       
       Im Saal eines Hotels nahe der NLD-Parteizentrale in Rangun saßen kurz vor
       ihrem ersten Tag im Parlament 200 Abgeordnete in ihren lachsfarbenen
       Parteihemden und bekamen erklärt, wie Parlament und Gesetzgebungsprozess
       funktionieren, was es mit ökonomischen Begriffen wie Deflation und Aktiva
       und Abkürzungen wie Bric auf sich hat, an welche parteiinternen Regeln sie
       sich halten müssen und wieso Benimmregeln für Abgeordnete wichtig sind.
       
       ## Ungewohnte Parteidisziplin
       
       Drei Tage Training musste jeder Abgeordnete absolvieren, bevor er in das
       NLD-Parlamentarierwohnheim in die Hauptstadt Naypyidaw zog. Alle
       Abgeordneten müssen dort wohnen. Auch Susanna Hla Hla Soe. Seit die
       50-Jährige keine Aktivistin mehr ist, sondern Politikerin, darf sie
       plötzlich nicht mehr alles sagen. Dafür habe sie jetzt mehr Möglichkeiten,
       etwas für ihre Mitbürger zu verändern.
       
       Sie gehört der Karen-Minderheit an und trägt weiß-blaue Tracht. Es ist der
       letzte Sitzungstag des alten Parlaments. Alte und neue Parlamentarier sind
       zu einer Gala zusammengekommen. Kronleuchter spiegeln sich im Marmorboden,
       Aung San Suu Kyi isst Hammelfleisch.
       
       Scheidende Abgeordnete der militärnahen USDP sind stolz, dem Parlament
       angehört zu haben, unter dem Birma in den letzten fünf Jahren
       demokratischer geworden ist. Die neuen Abgeordneten sind glücklich, endlich
       loslegen zu dürfen.
       
       Die Stimmung ist ausgelassen, nur nicht an den Tischen der Abgeordneten des
       Militärs. „Wir müssen uns wohl ändern“, sagt einer. Auf der Bühne singt
       Unterhaussprecher Shwe Mann, ehemals die Nummer 3 der Junta, nach einer
       Abschiedsrede das Lied „Dreams may come true“.
       
       Kommentar zur konstituierenden Sitzung des Parlaments in Birma:
       [2][Denkwürdig wie merkwürdig].
       
       1 Feb 2016
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Verena Hölzl
       
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