# taz.de -- Werber über öffentliches Bild der EU: „Es geht nicht ums Joghurtverkaufen“
       
       > Wie lässt sich das Image der EU aufpolieren? Der PR-Agent Klaus Dittko,
       > einst Redenschreiber von Helmut Kohl, sagt: Neue Symbole reichen nicht.
       
 (IMG) Bild: Zeit für eine neue EU-Flagge? „Immerhin ist Blau die Lieblingsfarbe der Deutschen“, sagt Klaus Dittko
       
       taz.am wochenende: Herr Dittko, können Sie der Europäischen Union ein
       neues, strahlendes Image verpassen? 
       
       Klaus Dittko: Es geht da um eine politisch-kommunikative Frage und nicht um
       das Verkaufen von Joghurt. Die Antwort auf die Kommunikationskrise, in der
       Europa nach dem Brexit-Votum steckt, kann man nicht allein auf einer
       Imageebene geben. Es muss ein Zusammenspiel geben zwischen neuen
       politischen Initiativen und ihrer intelligenten kommunikativen Verstärkung.
       
       Ein europäisches Sommermärchen, das auf der Schaffung einer anderen
       Stimmung beruht, kann es nicht geben? 
       
       Ereignisse wie eine EM oder der ESC tragen zum Verständnis bei, dass man
       nicht allein ist auf der Welt, dass man auch Spaß am Erfolg anderer haben
       kann, etwa bei der EM an dem der Isländer. Das löst aber meines Erachtens
       nicht die politische Aufgabe. Für viele junge Menschen ist es doch schon
       normal zu sagen: Ich bin Europäer. Bloß werden viele von ihnen auch sagen:
       Wenn die Jugendarbeitslosigkeit so hoch bleibt, hat die EU weniger Relevanz
       für mein eigenes Leben. Leute, die sich als weltoffen sehen und froh sind,
       dass sie in Spanien Urlaub machen können, sind nicht zwangsläufig große
       EU-Anhänger. Man wird kein Problem lösen, indem man ein Europahaus zur
       Pokémon-Arena macht.
       
       Wo also anfangen? 
       
       Die Frage, die politisch gerade gestellt wird, ist: Brauchen wir immer noch
       mehr Europa? Stimmt der alte Satz des ehemaligen Kommissionspräsidenten
       Jacques Delors noch, dass Europa wie ein Fahrrad ist, das man immer weiter
       nach vorn treten muss, damit es nicht umfällt?
       
       Sie meinen, die EU sollte Kunstradfahren lernen? 
       
       Wir haben in Europa derzeit keine große Aufbruchstimmung. Viele Menschen
       sind froh, wenn sie das Erreichte verteidigen können. Es ist daher nicht
       zwangsläufig richtig, immer weitere Integrationsschritte zu gehen. Man kann
       auch bewahren, was schon erreicht ist, und bei bestimmten Einzelthemen auch
       teilweise wieder die nationalen Kompetenzen stärken. Die EU hat auch
       deshalb ein Imageproblem, weil viele Leute glauben, da sitzen lebensfremde
       Bürokraten, die uns einheitliche Regeln überstülpen wollen, die gar nicht
       zu uns passen, wie normierte Olivenölkännchen. Dabei gehen derartige
       Regulierungen meistens von nationalen Initiativen aus.
       
       Was wäre visionär an einer europäischen Desintegration? 
       
       Es geht nicht um Desintegration, sondern um das Subsidiaritätsprinzip. Der
       Brexit hat gezeigt, dass es eine Sehnsucht nach klaren Verantwortlichkeiten
       gibt. Deshalb kann der Ruf nach „mehr Europa“ nicht die Antwort auf jede
       Frage sein. Es muss deutlicher werden, dass die EU nicht nur die
       Eigenständigkeit der Nationen gestattet, sondern sie als Teil der
       europäischen Idee begreift.
       
       Was bliebe dann für die EU? 
       
       Ich glaube, dass die gesamte Sicherheitsthematik auf europäischer Ebene
       gelöst werden muss. Dazu gehört die Verhinderung von terroristischen
       Anschlägen durch eine intelligente und intensive Zusammenarbeit. Darüber
       hinaus gibt es in der Migrationsfrage ein dringendes Bedürfnis nach einer
       gemeinsamen Politik. Laut Eurobarometer sind aus Sicht der Bürger aber
       Migration und Terrorismus die mit Abstand wichtigsten Themen für die EU.
       Dann gibt es den gesamten Bereich der gemeinsamen Außen- und
       Sicherheitspolitik. Und es kommen ein paar Sicherheitselemente neueren Typs
       dazu, Datensicherheit etwa. Wie kann man die eigene vernetzte Infrastruktur
       gegenüber externen Angriffen absichern? Schon aus technischen Gründen ist
       dabei eine Abschottung der Nationalstaaten nicht möglich.
       
       In Deutschland kriegen Sie mit dem Thema Sicherheit aber doch nur die
       CDU-Anhänger! 
       
       Das glaube ich nicht. Seit dem EU-Gipfel in Bratislava steht das Thema
       Sicherheit offiziell ganz oben auf der gemeinsamen europäischen Agenda.
       Auch in Deutschland leben wir in einer Zeit großer Verunsicherung. Das ist
       ein Thema für alle demokratischen Parteien. Die Suche nach Orientierung ist
       stark, und sie wirkt sich auch in einem gewachsenen Populismus aus. Man
       braucht gerade deshalb einen übergreifenden Gedanken, der für alle 500
       Millionen Menschen in der EU relevant ist.
       
       Aber beim Begriff Sicherheit denkt man doch gleich an Polizeiaktionen und
       Grenzkontrollen. 
       
       Dass das Wort „Sicherheit“ im Mittelpunkt einer Kampagne stünde, wäre nicht
       gesagt. Es ist zunächst einmal das Themenfeld, das die EU jetzt bearbeiten
       muss. Es geht um substanzielle Fragen, um Frieden, um Freiheit, um
       Wohlstand. Und man kann jeden dieser Begriffe natürlich um Sicherheit
       ergänzen: Es geht darum, Frieden, Freiheit, Wohlstand zu sichern, auch die
       Liberalität zu sichern. Ich würde Sicherheit also nicht nur im Sinn von
       innerer Sicherheit verstehen.
       
       Wäre es denkbar, in einer Kampagne beim Status quo anzusetzen und zu
       fragen: Wäre es denn besser, wenn wir alle positiven Errungenschaften
       Europas wieder abgeben müssten? 
       
       Ein klassisches Negativcampaigning, in dem man vor solchen Entwicklungen
       warnt, ist mit dem Absender EU nicht gut zu vereinbaren, sie würde damit
       schnell als Angstmacher wahrgenommen. Aber aus der Zivilgesellschaft gibt
       es schon Bewegungen, die so den Wert der EU betonen. Unmittelbar nach der
       Brexit-Entscheidung etwa waren in London wieder junge Menschen auf der
       Straße und haben mit Europafahnen zu verstehen gegeben, dass ihnen die
       Ausstiegsbefürworter ihre Lebensperspektive verbaut haben.
       
       War der Brexit ein Weckruf? 
       
       Er hat schon als Weckruf gewirkt, ja. Allerdings in beide Richtungen. Auch
       Antieuropäer, egal ob in den Niederlanden oder in Frankreich, fühlen sich
       bestärkt. Die britischen EU-Gegner haben sich ganz auf die negativen Themen
       fokussiert und damit ihre Anhänger aktiviert. Die Befürworter einer
       EU-Mitgliedschaft haben sich vielleicht zu sicher gefühlt und eher zu wenig
       getan. Das Ergebnis nennt man in der politischen Kommunikation eine
       asymmetrische Demobilisierung: Die Gegner einer Sache sind eben viel
       leichter zu mobilisieren als die grundsätzlich Zufriedenen. Aus der neuen
       Situation ergibt sich durchaus eine Kommunikationschance: Viele Verteidiger
       der EU haben gesehen, dass die Segnungen Europas nicht dauerhaft
       selbstverständlich sind und dass sie einen aktiveren Beitrag leisten
       müssen, wenn sie wollen, dass die Union zusammenbleibt.
       
       Wie könnte man sie konkret mobilisieren? 
       
       Ich glaube, dass es wichtig wäre, europäische Erfolgsgeschichten stärker
       ins Bewusstsein zu heben. Die Biografie vieler Erasmusstudenten, deren
       Studienabschlüsse europaweit anerkannt wurden, was über lange Jahre alles
       andere als selbstverständlich war. Unternehmen, die weltweit erfolgreich
       sind, weil sie in Europa einen starken Binnenmarkt haben. Man muss die
       Leistungen der EU immer wieder auf konkrete Dinge herunterbrechen. Wichtig
       ist, die Puzzleteile zusammenzusetzen, damit ein Bild daraus wird, eine
       Erfolgsgeschichte der EU.
       
       Wie überzeugt man die, die keine Stipendien und keine Unternehmen haben? 
       
       Ohne Vertrauen in Personen und Institutionen wird es nicht gehen. Europa
       war initiativ immer ein Projekt der Eliten. Die soziale Marktwirtschaft
       Ludwig Erhardts, die Ostpolitik Willy Brandts, die europäische Integration,
       die von Konrad Adenauer, Helmut Schmidt und Helmut Kohl besonders
       vorangetrieben wurde: Das sind alles Weichenstellungen, die nicht sofort in
       allen Belangen verstanden wurden. Wer wusste denn von Anfang an, was 1992
       im Maastrichter Vertrag stehen wird? Trotzdem gab es ein Grundvertrauen,
       dass das der richtige Weg ist. Das ist natürlich schwieriger, wenn das
       Vertrauenskapital der nationalen Spitzenpolitiker gelitten hat.
       
       Vielleicht tragen neue Symbole ja doch dazu bei, das Vertrauen
       wiederzubeleben? Wie finden Sie die EU-Flagge? Ganz schön kalt, oder? 
       
       Blau ist immerhin die Lieblingsfarbe der Deutschen. Ich glaube zudem, dass
       die Flagge für viele Europäer zu einem starken Symbol geworden ist, ein
       gewachsener Wert, den man nicht ohne Not wegwerfen sollte.
       
       Und die Europa-Hymne, Beethovens Neunte? 
       
       Sie hat ein Maß an Getragenheit und Pathos, das für die Europäische Union
       passend ist. Aber sie ist nicht so mitreißend für ein Stadion wie die
       französische Hymne. Es wäre aber schwer zu begründen, warum man sie
       austauschen sollte. Ich glaube wirklich: Darum geht es nicht.
       
       24 Sep 2016
       
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