# taz.de -- Soziale Spaltung in Göttingen: Reich zu reich gesellt sich gern
       
       > Göttinger Studie macht Immobilien-Spekulation für die Segregation
       > verantwortlich. In der Folge setzten Vermieter Mietpreissteigerungen
       > durch.
       
 (IMG) Bild: Stadtentwicklung in Göttingen: Reich und reich gesellt sich gern
       
       Göttingen taz | Reiche wohnen da, wo andere Reiche wohnen. Arme haben Arme
       als Nachbarn. Diese als Segregation bezeichnete Entwicklung wird durch
       Bodenspekulation weiter befeuert. Zu diesem Ergebnis kommen die Göttinger
       Geografen Michael Mießner und Tobias Klinge. Gestern machten die beiden
       Forscher ihre neue Untersuchung zu den Ursachen und Folgen der
       Segregationsprozesse in der Stadt Göttingen bekannt.
       
       In den Sozialwissenschaften beschreibt Segregation die räumliche Trennung
       von bestimmten Bevölkerungsgruppen. Das ist grundsätzlich nichts Neues,
       doch in Göttingen hat die Segregation in den vergangenen fünf Jahren
       deutlich zugenommen, wie Mießner und Klinge ermittelt haben. In den
       begehrten Wohnlagen der 130.000-Einwohner-Stadt stiegen die
       Immobilienpreise in diesem Zeitraum inflationsbereinigt um mehr als zehn
       Prozent.
       
       Ursächlich für diesen Preisanstieg ist, dass Immobilien im Zuge der
       Wirtschafts- und Finanzkrise vermehrt als profitable und sichere Anlage
       genutzt werden. „In Deutschland hat die Entwicklung zunächst die
       Immobilienmärkte der Metropolen und Großstädte erfasst, weil diese als
       besonders profitträchtige Anlagemärkte galten“, sagt Mießner.
       
       Mittlerweile seien die Renditen in diesen Immobilienmärkten zum Teil jedoch
       gesunken, weshalb zunehmend Universitätsstädte und Regionalzentren wie
       Göttingen in den Fokus der Anleger rückten. Aufgrund des „Anlagedrucks“
       steige denn auch dort die Konkurrenz um Immobilien und bebaubare
       Grundstücke.
       
       In seiner kürzlich am Geografischen Institut eingereichten Bachelorarbeit
       zeigt Klinge weiter auf, dass in den Stadtteilen und sogar in einzelnen
       Straßenzügen, in denen die Bodenpreise in den vergangenen Jahren gestiegen
       sind, die Zahl der Sozialleistungsempfänger zurückging. In Vierteln mit
       vergleichsweise geringen Bodenpreisen, wie der Göttinger Weststadt und dem
       Ortsteil Grone, nahm der Anteil der Sozialleistungsempfänger hingegen zu.
       
       Genau entgegengesetzt verhält es sich mit der Bevölkerung mit einem
       monatlichen Haushaltseinkommen von mehr als 3.600 Euro netto. Diese
       konzentriert sich immer stärker in den Stadtteilen und Bezirken mit hohen
       Preisen für den Quadratmeter Boden.
       
       Dabei herrscht Mießner zufolge in Göttingen eigentlich keine Wohnungsnot –
       wohl aber werde bezahlbarer Wohnraum immer knapper. Die Mietpreise in
       Göttingen sind die höchsten in ganz Niedersachsen. Das liege aber nicht
       vorrangig an einem Anstieg der Nachfrage nach Wohnraum, so Mießner.
       
       Vielmehr seien Vermieter „willens und in der Lage, Mietpreissteigerungen im
       unteren Mietpreissegment durchzusetzen“. Dies gelinge unter anderem durch
       das Ausnutzen der vergleichsweise hohen Fluktuation von Studierenden. Es
       komme deshalb zu einer Verknappung im günstigen Mietpreissegment.
       
       Die Stadtpolitik habe diesen Entwicklungen nichts entgegengesetzt,
       kritisiert Mießner. Dass der soziale Wohnungsbau in Göttingen zuletzt
       vernachlässigt wurde, hatte kürzlich auch Oberbürgermeister Rolf-Georg
       Köhler (SPD) eingeräumt.
       
       25 Feb 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reimar Paul
       
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