# taz.de -- Abgezockte Mieter in Bremen: Wohngeld für die Dividende
       
       > Mieter des Vonovia-Konzerns gegen flächendeckende Mieterhöhungswelle in
       > Bremen in ehemals staatlichen Wohnungen.
       
 (IMG) Bild: Deutsche Annington heißt jetzt Vonovia – geändert hat sich sonst nichts
       
       BREMEN taz | Frau Meyer wohnt jetzt im Altenheim. Bis vor Kurzem lebte sie
       noch in Peterswerder, in einer jener Wohnungen, die früher mal der Stadt
       gehörten. Seit vergangenem Jahr gehören sie aber der Vonovia, die vorher
       Deutsche Annington hieß und in Bremen über 10.000 Wohnungen gekauft hat.
       Auch die von Frau Meyer. Sie wurde modernisiert und sollte deshalb fortan
       mehr Miete kosten, eine Erhöhung in dreistelliger Höhe. Die Rente von Frau
       Meyer gibt das nicht her.
       
       „Die Vonovia überzieht Bremen flächendeckend mit einer Mieterhöhungswelle“,
       sagt Tobias Helfst, Sprecher einer Initiative von betroffenen MieterInnen.
       Bis zu 200 Euro mehr sollen die Wohnungen kosten, sagt Vonovia – entweder
       weil sie die Häuser zuvor renoviert hat oder weil sie „höhere
       Vergleichsmieten“ geltend macht.
       
       Vonovia spricht jedoch von „Mietererhöhungen mit Augenmaß“ – und verweist
       auf eine durchschnittliche Miete von fünf Euro pro Quadratmeter. Zudem
       würden die gesetzlich zulässigen elf Prozent Mieterhöhung „in einigen
       Fällen“ nicht ausgeschöpft – um die Erhöhung „möglichst sozialverträglich
       zu gestalten“. Und die „weitaus meisten“ MieterInnen würden der Erhöhung
       durchaus zustimmen, sagt Vonovia.
       
       ## Gewinnsteigerung um 20 Prozent
       
       MieterInnen, die sich widersetzten, würden verklagt, sagt indes die
       Initiative: „Das ist ein drastischer Versuch, uns zu vereinzeln und
       einzuschüchtern“, sagt Ingrid Marek, die in einer Vonovia-Wohnung in der
       Neustadt wohnt. Der Konzern widerspricht: „Das sind harte Vorwürfe, denen
       wir selbstverständlich gründlich nachgehen wollen“, sagt ein
       Vonovia-Sprecher. „Wir möchten niemanden einschüchtern.“ Hinweise auf die
       Mieterinitiative seien vom Hausmeister auch schon mal abgehängt worden,
       erzählt Marek. Von einer „Hetzschrift“ sei da die Rede gewesen.
       
       Bundesweit stiegen die Mieteinnahmen der börsennotierten Vonovia in den
       ersten drei Monaten dieses Jahres um fast 50 Prozent – der Konzern hat
       zuletzt gleich zwei Konkurrenten übernommen. Im laufenden Jahr erwartet der
       Konzern eine Gewinnsteigerung um 20 Prozent, die Dividende der Aktionäre
       soll um zwölf Prozent steigen.
       
       Auch in Bremen ist das Unternehmen mittlerweile der größte private
       Vermieter. „Menschen mit wenig finanziellen Möglichkeiten werden immer
       weiter an den Rand gedrängt“, sagt Marek. Viele der Neuerwerbungen der
       Vonovia in Bremen waren früher klassischer Sozialwohnungsbau. „Das ist ein
       massiver Angriff auf die Lebensverhältnisse in unserer Stadt, sagt Helfst.
       Andere Mieter sprechen von einem „Verdrängungswettbewerb“.
       
       ## Kein Mietspiegel in Bremen
       
       Weil es in Bremen keinen Mietspiegel gibt, bekommen jene, die nun mehr für
       ihre Wohnung zahlen sollen, ein „Sachverständigen-Mietwertgutachten“, das
       eine Architektin aus Karlsruhe geschrieben hat, im Auftrag der Vonovia. Es
       hat gut 17 Seiten – „und beeindruckt auf den ersten Blick sehr“, wie Marek
       sagt. Bei genauerem Hinsehen aber „erweist es sich als Bluff“.
       
       Holger Gautzsch von „Mieter helfen Mietern“ in Bremen, der die Initiative
       vertritt, findet das Gutachten eher „dubios“. Es sei nicht nur „sehr
       allgemein gehalten“, sondern auch stadtweit „fast bis auf das Komma
       identisch“, egal, ob es um die Neustadt, Huchting oder Vegesack gehe. Er
       sieht durchaus Chancen, sich gegen die Mieterhöhungen zu wehren, derzeit
       seien zwei Fälle bei Gericht anhängig.
       
       Ob die Mieterhöhungen angesichts der „dünnen Begründung“ vor Gericht
       Bestand haben wird, „darf bezweifelt werden“, sagt die Mieterinitiative
       siegessicher. In den „wenigen Fällen“, in denen es Rechtsstreit gebe,
       einige man sich „meist außergerichtlich“, sagt Vonovia.
       
       Der Konzern hat man übrigens auch einen Rat für jene, denen ihre Miete nun
       zu teuer ist: Der Konzern helfe gern, Wohngeld zu beantragen, erklärte ein
       Mitarbeiter der Vonovia den MieterInnen. Nicht nur Tobias Helfst findet das
       „zynisch“.
       
       Nachbarschaftsfest gegen den Abriss von Vonovia-Wohnungen in der Holsteiner
       Straße: Samstag, 15 bis 18 Uhr; Treffen von Vonovia-MieterInnen: Jeden 1.
       und 3. Mittwoch im Monat, 19 Uhr, BDP-Haus, Am Hulsberg 136.
       
       27 May 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Zier
       
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