# taz.de -- Jurist über Nachdruck von „Mein Kampf“: „Hier testet jemand Grenzen aus“
       
       > Darf man Hitlers „Mein Kampf“ unkommentiert verlegen? Drei Fragen an
       > Christian Bickenbach, Juraprofessor an der Uni Potsdam
       
 (IMG) Bild: Das Urheberrecht ist abgelaufen. Darf man das jetzt einfach nachdrucken und verkaufen?
       
       Der Leipziger Verlag „Der Schelm“, der von dem rechtsextremen Verleger
       Adrian Preißinger betrieben wird, bietet seit Sommer einen „unveränderten
       Nachdruck“ von „Mein Kampf“ an. Die Staatsanwaltschaft Leipzig
       [1][ermittelt wegen Volksverhetzung] und des Verwendens von Kennzeichen
       verfassungswidriger Organisationen. 
       
       taz: Herr Bickenbach, der „Schelm“-Verlag bewirbt seinen Nachdruck als
       „wissenschaftlichen Quellentext“. Kommt er damit durch? 
       
       Christian Bickenbach: Auch wenn sich die Beschreibung des Nachdrucks auf
       der Verlagshomepage liest wie eine gut vorbereitete, durchaus juristisch
       versierte Verteidigungsstrategie: Ich glaube nicht. Nach § 130 Abs. 7 StGB
       sind zwar bestimmte Fälle vom Tatbestand der Volksverhetzung ausgenommen,
       etwa dann, wenn das Werk der staatsbürgerlichen Aufklärung, oder
       Wissenschaft dient.
       
       „Mein Kampf“ ist aber sicherlich kein wissenschaftliches Werk im
       juristischen Sinne – und der Verlag betreibt auch keine Wissenschaft oder
       klärt auf, weil er die Schrift nicht einbettet in eine methodisch fundierte
       Auseinandersetzung. Genauso wie ich mich nicht einfach in die Fußgängerzone
       stellen kann, um Exemplare des Stürmers zu verteilen, kann ich auch nicht
       einfach „Mein Kampf“ unkommentiert nachdrucken und verkaufen.
       
       Welche Rolle spielt es bei dem Ermittlungsverfahren, dass das Vorwort nach
       Verlagsangaben von Frederick Töben, einem bekannten Holocaustleugner,
       stammt? 
       
       Eine untergeordnete, der Verlag betont ja gerade, es ginge ihm um den
       unveränderten Nachdruck. Wenn das Vorwort als Beleg für wissenschaftliche
       Auseinandersetzung angeführt werden soll, müsste man es sich aber nochmal
       angucken – wobei die zwei Seiten, die es umfassen soll, zu wenig sind, um
       juristisch den Schutzbereich der Wissenschaft zu eröffnen.
       
       Die Staatsanwaltschaft Leipzig ermittelt seit Mai, obwohl der Fall so
       eindeutig scheint. Wieso geht das nicht schneller? 
       
       Da müssen Sie schon die Staatsanwaltschaft fragen. Im Ernst: Ein langes
       Ermittlungsverfahren ist nichts Ungewöhnliches. Vermutlich will man auch
       besonders gründlich sein. Hier testet jemand Grenzen aus, die Entscheidung
       des Gerichts könnte zum Präzedenzfall werden – wenn die Eröffnung des
       Prozesses abgelehnt wird oder am Ende ein Freispruch steht, wäre das ein
       Riesenproblem.
       
       22 Jan 2017
       
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