# taz.de -- Feministische Zeitung aus Guatemala: Eine Stimme für die Frauen
       
       > „La Cuerda“ ist Zentralamerikas einzige feministische Monatszeitung. Sie
       > kämpft seit 18 Jahren für die Rechte von Frauen und Indigenen.
       
 (IMG) Bild: Jedes Jahr werden mehr als 800 Frauen in Guatemala ermordet (Archivbild 2011)
       
       Viele Frauen sind auf der Titelseite der 191. Ausgabe von La Cuerda zu
       sehen. Beim Diskutieren, beim Singen, beim Demonstrieren, beim
       Argumentieren, aber auch beim Turnen und Kochen wurden die Guatemaltekinnen
       abgelichtet. Unbekannte Frauen, aber auch Symbolfiguren wie Claudia Paz y
       Paz oder Thelma Aldana, die beiden Generalstaatsanwältinnen, die der einst
       diskreditierten Justiz in Guatemala zu neuem Ansehen verholfen haben und
       verhelfen. Darunter prangt in dicken Lettern: „Erheben wir unsere Stimmen“.
       
       Eine typische Zeile für La Cuerda, deren Redaktion in der dritten Straße im
       Zentrum von Guatemala-Stadt nicht weit vom Präsidentenpalast entfernt
       liegt. Ein unscheinbares zweistöckiges Haus. Oben ist die Redaktion, wo in
       aller Regel einer oder mehrere der drei Herausgeber*innen anzutreffen sind.
       
       Ana María Cofiño ist eine von ihnen und hat die Zeitung vor nunmehr 18
       Jahren mitgegründet. „La Cuerda ist ein Nachzügler, denn als in Zentral-
       und Südamerika in den 1970ern die ersten Frauenzeitungen und kommunalen
       Radios entstanden, tobte in Guatemala der Bürgerkrieg“, sagt die
       großgewachsene Anthropologin und schiebt hinterher: „An die Gründung einer
       Zeitung mit Anspruch war nicht zu denken.“ Die fand schließlich 1998, zwei
       Jahre nach dem Ende des blutigen Bürgerkriegs, statt. Heute hat das
       Monatsmagazin eine Auflage von 20.000 Exemplaren, es gibt rund 1.300
       Abonnent*innen, 14.000 Besucher hat die Webseite täglich, und rund 8.000
       Menschen folgen der Redaktion bei Facebook. „Ziel war es damals und ist es
       heute, die Stimme der Frauen in der Gesellschaft zu stärken. Das heißt ganz
       konkret, gegen Sexismus im Bildungssystem und in der Gesellschaft
       vorzugehen, die verbreitete Straflosigkeit und den Rassismus anzuprangern
       sowie die Rechte der Frau durchzusetzen“, erklärt Cofiño.
       
       Dabei sind die Guatemaltek*innen ein ganzes Stück weitergekommen. Schon
       beim sogenannten Jahrhundertprozess vom Mai 2013 gegen Exdiktator Efraín
       Ríos Montt wurden indigene Frauen gehört, die ihre Vergewaltigung
       anzeigten. Im Februar 2016 erging dann das erste Urteil gegen zwei einstige
       Militärs wegen der Versklavung und wiederholten Vergewaltigung von fünfzehn
       Frauen der Ethnie der Maya-Q’eqchín.
       
       ## Die Speerspitze im Prozess
       
       Der Prozess war ein voller Erfolg für Guatemalas Frauenbewegung, denn die
       beiden Militärs wurden nicht nur zu langjährigen Haftstrafen verurteilt,
       auch das Verfahren setzte neue Maßstäbe: Die Frauen mussten nicht ins
       Kreuzverhör, sondern ihre Aussagen wurden per Video eingespielt. Das könnte
       zukünftig auch in anderen Vergewaltigungsprozessen zum Standard werden,
       hofft zumindest Luz Méndez von der Frauenvereinigung Guatemalas UNAMG. Bei
       der Berichterstattung über den Prozess sei La Cuerda die Speerspitze
       gewesen, sagt Méndez: „Die Redaktion hat schon vor der formellen Anklage
       berichtet, immer wieder neue Details geliefert und unsere Realitäten in den
       mittelamerikanischen Kontext gesetzt.“
       
       Für die Redaktion genauso selbstverständlich wie Berichte über die
       Situation der Frauen mit indigenen Wurzeln, die zwar die
       Bevölkerungsmehrheit bilden, aber trotzdem über Jahrzehnte fast unsichtbar
       waren. „Zu unserem Anspruch gehört es, zu erklären, Bildung zu vermitteln
       und zum gesellschaftlichen Wandel beizutragen“, erklärt Ana María Cofiño.
       
       Wie ihre Redaktionskollegin Rosalinda Hernández, eine mexikanische
       Journalistin, schreibt sie eine Kolumne in der linksliberalen Tageszeitung
       El Periódico und steht wie alle aus dem 20-köpfigen Redaktionsbeirat für
       Diskussionen und Seminare über Feminismus zur Verfügung. „Das sorgt für
       frisches Blut in unserer Redaktion. Junge Frauen kommen vorbei, um sich zu
       informieren. Manche bleiben, weil unsere Arbeitsweise ihnen gefällt“, sagt
       Hernández.
       
       Einige der Frauen, die die Titelseite der Nr. 191 zieren, haben dazu
       beigetragen, dass Frauenrechte in Guatemala heute ein Thema sind. So zum
       Beispiel die beeindruckend souveräne Richterin Jazmín Barrios, die trotz
       vieler Anfeindungen historische Urteile gesprochen hat, oder die
       afroguatemaltekische Journalistin Joanna Wetherborn. Die schreibt auch für
       La Cuerda – unentgeltlich wie alle anderen, denn Geld hat die Redaktion,
       die sich vor allem durch Spenden und Projektunterstützung aus dem Ausland
       finanziert, in aller Regel nicht zu vergeben.
       
       ## Omnipräsente Gewalt gegen Frauen
       
       Das ist bis heute so, und auch der Vertrieb läuft nach wie vor über Frauen-
       und soziale Organisationen, Kulturzentren, Museen und auch Botschaften.
       Dazu kommen Radio- und Videoclips auf der Homepage und der Verbreitungsweg
       Facebook.
       
       Ein wiederkehrendes Thema ist die omnipräsente Gewalt gegen Frauen: Jedes
       Jahr werden mehr als 800 Frauen in Guatemala ermordet – von Partnern,
       Ehemänner, Angehörigen oder Unbekannten.
       
       Sexuelle Gewalt ist weit verbreitet. 2015 wurden 2.100 Mädchen zwischen 12
       und 14 Jahren registriert, die nach einer Vergewaltigung schwanger wurden.
       Rund 56.000 Vergewaltigungen werden pro Jahr angezeigt. „Auf diese Realität
       weisen wir immer wieder hin. Demonstrationen wie in Peru im August machen
       sichtbar, worunter fast alle Gesellschaften in Mittel- und Südamerika
       leiden“, erklären Hernández und Cofiño unisono. In Lima gingen am 14.
       August mehr als 50.000 Menschen gegen Gewalt gegen Frauen auf die Straße.
       Etwas Vergleichbares hat es in Guatemala bisher nicht gegeben.
       
       Das soll sich ändern, und der schon angesprochene Sepur-Zarco-Prozess
       könnte dabei ein Wendepunkt sein. Rund um den Prozess wurde in Guatemala
       sehr differenziert über Gewalt gegen Frauen debattiert. Ein Fortschritt,
       der einiges mit den Frauen von La Cuerda zu tun hat.
       
       3 Nov 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Knut Henkel
       
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