# taz.de -- Kennzeichnung von Geflügelfleisch: Deutsch, aber nicht besser
       
       > Der Lobbyverband von Wiesenhof wirbt für eine Herkunftskennzeichnung von
       > Geflügelfleisch auch in der Gastronomie.
       
 (IMG) Bild: Masthähnchen in einem deutschen Stall. In Brasilien hätten sie mehr Auslauf
       
       Berlin taz | „Ich will wissen, woher mein Chicken-Döner kommt. Deshalb
       frage ich jetzt auch beim Imbiss.“ Das sagt im September ein Mann mit
       Vollbart und Kapuzenpulli in Anzeigen in regionalen und überregionalen
       Printmedien sowie auf Plakaten in Berlin, Hamburg, Köln und München.
       Auftraggeber ist der [1][Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft
       (ZDG)], der die Interessen unter anderem von Schlachtkonzernen wie
       Wiesenhof vertritt.
       
       Mit der Kampagne will der ZDG seiner Forderung nach einer gesetzlichen
       Pflicht für Gastronomen Nachdruck verleihen, die Herkunft des Fleischs etwa
       auf der Speisekarte anzugeben. Rund 38 Prozent der pro Jahr in Deutschland
       verbrauchten 1,6 Millionen Tonnen kommen aus dem Ausland. [2][Bisher muss
       nur die Herkunft von verpacktem Fleisch angegeben werden].
       
       Die [3][Kampagne] ist Teil einer geschickten Strategie. Denn ihre Forderung
       können auch Verbraucherschützer unterschreiben, bei denen Wiesenhof und
       seine großen Konkurrenten wegen zahlreicher Tierschutzskandale einen
       miserablen Ruf haben. Laut [4][einer Umfrage] im Auftrag der Industrie
       wollen 85 Prozent der deutschen Konsumenten, dass die Politik für eine
       bessere Herkunftskennzeichnung sorgt. Gleichzeitig versuchen die
       Schlachtkonzerne mit der Werbung, ihr Image aufzubessern. „Geflügelfleisch
       aus Deutschland garantiert höchste Standards“, steht in kleinerer Schrift
       unter dem großen Slogan.
       
       Deshalb sagt Eckehard Niemann, Agrarindustrieexperte der
       Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL): „Ich halte diese
       Kampagne für ein Ablenkungsmanöver der Geflügelindustrie von den
       Qualhaltungsbedingungen in den allermeisten Ställen“. Sie suggeriere „zu
       Unrecht“, dass es in anderen EU-Ländern und auch in Brasilien generell
       schlechtere Haltungsbedingungen als hierzulande gebe.
       
       ## Verräterische Studie
       
       Indizien dafür finden sich ausgerechnet in einer [5][Studie], die der ZDG
       vom „Handelsblatt Research Institute“ hat erstellen lassen. Zwar steht
       dort, dass etwa in Brasilien der Einsatz von Antibiotika nicht reguliert
       sei. Das südamerikanische Land hat 2015 laut Statistischem Bundesamt 3
       Prozent der deutschen Geflügelfleischimporte geliefert. Aber in den
       Niederlanden, die 41 Prozent der Einfuhren stellten, verbietet eine
       EU-Verordnung den Einsatz dieser Medikamente als Wachstumsbeschleuniger
       ebenso wie in Deutschland.
       
       In der Studie steht auch, dass Masthühner in Brasilien genauso viel oder
       sogar mehr Platz im Stall hätten als ihre Artgenossen in der
       Bundesrepublik. „Geschuldet ist dies den klimatischen Bedingungen der
       Hähnchenmast in Brasilien, die eine geringere Besatzdichte erforderlich
       machen“, so die Autoren. Die Besatzdichte ist der wichtigste Unterschied
       zwischen den Haltungsbedingungen.
       
       In Deutschland sind je nach Gewicht des einzelnen Masthuhns [6][35 oder 39
       Kilogramm] Tier pro Quadratmeter Stall zulässig. Die Niederlande erlauben
       zwar die von der EU maximal zugelassenen 42 Kilo, aber nur, wenn zum
       Beispiel die Zahl vorzeitig verendeter Tiere und derjenigen mit
       Fußballen-Erkrankungen unter festgelegten Grenzwerten liegt. Polen, das 19
       Prozent der deutschen Importe liefert, erlaubt ebenfalls 42 Kilogramm, wenn
       die Mortalität unter dem zulässigen Limit ist. [7][In Österreich] (6
       Prozent der Einfuhren) dürfen Tiere mit einem Gewicht von insgesamt nur 30
       Kilo auf einem Quadratmeter gehalten werden – 14 bis 23 Prozent weniger als
       in Deutschland.
       
       Für Puten gibt es hierzulande gar keine Vorschriften – nur eine
       „freiwillige Selbstverpflichtung“. Und selbst die erlaubt 45 bis 50 Kilo
       Tier pro Quadratmeter. Österreich zieht schon bei 40 Kilo die Grenze.
       
       26 Sep 2016
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.zdg-online.de/
 (DIR) [2] http://www.bmel.de/DE/Ernaehrung/Kennzeichnung/VerpflichtendeKennzeichnung/Produktbezogene_Kennzeichnungsregelungen/_Texte/LebensmittelInformationsverordnung-Fleisch.html
 (DIR) [3] http://www.gefluegel-charta.de/blog/blogdetail/news/im-restaurant-und-in-der-mensa-in-der-kantine-und-am-imbiss-fragen-sie-aktiv-nach/
 (DIR) [4] http://www.gefluegel-charta.de/blog/blogdetail/news/die-grosse-verbraucherumfrage-zur-herkunftskennzeichnung/
 (DIR) [5] http://www.gefluegel-charta.de/blog/blogdetail/news/gefluegelwirtschaft-weltweit-neue-studie-vergleicht-erzeugungsstandards-in-16-laendern/
 (DIR) [6] http://www.gesetze-im-internet.de/tierschnutztv/BJNR275800001.html
 (DIR) [7] http://www.rund-ums-gefluegel.at/fileadmin/_/ama/pdf_files/Tierhaltungsverordnung_Anlage6.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
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