# taz.de -- 18 Monate Wahlkampf in den USA: Gut, dass er vorbei ist
       
       > Es war der absurdeste Wahlkampf aller Zeiten. Er hat alte Gewissheiten
       > zerstört – bei Republikanern wie bei Demokraten.
       
 (IMG) Bild: Entscheidung zwischen den Präsidentschaftskandidaten: auf dem Golfplatz von Longview, Texas am 2. November 2016
       
       New York taz | Alles begann mit einem Video im April 2015, in dem die
       frühere Senatorin und Außenministerin Hillary Clinton davon sprach, dass
       sie „Pläne“ habe. Im Juni desselben Jahres fuhr der Immobilienmagnat,
       Kasinobetreiber und Fernsehpromi Donald Trump die Rolltreppe herunter, um
       bei seiner ersten Pressekonferenz als Präsidentschaftsbewerber mexikanische
       Einwanderer als „Verbrecher und Vergewaltiger“ zu bezeichnen. Es folgte der
       absurdeste Wahlkampf, den die USA je erlebt haben. Dabei ging es um Sex,
       Gewalt und Geld – und manchmal auch um Politik.
       
       Am Ende der 18-monatigen Schlacht haben die beiden KandidatInnen zusammen
       weit mehr als 2,5 Milliarden Dollar verpulvert. Sie haben alle anderen
       Ereignisse in den Hintergrund gedrängt und ihre Landsleute so gründlich
       verärgert, verängstigt und gespalten, dass jetzt – in einem selten
       gewordenen Moment nationaler Einheit – alle erleichtert sind, dass es
       endlich vorbei ist.
       
       Am Samstagabend, gut 50 Stunden bevor die ersten Wahllokale öffnen und
       nachdem bereits an die 40 Millionen WählerInnen ihre Stimme im
       Frühwahlverfahren abgegeben hatten, kam es zu einer weiteren dramatischen
       Szene im Wahlkampf. Geheimdienstleute evakuierten den republikanischen
       Kandidaten Trump von einer Bühne in Reno, Nevada. Direkt zu seinen Füßen
       hatte jemand gerufen: „Gun“ – Schusswaffe.
       
       Doch es hatte nur ein Handgemenge unter Republikanern gegeben. Einer von
       ihnen, der 33-jährige Austyn Crites, hatte ein Transparent mit der
       Aufschrift „Republikaner gegen Trump“ gezeigt. Darauf stürzten sich andere
       Republikaner auf ihn, boxten und würgten ihn.
       
       In einem Interview mit dem britischen Guardian sagte der sichtlich
       erschütterte Crites später, er sei froh gewesen, als die Polizei kam. Aber
       er liebe die „Patrioten“, die ihn verprügelt haben, fügte er hinzu. Dann
       kritisierte er die „Hassrhethorik“ Trumps und nannte ihn einen „Faschisten“
       und „Diktator“. Eine Schusswaffe fand sich in Reno nicht, kurz darauf war
       Trump zurück am Mikrofon.
       
       ## Eine Partei von Umfallern
       
       Öffentliche Kritik von Republikanern an ihrem Spitzenkandidaten war im
       Wahlkampf selten. Die GOP – die Grand Old Party – erwies sich vielmehr als
       eine Partei von Umfallern. Der Parteiapparat wollte diesen Kandidaten nicht
       – und hätte ihm jeden Einzelnen der 15 anderen Männer und der einen Frau
       vorgezogen, die anfangs für die Republikaner antreten wollten. Doch nachdem
       der Geschäftsmann und Reality-TV-Darsteller Trump, der nie ein politisches
       Amt hatte und der Partei erst seit Kurzem angehört, die Vorwahlen gewonnen
       hatte, gaben die Parteifunktionäre auf.
       
       Trump konnte die Grenzen des in seiner Partei Zulässigen immer weiter
       verschieben: Er erklärte, er wolle Muslimen die Einreise in die USA
       verbieten; er nahm die Unterstützung von Neonazis, von weißen Nationalisten
       und des Ku-Klux-Klan an; er heuerte den Chef der radikal rechten
       Publikation „Breitbart News“ als seinen Wahlkampfleiter an; er machte sich
       über einen behinderten Journalisten lustig und er ließ offen, ob er das
       Wahlergebnis anerkennen würde.
       
       Auf Anfrage von Journalisten erhielt Trump dafür jeweils Rüffel von
       Parteifunktionären. Doch die führten nicht zu politischen Konsequenzen. Die
       Parteifunktionäre hatten vor allem die Sorge, Trump könnte den Einzug ins
       Weiße Haus verfehlen und bei der Wahl auch andere republikanische
       Kandidaten – für den Kongress und die Institutionen in den Bundesstaaten –
       mit in den Abgrund reißen.
       
       Am Ende gaben die meisten Parteifunktionäre ihre Stimme schon im
       Frühwahlverfahren für Trump ab. Unter ihnen war auch Paul Ryan, der
       einflussreiche Sprecher des Repräsentantenhauses, der Trump öffentlich am
       vernehmlichsten zur Vernunft gerufen hatte.
       
       ## Ein elf Jahre altes Video
       
       Der einzige Eklat, der Trump in seiner Partei mehr kostete als
       missbilligende Worte, resultierte nicht aus dem Wahlkampf. Ärger machte ihm
       ein elf Jahre altes Video aus einem Bus, in dem er damit prahlte, wie er
       Frauen gegen ihren Willen sexuell belästigt. „Wenn du ein Star bist, kannst
       du sie an die Möse grabschen“, sagte er einem Moderator.
       
       Nach der Veröffentlichung des Videos berichteten ein Dutzend Frauen von
       sexuellen Übergriffen von Trump. Doch der erklärte, in dem Bus habe es sich
       lediglich um „Umkleideraumgerede“ unter Männern gehandelt. Er sei
       keineswegs sexuell übergriffig. Die meisten Frauen, die ihn beschuldigten,
       kenne er gar nicht. Von einigen sagte er öffentlich, sie sähen nicht gut
       genug aus, um ihn sexuell zu interessieren.
       
       Selbst daraufhin gingen nur wenige Parteifunktionäre auf Distanz. Die
       meisten gaben wenige Wochen später – als Trumps Umfragewerte sich wieder
       verbessert hatten – doch ihre Stimme für ihn ab.
       
       Der Abgeordnete Jason Chaffetz aus Utah ist einer von ihnen. Gegenüber dem
       Radiosender NPR erklärte er seine Meinungsänderung so: „Eine Stimmabgabe
       für Trump ist keine Unterstützung für Trump.“ Und in jedem Fall sei Clinton
       schlimmer.
       
       ## Plötzlich war da noch Bernie Sanders
       
       Anders als Trump war Clinton als Favoritin ihrer Partei in den Wahlkampf
       gestartet. Die Democratic National Convention – das Führungsgremium der
       Demokraten – stand hinter der ehemaligen First Lady, die schon New York im
       Senat und die Regierung als Außenministerin vertreten hatte. Die
       Parteispitze sah sie als die erfahrenste und politisch bestvernetzte
       Kandidatin, die zugleich den leichtesten Zugang zu Wahlkampfspenden hatte.
       
       Doch auch die demokratischen Parteifunktionäre haben sich verkalkuliert:
       Sie übersahen, dass Clinton, die seit fast vier Jahrzehnten an der Spitze
       der Macht mitmischt, nicht für den Neuanfang steht, den viele an der Basis
       wollen. Und sie ahnten wohl nicht, dass Clinton – die anfangs als die von
       den Medien und der Justiz bestdurchleuchtete Politikerin der USA galt –
       jede Menge potenziell schädliche Geheimnisse hatte.
       
       Das Ereignis des demokratischen Vorwahlkampfs war Bernie Sanders. Der
       demokratische Sozialist füllte Sportstadien quer durch das Land, während
       Clinton vor allem in geschlossenen Räumen und vor älterem Publikum auftrat.
       Sanders sprach jene Themen an, die junge Demokraten beschäftigen: darunter
       die hohe private Verschuldung, die lächerlich niedrigen Mindestlöhne, die
       Studiengebühren und die niedrigen Steuern, von denen Spitzenverdiener
       profitieren.
       
       Der 74-jährige Sanders gewann die Vorwahlen in 23 Bundesstaaten und die
       Sympathie der demokratischen Basis.
       
       Clinton setzte sich letztlich zwar durch, aber sie musste sich weite Teile
       seines innenpolitischen Programms zu Eigen machen.
       
       ## Fährlässig mit Geheiminformationen
       
       Als der Hauptwahlkampf anfing, war sie eine von links geschwächte
       Kandidatin. Dazu kamen die verschiedenen Ermittlungen gegen sie. Zunächst
       suchten die Republikaner im Kongress noch nach der Verantwortung der
       ehemaligen Außenministerin Clinton bei dem terroristischen Überfall vom
       September 2012 auf das US-Konsulat im libyschen Benghasi. Parallel prüften
       ihr ehemaliges Ministerium und das FBI, ob sie mit der Benutzung eines
       privaten E-Mail-Servers gegen die Regeln verstoßen habe. Beide kamen zu dem
       Schluss, dass sie extrem fahrlässig mit Geheiminformationen umgegangen war.
       
       Die empfindlichsten Schläge erlitt die Kandidatin Clinton im Endspurt des
       Wahlkampfes. Da begann Wikileaks, dessen Chef Julian Assange eine offene
       Rechnung mit Clinton hat, interne Dokumente aus dem demokratischen
       Wahlkampfbüro zu veröffentlichen. Elf Tage vor der Wahl kündigte der
       FBI-Direktor an, er habe neue, möglicherweise belastende E-Mails gefunden
       und er müsse die Ermittlungen gegen die Kandidatin weiterführen.
       
       Clinton und Trump kennen sich aus New York. Die beiden sind fast
       gleichaltrig – sie ist 69, er 70 – und gehören zu der kleinen Gruppe von
       Spitzenverdienern und Machern in der Stadt. Als Trump 2005 zum dritten Mal
       heiratete, waren Hillary Clinton und ihr Mann unter seinen prominenten
       Gästen. Als sie Senatorin für New York war, unterstützte der Milliardär sie
       mit Spenden und versicherte 2008, als Clinton erstmals für das Weiße Haus
       kandidierte, in Interviews, sie sei die beste Person für das Amt.
       
       Heute nennt er sie „betrügerisch“ und lässt seine Anhänger „Sperrt sie
       ein!“ rufen. Bei mindestens einer Gelegenheit hieß er es sogar gut,
       Clinton, die den Besitz von Schusswaffen stärker kontrollieren will,
       gewaltsam daran zu hindern: „Wenn sie Präsidentin ist, gerät unser
       Verfassungsrecht auf Schusswaffen in Gefahr“, sagte Trump, „dann können wir
       nichts mehr tun. Es sei denn, einer der Verteidiger des zweiten
       Verfassungszusatzes erledigt das.“
       
       Von der Autorin Dorothea Hahn ist aktuell die politische Biographie
       [1][„Hillary. Ein Leben im Zentrum der Macht“] erschienen; C.H.Beck Verlag,
       München 2016, 240 Seiten
       
       6 Nov 2016
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.chbeck.de/Hahn-Hillary/productview.aspx?product=16551086
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
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