# taz.de -- Anti-TTIP-Demo am Samstag: Neuer Chaostag in Hannover
       
       > Bei der Hannover-Messe will US-Präsident Obama für TTIP werben – und
       > mobilisiert Widerstand: Tausende wollen am Samstag zur Gegendemo.
       
 (IMG) Bild: Jochen Köckler, Vorstand der Hannover Messe, vor einem plakatgroßen Präsidenten
       
       Hannover taz | 250.000 Menschen haben sie im Oktober in Berlin gegen das
       „Freihandelsabkommen“ TTIP auf die Straße bekommen – und wenn US-Präsident
       Barack Obama an diesem Wochenende Niedersachsens Landeshauptstadt Hannover
       besucht, sollen noch einmal Zehntausende gegen das Transatlantic Trade and
       Investment Partnership demonstrieren: Seit Monaten mobilisiert ein breites
       Bündnis von Gewerkschaftern, Globalisierungskritikern und Umweltschützern,
       aus Grünen, Linken und Piraten zum Protest am Samstag auf dem Opernplatz,
       mitten in Hannovers Innenstadt. „Merkel & Obama kommen“, heißt es in ihrem
       Demo-Aufruf.
       
       Das Abkommen zwischen der EU und den USA sei „eine Gefahr für unsere
       Demokratie“, für Sozial- und Umweltstandards, heißt es in ihrem Aufruf „für
       einen gerechten Welthandel“.
       
       Denn der Widerstand gegen TTIP macht sich längst nicht mehr am beinahe
       sprichwörtlichen Chlorhühnchen fest – das zur Abtötung auch des
       allerletzten Keims durch eine Chemiebrühe gezogene Schlachttier war von
       Anfang an nur ein Symbol.
       
       Immer mehr Menschen sorgt die Intransparenz, mit der in Brüssel und
       Washington über das Abkommen, das den Status eines völkerrechtlichen
       Vertrags haben soll, verhandelt wird: Selbst Regierungsvertreter und
       Parlamentarier bekommen bis heute nur eingeschränkt und unter Hinweis auf
       strikte Geheimhaltung Einblick in konkrete Textpassagen.
       
       Mag TTIP von Befürwortern auch als wirtschaftsfördernder Abbau von
       Handelshemmnissen beworben werden – Kritiker befürchten das genaue
       Gegenteil: „Schon die Einführung zwischen den USA, Kanada und Mexiko hat zu
       Millionen Arbeitslosen in Nord- und Mittelamerika geführt“, warnt etwa der
       Geschäftsführer der DGB-Region Niedersachsen-Mitte, Reiner Eifler,
       gegenüber der taz. TTIP sorge eben nicht für eine qualitativ hochwertige,
       umweltfreundliche Produktion mit hohen Sozialstandards. Entscheidend sei
       künftig vor allem der Preis.
       
       ## „Fracking, Genfood und giftige Kosmetik“
       
       Werde TTIP dann einmal Wirklichkeit, dürften finanzstarke Konzerne mit dem
       Argument gleicher Handelsbedingungen selbst Regierungen vor privaten
       Schiedsgerichten verklagen, meinen Kritiker wie Eifler: Grenzwerte, etwa
       für Gifte in Textilien, könnten auf diesem Weg ebenso geschleift werden wie
       die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel – anderenfalls
       drohe Schadenersatz aus Steuergeldern, schlimmstenfalls in Milliardenhöhe.
       Das Abkommen stehe für „Fracking, Genfood und giftige Kosmetik“, trommeln
       TTIP-Gegner deshalb.
       
       Sichtbar werden soll ihr Protest unmittelbar vor der Hannover-Messe:
       „Partnerland“ der weltgrößten Industrieschau sind in diesem Jahr wohl nicht
       zufällig die USA. Nach Gesprächen im Schloss Herrenhausen wird US-Präsident
       Barack Obama die Veranstaltung zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel
       in der feudal in „Hannover Congress Centrum“ (HCC) umgetauften Stadthalle
       eröffnen.
       
       Für Montag ist ein Messerundgang geplant. Beide werden dabei massiv für
       TTIP werben: Teil der mehr als 600-köpfigen Entourage Obamas ist nicht nur
       seine Handelsministerin Penny Sue Pritzker. Zusammen mit der Air Force One
       werden auch die US-Ressortchefs für Verkehr, Anthony Foxx, und Energie,
       Ernest Moniz, auf dem Flughafen Langenhagen im Norden der Landeshauptstadt
       landen.
       
       Erwartet werden auch mehrere EU-KommissarInnen, darunter die in Brüssel für
       Handel zuständige Cecilia Malmström. Schon Anfang April versuchte die
       liberale Schwedin, die TTIP-Gegner zu demotivieren: „Macht euch nichts vor.
       Irgendjemand wird die Regeln für die Globalisierung schreiben“, verkündete
       sie per Nachrichtenagentur.
       
       Angela Merkel wiederum hat ihren Vizekanzler und Wirtschaftsminister, den
       SPD-Chef Sigmar Gabriel, im Schlepptau. Zusammen mit Handelsministerin
       Pritzker wird auch der Sozialdemokrat Werbung für das „Freihandelsabkommen“
       machen: „TTIP – große Chancen für kleine Unternehmen“ lautet der Titel
       einer Diskussion mit diesen beiden am Montag.
       
       ## Der Untergrund ist zugeschweißt
       
       Von einem Staatsbesuch in Großbritannien kommend, wird Barack Obama bei
       einer seiner letzten Europareisen als Präsident zuvor große Teile Hannovers
       in eine Hochsicherheitszone verwandeln: Schon heute sind im Zooviertel rund
       um das HCC 2.000 Gullydeckel zugeschweißt. Anwohner müssen Autos und
       Fahrräder verschwinden lassen, eventuellen Besuch vorsorglich anmelden.
       Nicht einmal aus ihren Wohnungen zuwinken dürfen sie dem Präsidenten: Aus
       Angst vor einem Anschlag könne das einen Besuch von Sicherheitskräften nach
       sich ziehen, warnen die Behörden.
       
       „Völlig überzogen“ sei das, finden nicht nur um ihren Umsatz bangende
       Geschäftsleute. Die TTIP-Gegner hoffen dagegen auf einen
       Mobilisierungsschub: „Unser Traum“, sagt der einstige Bundestagsabgeordnete
       und Demo-Mitorganisator Uwe Hiksch mit Blick auf den fünf Kilometer langen
       Protestmarsch rund um Hannovers Innenstadt, „dass die Ersten schon wieder
       auf dem Opernplatz ankommen, wenn die Letzten noch gar nicht losgelaufen
       sind.“
       
       22 Apr 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Wyputta
       
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