# taz.de -- Prominente plagiieren Pudding: Der Pudding des Anstoßes
       
       > Bremens Finanzstaatsrat Henning Lühr und Ex-Rechnungshofpräsident Lothar
       > Spielhoff haben ein Kochbuch vorgelegt. Ein Teil ist unverstanden kopiert
       
 (IMG) Bild: Sieht aus wie Bettpfanne, soll aber Bohneneintopf sein: Aquarell des Staatsrats
       
       Nein, „wir schaffen es nicht, jedes der Bücher vorab zu lesen“, erläutert
       Tobias Peters, der Pressesprecher der Stadtbibliothek. Deshalb könne man
       sich auch „nicht wirksam davor schützen, dass bei den Bremer Buchpremieren
       ein Plagiat vorgestellt wird“. Um das zu vermeiden, setze man für die
       Veranstaltungsreihe auf seriöse, möglichst hier ansässige Verlage, auf
       Bremer Themen und in Bremen bekannte VerfasserInnen. „Und all das [1][ist
       hier ja erfüllt]“, so Peters.
       
       Und das stimmt: Wenn Finanzstaatsrat Henning Lühr und der ehemalige
       Landesrechnungshofpräsident Lothar Spielhoff zusammen Kochbücher verfassen,
       findet das seine Nische auf dem umkämpften Kochbuchmarkt – der laut
       Börsenverein mehr als ein Viertel der Ratgeberliteratur ausmacht. Das Buch
       verkauft sich, weil die zwei Verfasser in Bremen weltberühmt sind.
       
       Aus demselben Grund, und weil – von der Galeristin bis zum Vorstands-Chef –
       etliche Größen der Stadtgesellschaft irgendwie ins frisch im Kellner-Verlag
       vorgelegte „Internationale Hülsenfrüchte-Kochbuch“ involviert sind, fällt
       auch die qualitative Prüfung trotz eines saftigen Preises von 16,90 Euro
       nachlässig aus. Solange Lühr besser mit Zahlen umgeht, als mit dem Pinsel,
       sieht man, scheint's, gerne darüber hinweg, dass manche seiner Aquarelle
       farblich und formal mehr an Bettpfanne als an Bohnenterrine erinnern.
       
       Schwamm drüber!, denkt man auch angesichts zahlreicher Fehlzuordnungen: Die
       Autoren haben „vegetarisch“ und „vegan“-Logos auf die Rezepte verteilt. Das
       ist verdienstvoll. Bloß lässt die Zutatenliste beim als vegetarisch
       klassifizierten „Grünen Thai-Curry“ zweifeln, wie die zwei die Begriffe
       auslegen: „Man nehme“, so fängt sie an „600g Hühnerbrustfilet ohne Haut.“
       Das habe, erklärt Spielhoff, offenbar der Verlag etwas durcheinander
       gebracht – dabei müsste doch gerade ein seriöses Lektorat unumgängliche
       Irrtümer von Verfassern aufspüren und korrigieren.
       
       Ein wenig macht sich Spielhoff sogar einen Spaß aus dieser Narrenfreiheit.
       Er habe, verrät er, bewusst „ein Quatschrezept selbst erfunden“. Gemeint
       ist die dänische Suppe, die aus 150 Kilo getrockneten Erbsen mit 24 Kilo
       Salz und 15 Litern Brühe angefertigt würde, „das geht natürlich nicht“, so
       der Jurist. „So große Töpfe hat ja keiner“. Hoho.
       
       Einen schlechteren Scherz haben sich die Autoren aber mit dem
       traditionellen, im gesamten Kaukasus beliebten Anuschabur geleistet. Das
       Rezept ist tatsächlich, so wie es im Buch steht, nicht praktikabel – und
       die Vorstellung, die sich Lühr von dieser Süßspeise gemacht hat, die auch
       als „Noahs Pudding“ oder als Aşure bekannt ist, verdeutlicht: Er hat keine
       Ahnung.
       
       „Er hat sie nie gesehen“, bestätigt auch Spielhoff. Er selbst jedoch habe
       sie „in Eriwan gekocht und gegessen“, behauptet er, geschmacklich sei es
       nicht so seins gewesen. „Und danach habe ich das Rezept aufgeschrieben –
       und es anschließend wieder übersetzen lassen.“ Vergangenes Jahr im Herbst
       sei das gewesen.
       
       Das mit der Übersetzung stimmt, und dass alle Rezepte des Buchs auch in
       ihrer Landessprache und -schrift auftreten, ist schön. Überraschend aber:
       Spielhoff kann weder erklären, warum er beim Notieren der Zutatenliste für
       den Pudding plötzlich in Austriazismen verfallen ist, noch erinnert er sich
       daran, wie lange die Zubereitung gedauert hat. Dass man die Kochzeiten ja
       angegeben habe, sagt er, und dass es „schon eine Weile“ gewesen sei. Das
       ist nicht falsch, aber doch sehr unpräzise. Für die Zubereitung von
       Anuschabur muss man nämlich drei Tage veranschlagen. Zwei Tage lang muss
       der Weizen einweichen, und damit er dabei nicht verdirbt, sind mehrere
       Wasserwechsel nötig.
       
       In einem guten Rezept darf das nicht fehlen. Und tatsächlich finden sich
       diese Informationen auch in einem entsprechenden Eintrag auf der
       österreichischen [2][Rezepte-Site Ichkoche.at]: Das erklärt, warum
       Spielhoff hier „Marillen“ gebraucht statt Aprikosen, denn die Zutatenliste
       und die Beschreibung der Zubereitung ist einschließlich der Verwendung
       ungewöhnlicher Wörter – wie dem [3][extrem seltenen] [4][Verb] „abrinnen“ –
       und abgesehen von im Verlag vorgenommenen orthografischen Korrekturen
       identisch mit dem Anfang 2015 edierten „User-Rezept“.
       
       Zwar kündigt Spielhoff an, das Zustandekommen „noch einmal zu
       recherchieren“. Aber der Verdacht bleibt, dass man es hier mit einem
       unverstanden und daher unvollständig mit Copy-and-paste ins Buch
       übertragenen Rezept zu tun hat – ein Plagiat, das viele Größen der
       Stadtgesellschaft unfreiwillig zu Komplizen macht.
       
       28 Nov 2016
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.stabi-hb.de/Veranstaltungen.html?zg1=1&zg2=1&bib=&vaid=7126
 (DIR) [2] http://www.ichkoche.at/weihnachts-pudding-aus-armenien-rezept-28752
 (DIR) [3] https://www.dwds.de/r?corpus=kern&q=abrinnen
 (DIR) [4] http://www.duden.de/rechtschreibung/abrinnen
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Schirrmeister
       
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