# taz.de -- Film über Unterdrückung: Verschlossen und expressiv
       
       > „Ixcanul – Träume am Fuße des Vulkans“ des guatemaltekischen Regisseurs
       > Jayro Bustamante ist ein Drama über Frauen in Guatemala.
       
 (IMG) Bild: Hin- und hergerissen zwischen Tradition und Moderne: Maria Mercedes Coroy in „Ixcanul - Träume am Fuße des Vulkans“
       
       Das Land ist von jener Schönheit, die man aus der Perspektive des
       mitteleuropäischen Komforts gerne „rau“ nennt: Da gibt es den Schwaden
       absondernden Vulkan im Hintergrund und an seinem Fuße schwarze, steinerne
       Kargheit, hie und da ein paar Pflänzchen. Die Kleidung der Menschen ist von
       pittoresker Buntheit, auch das ein Wort, in dem die Perspektive des
       Von-außen-Draufblickens schon miteingeschlossen scheint.
       
       Aber gleich von den ersten Szenen an findet der guatemaltekische Regisseur
       Jayro Bustamante in seinem Debütfilm Wege, den Zuschauer sich nicht in
       Touristen- oder Drittweltunterstützerposition zurücklehnen zu lassen,
       sondern ihn hineinzuziehen in seinen Film. Zum Beispiel durch das Schwein,
       das da am Anfang herumschreit. Es wird betrunken gemacht, heißt es, um es
       in Kopulierlaune zu versetzen; Vermehrung ist gewünscht.
       
       Nur ein kleiner Zweig im ärmlichen Geschäft, mit dem die indigene
       Bevölkerung hier am „Fuße des Vulkans“ ihren Lebensunterhalt den ärmlichen
       Umständen im wahrsten Sinne des Wortes abtrotzt.
       
       Bustamante ist in dieser, der Kaqchikel-Region Guatemalas aufgewachsen. Zur
       Premiere seines Films auf der Berlinale 2015 (als allererster
       Wettbewerbsbeitrag Guatemalas in der Geschichte) berichtete er, dass ein
       Schauspiel- und Schreibworkshop mit Frauen aus der Region den Anstoß
       gegeben hat und ihn mit seinen zukünftigen Hauptdarstellerinnen
       zusammenbrachte.
       
       Die Geschichte, die der Film erzählt, hat tatsächlich etwas Skizzenhaftes,
       dem man sozusagen das Muster der Idee, aus der dann Szenen entwickelt
       wurden, noch ansieht.
       
       ## Aussicht auf Aufstieg
       
       Die Ausgangslage ist folgende: Die 17-jährige María (María Mercedes Coroy)
       soll verheiratet werden. Ihre Eltern wollen natürlich das Beste, auch für
       sie. Der Brautschauprozess erweist sich als demütigend für alle
       Beteiligten, denn als einfache Kaffeebauern hat Marías Familie kaum was zu
       bieten. Im nicht wirklich sympathischen Vorarbeiter findet sich schließlich
       ein Kandidat mit der Perspektive auf einen gewissen wirtschaftlichen
       Aufstieg.
       
       Doch María lässt sich von Perspektiven ganz anderer Art den Kopf verdrehen.
       Plantagenarbeiter Pepe (Marvin Coroy), ihr Altersgenosse und vielleicht so
       etwas wie ihre heimliche Liebe, schwärmt ihr von seinen Plänen vor, sich
       nach Norden, in die USA, nach Los Angeles abzusetzen. Voller Hoffnung, er
       möge sie mitnehmen, gibt sie sich ihm eines Abends hin.
       
       Es kommt, was gewissermaßen kommen muss: María wird schwanger, und sehr
       lange kann sie es vor ihrer Mutter Juana (María Telón) nicht geheim halten.
       Die lässt sich selbstverständlich nur ungern die so mühsam umgesetzten
       Pläne des wirtschaftlichen Aufstiegs durch Heirat mit dem Vorarbeiter
       verderben.
       
       ## Wider die Erwartungen
       
       Was dann kommt, ist aber genau nicht das Erwartete. Oder besser gesagt: Es
       wird nicht so erzählt, wie man es erwartet. Sicher, es gibt den Ärger der
       Eltern über das beschämende Verhalten der Tochter, hat sich der
       Katholizismus hier doch mit den Ritualen der Naturreligion zu einem recht
       konsistenten Amalgam verbunden.
       
       Bustamante aber richtet die Aufmerksamkeit weniger auf die Gesellschaft als
       vielmehr darauf, wie sich die Einzelnen hier durchnavigieren. Immer mehr
       konzentriert sich der Film deshalb auf das sich entwickelnde
       Mutter-Tochter-Verhältnis.
       
       Ohne viel Dialoge, aber eindrücklich verschlossen und zugleich expressiv
       gespielt von den Laiendarstellerinnen, entfaltet sich ein solidarisches
       Band zwischen der oft jugendlich kopflosen María und der nach außen hin
       taffen, großartig pragmatischen Juana. Während die Männer in den
       Hintergrund treten, auch weil sie tatsächlich zum Alltagsleben weniger
       beitragen, sind es einmal mehr die Frauen, die den Widrigkeiten trotzen und
       sich als die weitaus Lebenstüchtigeren erweisen.
       
       ## Zwischen Tradition und Moderne
       
       Wie gesagt, was sich zuerst noch als ethnografisch angehauchter Ausflug in
       ein exotisch-armes Entwicklungsland darbot, entwickelt sich schnell zu
       einem packenden Drama über Frauen an einem ganz spezifischen Punkt zwischen
       Tradition und Moderne, zwischen Unterdrückung und Selbstbestimmung.
       
       Durch seinen insistierenden Fokus auf die beiden Hauptdarstellerinnen
       gelingt es Bustamante nicht nur, deren jeweils ganz eigene und eben nicht
       ins exotistisch Fremde entrückte Persönlichkeit hervortreten zu lassen.
       
       ## Starke Charaktere
       
       Gerade weil seine Figuren so starke Charaktere sind, rückt auch ihre
       soziale Lage in besonderer Weise in den Blick. Dazu gehört die an
       Trickbetrug grenzende Ausbeutung als Kaffeepflücker genauso wie die nicht
       weniger trickreiche Ausgrenzung wegen ihrer nichtspanische Muttersprache.
       
       Als María an einer Stelle ins Krankenhaus in die nächste Stadt und damit in
       die spanischsprachige Urbanität gebracht wird, wird sie durch die selektive
       Übersetzung eines „Freundes“ zum Opfer eines perfiden Plans, der mit seinem
       „based on a true story“-Fakt allerdings fast einen eigenen Film verdient
       hätte – und geradezu auf ein Sequel hoffen lässt.
       
       31 Mar 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Schweizerhof
       
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