# taz.de -- Mobilität in Niedersachsen: Preisgekrönter Durchschnitt
       
       > Verkehrsminister Olaf Lies adelt Städte und Kreise mit dem Titel
       > „Fahrradfreundliche Kommune“ – dabei sind die meisten RadlerInnen
       > unzufrieden.
       
 (IMG) Bild: Fahrradfreundlichkeit in Niedersachsen: Für den Preis brauchte es in Hannover nicht viel
       
       Hannover taz | Der Rahmen war groß gewählt, die Einladungen gingen schon
       vor Wochen in die Post: In der Akademie des Landessportbunds hat
       Niedersachsens Wirtschafts- und Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) die Stadt
       Oldenburg, den Landkreis Bentheim sowie die Landeshauptstadt Hannover und
       die umliegende Region mit dem Titel „Fahrradfreundliche Kommune“
       ausgezeichnet.
       
       In Oldenburg werden bereits 40 Prozent aller Wege mit dem Rad zurückgelegt
       – den Preis bekam die Stadt für ihre Steuerung des Fahrradverkehrs: An
       Knotenpunkten erkennen Wärmebildkameras die Zahl der RadlerInnen; Ampeln
       zeigen bei Bedarf länger grün. Die Grafschaft Bentheim wurde für den guten
       Zustand ihrer Radwege ebenso gelobt wie für einen Film, der Flüchtlingen
       die Bedeutung von Verkehrsschildern erläutern soll.
       
       In Hannover reichten dagegen die blaue Markierung des City-Rings sowie
       Griffe und Trittbretter, die an Ampeln das Anhalten erleichtern, für die
       Auszeichnung. Die Region um die Landeshauptstadt herum wurde für die
       Schaffung von Fahrradparkplätzen an Bahnstationen, mehr Platz für Räder in
       den Stadtbahnen und ihr sogenanntes „Bügel-Programm“ gelobt: Pro Jahr
       sollen 1.000 Metallbügel aufgestellt werden, an denen Fahrräder sicherer
       angeschlossen werden können.
       
       „Radfahren boomt“, sagte Verkehrsminister Lies bei der in eine Fachtagung
       namens „Fahrradland Niedersachsen“ eingebetteten Preisverleihung. Mit einem
       Anteil von 15 Prozent am Gesamtverkehr sei der Radverkehr in Niedersachsen
       „bereits heute überdurchschnittlich groß“, so Lies weiter. Wichtig sei es,
       „weiterhin zukunftsfähige Konzepte zu entwickeln“, sagte der Minister, der
       auch im Aufsichtsrat von Deutschlands größtem Autobauer VW sitzt. In
       Niedersachsens rot-grüner Koalition drängen vor allem die Grünen auf eine
       besondere Förderung des leisen und emissionsfreien Radverkehrs.
       
       Nötig scheint das allemal: Beim letzten Fahrradklimatest des Allgemeinen
       Deutschen Fahrradclubs (ADFC), der allein in Niedersachsen von mehr als
       17.000 Mitgliedern unterstützt wird, bewerteten die befragten RadlerInnen
       2014 ihre Situation in dem Bundesland nur etwas besser als „ausreichend“.
       32 Fragen, bei denen etwa der Zustand der Radwege, Konflikte mit
       Autofahrern, die Lenkung an Baustellen oder die Fahrradmitnahme im
       öffentlichen Verkehr abgefragt wurden, ergaben einen
       Schulnoten-Durchschnitt von lediglich 3,7 – ähnlich ist die Situation auch
       in Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen.
       
       „In Niedersachsen gibt es bisher nur ein Radwegekonzept. Wir fordern seit
       längerem ein Radverkehrskonzept“, kritisierte Niedersachsens
       ADFC-Vorsitzender Dieter Schulz. Selbstverständlichkeiten wie eine
       einheitliche Beschilderung der Radwege fehlten, ebenso wie sichere
       Abstellmöglichkeiten etwa in abschließbaren Fahrradparkplätzen gerade an
       Bahnhöfen.
       
       Außerdem sei nicht einmal der Erhalt der bestehenden Struktur gesichert.
       Zwar sei Niedersachsen mit knapp 8.000 Kilometern das Bundesland mit dem
       deutschlandweit längsten Radwegenetz, sagte Schulz. „Laut Aussagen des
       Verkehrsministeriums aus dem Jahr 2014 sind aber 15 Prozent der Radwege
       komplett fahrraduntauglich“, klagte der ADFC-Mann. „Und ein weiterer großer
       Teil ist sanierungsbedürftig.“
       
       Auch fehlten Radschnellwege, die gerade in einer Zeit des
       Elektrofahrrad-Booms nicht nur in der Region Hannover das Umland und die
       Stadt verbinden und so eine Alternative zum Auto fördern. Trotzdem gibt es
       in Niedersachsen einen solchen Schnellweg nur in Göttingen – und der ist
       gerade einmal vier Kilometer lang. „Trotzdem unterstützt das Land den Bau
       solcher Radschnellwege bisher überhaupt nicht“, sagte der ADFC-Vorsitzende.
       
       Die Folge: Von Erfolgen wie in Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen, wo bereits
       jeder dritte Weg per Bike erledigt wird, ist auch Hannover als
       fahrradfreundlichste Großstadt Niedersachsens weit entfernt. Im Jahr 2011
       entfiel hier 19 Prozent des Verkehrs auf das Rad. Grund dafür sei vor allem
       mangelhafte Planung, kritisierte der Däne Mikael Colville-Andersen schon
       2015 bei einer alternativen Stadtplanungskonferenz: „Ich sehe kein
       Konzept“, sagte er. „Die Straßen und Plätze wirken so, als seien sie für
       das Auto gemacht – und erst nach dem Bau wird überlegt, wie auch noch Platz
       für das Rad geschaffen werden kann.“
       
       1 Nov 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Wyputta
       
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