# taz.de -- „Väter und Söhne“ am Deutschen Theater: Allem Salonnihilismus zum Trotz
       
       > Theater in epischer Breite: Turgenjews „Väter und Söhne“ als Langstück in
       > den Kammerspielen des Deutschen Theaters.
       
 (IMG) Bild: Alexander Khuon (als Bazarow. vorn) und Oliver Stokowski (als Onkel Pawel).
       
       Das Irre ist: Ursprünglich war „Väter und Söhne“ gar kein Theaterstück. Es
       ist ein Roman, geschrieben von Iwan Turgenjew, veröffentlicht im Jahre
       1861. Auf die Bühne gebracht wurde es erst 1997 durch Brian Friel, auf
       dessen Version sich die Aufführung in den Kammerspielen des Deutschen
       Theaters unter der Regie von Daniela Löffner stützt.
       
       Die Inszenierung, die am Samstag Premiere feierte, lässt sich entsprechend
       Zeit, nämlich gute vier Stunden, um dieses klassisch russische Stück in
       ganzer epischer Breite wirken zu lassen – ansonsten gibt sie sich betont
       sachlich. Kein Schnickschnack, wie man es zuletzt allzu oft sehen musste
       (etwa in der Neubearbeitung von Ibsens „Nora“), sondern bürgerliches
       Theater mit großem Ensemble, das sichtlich Spaß daran findet,
       Schauspielkunst alter Schule zu zelebrieren.
       
       Die Ausnahmen bilden die Musik und der Tribünenbau: Das Publikum wird mit
       auf die Hinterbühne platziert; die Bühne wird somit in ein Quadrat gerahmt,
       was besonders beim Schlussapplaus lustige Effekte zeitigt.
       
       Vier Stunden können natürlich sehr langatmig sein, vor allem die erste
       Hälfte aber vergeht wie im Flug. Dabei ist die Geschichte von „Väter und
       Söhne“ rasch erzählt: Ein russisches Landgut, in das der studierte
       Sohnemann zur Sommerfrische zurückkehrt und einen Freund mitbringt, der von
       Anfang an als aufstörendes Element und Zentrum des Geschehens auftritt:
       Bazarow, ein junger Zyniker und nihilistischer Revolutionär, der im Laufe
       des Geschehens Läuterung erfährt: glaubt solange nicht an die romantische
       Liebe, bis er sich in die Großgrundbesitzerwitwe Anna verliebt. Sohnemann
       Arkadi versucht es nach einigem Hin und Her dann mit Erfolg bei Annas
       Schwester; die Altvorderen dieser typisch russischen
       Großfamilienkonstellation (wohlgemerkt: 19. Jahrhundert) überlassen die
       Bühne im Wesentlichen der Jugend.
       
       ## Die Väter sind keine Autoritäten
       
       Von Vätern und Söhnen handelt das Stück im Grunde nicht; schon gar nicht in
       einer amerikanischen Denkart: Die Väter sind keine Autoritäten, sondern
       familiengebunden und eher schwach bis liebevoll; der einzige Widerpart zu
       Bazarow ist der parvenühafte Onkel Pawel (großartig: Oliver Stokowski). Der
       von Bazarow (überzeugend: Alexander Khuon) verbal reichlich dargebrachte
       Nihilismus ist nicht viel mehr als ein Zeitkolorit – ähnlich wie der am
       Ende um sich greifende Typhus.
       
       Man denke also ein bisschen an Tschechows „Onkel Wanja“, besonders in der
       Filmversion von Louis Malle: Der Kostümierungszwang ist aufgehoben, man
       lässt das Stück, die Schauspieler, den Text sprechen. Natürlich ist das
       allem Salonnihilismus zum Trotz klassisch bürgerliches Theater. Die
       Bediensteten spielen nur Zuträgerrollen und bekommen eine einzige
       Einzelszene; das Dienstmädchen (nett: Hanna Hilsdorf) ist leichtlebig und
       grundfröhlich, der Kammerdiener kauzig, und um die Figur des jungen Dieners
       Pjotr irgendwie besonders zu machen, kommt er halt klischee-schwul daher.
       Die Alten dagegen verlustieren sich an ihrem Besitz, den sie mal besser,
       mal weniger gut verwalten.
       
       Zwischen den Szenen setzt Daniela Löffner Musik ein: Doch weder Marcel
       Kohler als Arkadi, (sonst wie eben das gesamte Ensemble vortrefflich) noch
       Kathleen Morgeneyer als Katja können singen; und „Paint It Black“ ist zwar
       ein sehr gutes Stück, ergibt aber hier nicht viel Sinn. Aber ja: Die vier
       Stunden bieten reichlich Anschauungsmaterial, vor allem in
       zwischenmenschlichen Dingen. Und dank des überragenden Ensembles und einer
       gut dezenten Regie beste Schauspielkunst.
       
       13 Dec 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) René Hamann
       
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