# taz.de -- Der Fall Andrej Holm: Von Stasi-Mitarbeitern und Vegetariern
       
       > Der wegen seiner Stasi-Vergangenheit umstrittene Staatssekretär Andrej
       > Holm verteidigt sich bei einer öffentlichen Diskussion eher unbeholfen.
       
 (IMG) Bild: Großer Andrang bei der Diskussion mit Andrej Holm
       
       Der Abend ist schon fortgeschritten, als Andrej Holm einen schwierigen
       Vergleich bemüht. Der wegen seiner Stasi-Vergangenheit umstrittene Berliner
       Staatssekretär für Wohnen erzählt, sein 14-jähriger Sohn esse viel Fleisch.
       „Wenn der mit 30 Jahren Vegetarier wird, ist er dann ein glaubwürdiger
       Vegetarier oder nicht?“ Ein Raunen geht durch das Publikum, manche
       schütteln entsetzt den Kopf.
       
       Holm will wohl um Verständnis dafür werben, dass er selbst früher
       Stasi-Offizier werden wollte, und dass er das heute rückblickend sehr
       kritisch sieht. Doch zum einen wirkt der Vergleich einer Stasi-Tätigkeit
       mit Fleischkonsum geschmacklos bis verharmlosend. Vor allem fehlt dem Bild
       ein wesentlicher Aspekt: Denn längst geht es in der Diskussion nicht mehr
       um Holms Verhältnis zur Stasi an sich, sondern um seinen Umgang damit.
       
       Die Robert-Havemann-Gesellschaft hat am Freitagabend zur Veranstaltung
       „Einmal Stasi – immer Stasi?“ nach Prenzlauer Berg geladen. Der Andrang ist
       groß: Andrej Holm in Diskussion mit Ilko-Sascha Kowalczuk, Historiker der
       Stasi-Unterlagenbehörde, das interessiert viele. Ehemalige Oppositionelle
       sind gekommen, ebenso Vertreter der mietenpolitischen Bewegung, die sich
       vom linken Holm eine sozialere Wohnungspolitik versprechen. Man duzt sich,
       viele berlinern.
       
       Holm verpflichtete sich in der DDR als Jugendlicher, Stasi-Offizier zu
       werden. Im September 1989 begann er seine Ausbildung, im Januar 1990 wurde
       er entlassen. Vor allem aufgrund des Alters beschreibt der Historiker
       Kowalczuk Holm als „Opfer des SED-Regimes, der Umstände, seiner Eltern“.
       Dass Holm sich seiner hauptamtlichen Tätigkeit nicht bewusst gewesen sein
       will, hält er dagegen nicht für glaubwürdig. „Jeder, der Offizier werden
       wollte, wusste genau, worin der Unterschied zu einem Grundwehrdienst
       bestand.“ Holm habe als Offiziersschüler einen Sold von 675 DDR-Mark
       erhalten. „Dieser Sold war vier Mal so hoch wie ihn ein normaler Soldat
       erhielt. Das wusste man.“
       
       Der Soziologe Holm hatte bei seiner Einstellung als wissenschaftlicher
       Mitarbeiter der Humboldt-Universität 2005 angegeben, nicht für die Stasi
       tätig gewesen zu sein, keine finanziellen Zuwendungen von der Stasi
       erhalten zu haben und keine Verpflichtungserklärung unterschrieben zu
       haben.
       
       Holm selbst sagt am Freitag, er sei sich bewusst gewesen, eine langfristige
       Stasi-Laufbahn einzuschlagen. „Die Wende hat mich befreit aus einer
       Situation, in der ich Schuld auf mich geladen hätte.“ Seine
       Stasi-Zugehörigkeit sei nicht entschuldbar, er könne die Zeit aber auch
       nicht zurückdrehen.
       
       Zur Frage, warum er 2005 keine richtigen Angaben gemacht hat, will er sich
       wegen der arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung mit der Humboldt-Uni nicht
       äußern. Und sagt dann doch: „Meine Frage ist: Warum ist dieses
       Nicht-richtige-Ankreuzen, was im Raum steht, wichtiger als der Umgang mit
       meiner Geschichte?“ Das könne er nicht nachvollziehen.
       
       Hat Holm tatsächlich nicht verstanden, dass es längst um seine
       Glaubwürdigkeit geht? Darauf deutet zumindest der Vegetarier-Vergleich hin.
       Problematisch wäre es ja eben nicht, wenn ein Fleischesser zum Vegetarier
       wird, sondern wenn er erklärt, nie Fleisch gegessen zu haben.
       
       Holm hat sich inzwischen einen Anwalt genommen. Bis Donnerstag soll er sich
       gegenüber der Humboldt-Universität erklären. Die Uni muss dann darüber
       entscheiden, ob sie den beurlaubten Mitarbeiter wegen falscher Angaben
       entlässt. Der Senat hat wiederum von der Entscheidung der Uni abhängig
       gemacht, ob er an Holm als Staatssekretär festhält oder nicht.
       
       „Jede Entscheidung in diesem Fall wird fehlerbehaftet sein“, glaubt
       Kowalczuk. Wenn Holm Staatssekretär bleibe, werde die politische Gegenseite
       ihn immer wieder mit der Sache konfrontieren. Eine Entlassung wäre genauso
       unschön, weil sich eine undifferenzierte Sichtweise durchsetzen würde.
       Kowalczuk sagt: „Wir hätten wieder eine Chance verpasst, Geschichte so zu
       nehmen, wie sie ist: widersprüchlich und meistens so, wie sie uns nicht
       passt.“
       
       8 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Antje Lang-Lendorff
       
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