# taz.de -- New York Times zur Bundeskanzlerin: So einer fordert Merkels Rücktritt
       
       > Kolumnist Ross Douthat fordert in der „New York Times“ Angela Merkel zum
       > Rücktritt auf. Gekippt ist die Debatte deshalb aber noch lange nicht.
       
 (IMG) Bild: Rücktrittsforderung? Nichts neues.
       
       Es kommt nicht oft vor, dass alle möglichen rechten „Alternativmedien“ in
       Deutschland die New York Times zitieren. An diesem Wochenende schon:
       [1][“New York Times: Merkel muss gehen“, titelte die intellektuell
       verbrämte Rechtspostille Junge Freiheit], und alle schrieben ihr nach.
       
       Auch in der Presseschau im Deutschlandfunk konnte man diese Sätze zitiert
       hören: „Deutschland muss die Grenze für neue Flüchtlinge schließen und
       abgelehnte Asylbewerber konsequent abschieben. Die lieb gewonnene Illusion
       muss aufgegeben werden, dass Sünden der Vergangenheit mit einem sorglosen
       Humanismus wiedergutgemacht werden können. Und es bedeutet auch, dass
       Bundeskanzlerin Merkel gehen muss, damit Deutschland nicht einen zu hohen
       Preis für ihre Torheit bezahlen muss.“ Das fordere die New York Times.
       
       Der Eindruck: Oh je, die Ereignisse von Köln haben die Debatte wirklich auf
       ganzer Linie kippen lassen. Jetzt sogar die New York Times! Stimmt bloß
       nicht.
       
       Richtig ist: [2][Die Sätze standen in der New York Times, in der Kolumne
       des konservativen Journalisten und Bloggers Ross Douthat.] Und wenn man
       nicht weiß, dass die New York Times sich rund ein Dutzend KolumnistInnen
       und weitere knapp 30 regelmäßige GastautorInnen von ziemlich links bis ganz
       rechts leistet, könnte man tatsächlich auf komische Ideen kommen. Oder, wie
       es das in rechten Kreisen gern verlinkte Falung-Gong-Organ Epoch Times
       schrieb: „Bislang lobte die NYT Angela Merkel für die deutsche
       Flüchtlingspolitik. Diese Zeiten sind nun anscheinend vorbei.“
       
       Äh, nein.
       
       Wenn man überhaupt je behaupten kann, „die“ New York Times fordere
       irgendwas, dann bestenfalls bei den als solchen gezeichneten Editorials,
       die nach Debatte der Meinungsredaktion verfasst und ohne
       Autorenkennzeichnung veröffentlicht werden. Und da heißt es noch am
       vergangenen Freitag: „Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die in der
       Flüchtlingskrise beeindruckende Führungsstärke gezeigt hat, sagte in ihrer
       Neujahrsansprache: ‚Richtig angepackt, ist auch die heutige große Aufgabe
       des Zuzugs und der Integration so vieler Menschen eine Chance von morgen.‘
       Das ist eine Neujahrsbotschaft, die ganz Europa beherzigen sollte.“
       
       Klingt nicht wirklich nach Rücktrittsforderung.
       
       Aber so funktioniert gegenseitige Bestätigung. Kolumnist Ross Douthat
       plappert gleich zu Beginn seiner „Deutschland am Rande des Abgrunds“
       betitelten Kolumne die unsinnige „Schweigekartell“-These des ehemaligen
       CSU-Innenministers Hans-Peter Friedrich nach, wenn er schreibt, die
       Behörden hätten die Übergriffe heruntergespielt, weil sie „unangenehm für
       Angela Merkels Politik des Massenasyls“ wären. Und für die interessierten
       Kreise hier fordert jetzt eben „sogar die New York Times“ Merkels
       Rücktritt, was bislang Pegida, NPD und AfD vorbehalten war.
       
       Douthat ist kein Idiot. Im Rahmen dessen, was heute US-amerikanischer
       Konservativismus ist, gehört er nicht zu den Hardlinern und Schreihälsen,
       ist eher ein Mainstreamrechter. Nur: Vor gut zehn Jahren schrieb mal ein
       anderer Kolumnist nach ausgedehnten Reisen durch Europa, dass praktisch das
       gesamte europäische Politspektrum gut in die Demokratische Partei der USA
       passen würde. Das würde er heute, nachdem in nahezu allen europäischen
       Ländern rechtspopulistische Parteien stärker geworden sind, so vermutlich
       nicht mehr schreiben. Wo US-Konservative allerdings stehen, ist damit immer
       noch recht gut beschrieben: Außerhalb, sehr weit rechts.
       
       Und so einer fordert Merkels Rücktritt. So what?
       
       11 Jan 2016
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://jungefreiheit.de/allgemein/2016/new-york-times-merkel-muss-gehen/
 (DIR) [2] http://www.nytimes.com/2016/01/10/opinion/sunday/germany-on-the-brink.html?_r=0
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Pickert
       
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