# taz.de -- Abgeordnetenhaus: Nicht alles klar bei Rot-Rot-Grün
       
       > Linke und Grüne verweigern dem Fraktionschef der SPD zeitweise den
       > Applaus. Den bekommt Raed Saleh stattdessen von der Opposition – auch von
       > der AfD
       
 (IMG) Bild: Gedenken für die Opfer: Der Terroranschlag vom 19. Dezember prägte auch die Parlamentssitzung
       
       Eine zeitgemäße Videoüberwachung fordert der Redner im Abgeordnetenhaus vom
       Senat. Gefährder müssten sofort abgeschoben werden. Radikale Gruppen
       dürften in der Stadt nicht unbehelligt bleiben, sagt der Mann – „wir müssen
       diese Brutzellen des Terrors verbieten, und zwar besser heute als morgen“.
       Und wenn an einem Ort täglich Dutzende Intensivtäter zusammenkämen, sei das
       nicht hinzunehmen. Viel Applaus erhält er dafür von CDU, AfD und FDP, etwas
       weniger von der SPD – und keinen von Linken und Grünen. Dabei redet da dem
       Parteibuch nach kein Rechter: All das sagt SPD-Fraktionschef Raed Saleh.
       
       Der, den man instinktiv eher hinter diesen Worten vermutet hätte, tritt
       erst nach Saleh ans Mikro: Bei 90 Prozent der Rede habe er den Beifall der
       Linken vermisst, sagt AfD-Fraktionschef Georg Pazderski, „da sehe ich erste
       Spaltungstendenzen“. Es gibt zwar auch Stellen, an denen die rot-rot-grüne
       Koalition Saleh geschlossen beklatscht, aber im Kern ist Pazderskis
       Einschätzung nicht falsch. Es liegen Welten zwischen dem, was von Saleh zu
       hören ist, und dem, was Linksfraktionschefin Carola Bluhm wenig später
       sagt.
       
       Man könne nicht so tun, als ob Flüchtlingspolitik nichts mit
       Sicherheitspolitik zu tun habe, findet Saleh. Er will differenzieren,
       zwischen wenigen unter den Flüchtlingen, die hiesige Werte missachten
       würden, und „den vielen Anständigen“. Aber er spricht auch von
       „offensichtlichem Kontrollverlust“ und dass „wir doch wissen müssen, wer
       sich in unserem Land aufhält“. Bluhm hingegen sagt: „Eine Verschärfung der
       Asyl- und Flüchtlingspolitik ist mit uns nicht zu machen.“
       
       ## Richtlinien der Politik
       
       Der Tagesordnung nach geht es an diesem Vormittag um die Richtlinien der
       künftigen Senatspolitik, die der Regierende Bürgermeister Michael Müller
       (SPD) laut Landesverfassung hier vom Parlament absegnen lassen muss. Doch
       was der zum Auftakt der dreistündigen Debatte sagte, gerät weitgehend in
       Vergessenheit nach Salehs Worten. In eher ruhiger als mitreißender Weise
       hat Müller Schulsanierung und Wohnungsbau als Schwerpunkte genannt, hat
       aber auch das in der Senatsklausur am Montag beschlossene und nun von Saleh
       attackierte Sicherheitspaket verteidigt. Der Beschluss bietet aus Müllers
       Sicht sehr wohl vielfältige Möglichkeiten zeitweiliger Videoüberwachung.
       
       Der Regierungschef müht sich vorauseilend darum, den Vorwurf zu widerlegen,
       Rot-Rot-Grün bediene vor allem Minderheiten und die eigene Klientel: Die
       Koalition werde zwar nur von der Hälfte der Berliner getragen, „es ist aber
       unser Anspruch, auch für die anderen 50 Prozent da zu sein“. Der Senat habe
       alle im Blick, sagt Müller, Busfahrer, Krankenschwestern, Polizisten, die
       er als „Leistungsträger der Stadt“ zusammenfasst, „aber auch die, die
       Zuwendung brauchen“.
       
       AfD-Chef Pazderski wirft der Koalition tatsächlich wie von Müller erwartet
       vor, Randgruppen zu bevorzugen. „Wir haben nichts gegen
       Transgender-Personen, Vegetarier, Veganer oder gar Radfahrer“, sagt der
       AfD-Mann, „aber wir haben etwas dagegen, wenn Minderheiten der Mehrheit
       ihre Lebensweise diktieren wollen.“ Zumindest bei den Radfahrern hat er da
       Saleh an seiner Seite: „Die SPD-Fraktion wird einer Politik entgegen tehen,
       die sich gegen Autofahrer richtet“, versichert der.
       
       CDU-Fraktionschef Florian Graf geht in eine ähnliche Richtung wie
       Pazderski, wirft dem rot-rot-grünen Senat gleichfalls vor, sich nicht mit
       den zentralen Themen zu beschäftigen. In Anspielung auf eine der ersten
       Vorlagen aus der seit Dezember grün-geführten Senatsverwaltung für Justiz
       sagt er: „Sie werden mit Unisex-Toiletten im Kampf gegen den Terror nicht
       bestehen.“
       
       12 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Raed Saleh
 (DIR) R2G Berlin
 (DIR) Georg Pazderski
 (DIR) Michael Müller
 (DIR) Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
 (DIR) Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
 (DIR) Andrej Holm
 (DIR) Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
 (DIR) Schwerpunkt AfD in Berlin
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Berliner SPD: Schulz oder Schuld?
       
       Nach vorne schauen – das war die wichtigste Botschaft auf dem
       Landesparteitag der Berliner SPD am Samstag. Ein Versprecher offenbarte den
       Seelenzustand der Partei.
       
 (DIR) Das war die Woche in Berlin I: Nüchtern bis ernüchtert
       
       Aufbruchstimmung? Kampf für progressive Ziele von Rot-Rot-Grün? Fehlanzeige
       bei Michael Müllers Regierungserklärung am Donnerstag.
       
 (DIR) Gespaltene Sozialdemokraten: Saleh provoziert Koalitionskrach
       
       Nachdem der SPD-Fraktionschef am Donnerstag die eigene Koalition
       attackierte, sehen Linke und Grüne Gesprächsbedarf. Saleh sei eine
       „tickende Zeitbombe“.
       
 (DIR) Stasi-Debatte: „Es ist auch meine Entscheidung“
       
       Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) kritisiert Staatssekretär
       Andrej Holm und will die Bewertung nicht allein der Linkspartei überlassen.
       
 (DIR) Rot-Rot-Grün in Klausur: Jetzt beginnen die ersten 100 Tage
       
       Die rot-rot-grüne Landesregierung will am Montag in einer Klausurtagung das
       Mitte November angekündigte 100-Tage-Programm starten.
       
 (DIR) AfD in Berlin: Wir bleiben mal ganz sachlich
       
       Warum man die AfD immer gleich verurteilt, anstatt ihr mal zuzuhören? Na
       gut, versuchen wir es mal anders!