# taz.de -- Horst Seehofer beim CSU-Parteitag: Der Alleingänger
       
       > Er muss immer der starke Mann der CSU sein, nach innen und außen. Doch
       > diese Haltung macht Horst Seehofer nicht nur beliebt – wie sein
       > Parteitags-Ergebnis zeigt.
       
 (IMG) Bild: Der Parteichef und sein Gefolge – sie wirken distanziert voneinander.
       
       München dpa | CSU-Chef Horst Seehofer tritt gern als bayerischer Herkules
       auf – doch nach dem CSU-Parteitag hat er an Stärke verloren. Die
       Delegierten wählten den seit 2008 amtierenden Vorsitzenden am Samstag mit
       für CSU-Verhältnisse schwächlichen 87,2 Prozent wieder. Das ist Seehofers
       bislang schlechtestes Ergebnis, weit unter seinem Rekordergebnis von 95
       Prozent beim letzten Wahlparteitag 2013.
       
       Der Denkzettel hat mehrere Gründe, darunter die schwierige Weltlage, der
       Ablauf des Parteitags, Seehofers Konflikt mit Nachfolgeanwärter Markus
       Söder und seine Neigung zu einsamen Entscheidungen, etwa sein
       eigenmächtiges Agieren im Streit um eine dritte Startbahn am Münchner
       Flughafen.
       
       Nicht nur Terror und Flüchtlingskrise drücken auf die Stimmung in der
       Münchner Messehalle. Die Bevölkerung sei verunsichert, sagt Seehofer. Der
       Vorsitzende will das Gefühl der Sicherheit verbreiten: Ein „Bollwerk“ soll
       die CSU sein, ein „Stabilitätsanker“, sagt er in seiner eineinhalbstündigen
       Rede. „Das Gebot der Stunde ist, dass wir das Heft des Handelns wieder in
       die Hand nehmen.“ Ein Satz, der auch auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und
       deren Weigerung zielt, eine Obergrenze für die Aufnahme neuer Flüchtlinge
       zu verkünden.
       
       Doch hinter der Fassade von Seehofers Bollwerk verbirgt sich
       Schadensbegrenzung. „Die Leute sind bedröppelt“, berichtet ein Mitglied der
       Parteispitze. Viele Delegierten sind schwer enttäuscht von Merkel, die der
       CSU-Forderung nach einer Obergrenze für die Aufnahme neuer Flüchtlinge bei
       ihrem Auftritt am Freitag eine Absage erteilte – ohne auch nur ein Gespräch
       anzubieten. „Sie hat uns abtropfen lassen“, seufzt ein
       Bundestagsabgeordneter.
       
       ## Die Entzweiung der Schwesterparteien
       
       Dass Seehofer die Kanzlerin anschließend in seiner Replik auf der Bühne 15
       Minuten lang [1][wie ein Schulmädchen aussehen ließ], gefällt einem Teil
       des Parteitags aber auch nicht. „Sie ist immerhin die Kanzlerin“, meint ein
       Delegierter. CSU und CDU seien „weiter auseinander als 1976“, analysiert
       ein altgedienter Fahrensmann – und erinnert an das Jahr des legendären
       Kreuther Trennungsbeschlusses, als Franz Josef Strauß der CDU Lebewohl
       sagen wollte.
       
       Seehofer will den Graben nicht tiefer werden lassen und lobt Merkel als
       hervorragende Kanzlerin. Eine Neuauflage des Fanals von 1976 schließt er
       aus. „Wie immer, wenn die Zeiten schwierig sind, tauchen Gespenster auf“,
       sagt er. „Die Trennungsverluste wären weitaus größer als die
       Trennungsgewinne.“
       
       In der Partei gibt es auch Mahnungen, dass die von Seehofer so vehement
       geforderte Obergrenze für die Aufnahme neuer Flüchtlinge nicht umsetzbar
       wäre: „Wer will dann entscheiden, wer abgewiesen wird?“, fragt ein
       ehemaliges Mitglied der Parteispitze.
       
       Zunehmend unpopulär ist Seehofers Neigung, alle wichtigen Fragen allein
       entscheiden zu wollen. Derzeit sieht es so aus, als wolle er den von der
       CSU seit Jahrzehnten geplanten Ausbau des Münchner Flughafens beerdigen und
       dabei den parteiinternen Widerstand niederbügeln.
       
       ## Offener Konflikt mit Markus Söder
       
       Eine Rolle spielt auch Seehofers rüde Attacke auf Finanzminister und
       Nachfolgeanwärter Markus Söder. Dem bescheinigte der CSU-Chef kurz vor dem
       Parteitag „persönliche und parteipolitische Motive“ – ein Angriff auf
       Söders Charakter.
       
       Vor seiner Wiederwahl versucht der Parteivorsitzende den Schaden noch zu
       kitten. „Ich gebe Fehler zu - manchmal“, sagt er. „Markus Söder gibt sie zu
       - neuerdings.“ Bei allen Scharmützeln bleibe dabei das Gesamtwohl der CSU
       „immer an erster Stelle“. Aber fast 100 Delegierte finden, dass dem
       Gesamtwohl der CSU am besten gedient sei, wenn Seehofer nicht zu stark wird
       – und stimmen gegen ihn.
       
       Seehofer gab sich trotzdem zufrieden: Mit dem Ergebnis könne er sehr gut
       leben. In der Bevölkerung hätten er und die CSU große Zustimmung. „Am Stil
       meiner Politik und am Kurs wird sich nichts ändern.“
       
       ## Rechts ist kein Platz
       
       Seinen Flüchtlingskurs begründete Seehofer auch mit dem Anspruch, dass es
       rechts von der CSU keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfte.
       Ziel müsse es sein, Protestströmungen wie der Alternative für Deutschland
       (AfD) keine Nahrung zu geben. Man müsse die Probleme der Menschen lösen.
       Zugleich betonte er: „Mit braunen und rechten Dumpfparolen hat die CSU
       überhaupt nichts am Hut.“
       
       Scharfe Kritik am Umgang mit Merkel auf dem CSU-Parteitag kam aus der
       Schwesterpartei CDU. Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok sagte dem
       Tagesspiegel am Sonntag: „Das ist unhöflich, ungehörig und nicht
       erträglich.“ Der schleswig-holsteinische CDU-Landesvorsitzende Ingbert
       Liebing sagte: „So geht man nicht in der Union miteinander um.“
       
       CDU-Bundesvize Julia Klöckner lehnte einen Kommentar mit der Bemerkung ab,
       sie müsste dann „die klassischen Höflichkeitsformen verlassen“. SPD-Vize
       Ralf Stegner sagte dem Tagesspiegel am Sonntag: „Die CSU führt sich auf wie
       eine Horde Halbstarker.“
       
       21 Nov 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Merkels-Auftritt-beim-CSU-Parteitag/!5254624/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Carsten Hoefer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Horst Seehofer
 (DIR) CSU
 (DIR) Parteitag
 (DIR) Parteivorsitz
 (DIR) Markus Söder
 (DIR) Markus Söder
 (DIR) CDU-Parteitag
 (DIR) Schwerpunkt Angela Merkel
 (DIR) Cem Özdemir
 (DIR) Union
 (DIR) CDU
 (DIR) Markus Söder
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Ruhe im bayerischen Finanzministerium: Söder sucht Rückzugsmöglichkeit
       
       Nicht immer nur poltern, auch mal meditieren: Bayerns Finanzminister
       schafft einen „Raum der Stille“ in seinem Ministerium.
       
 (DIR) Parteitag in Karlsruhe: Kommt ein Seehofer zur CDU
       
       Auf dem Parteitag der CSU hatte Horst Seehofer die Bundeskanzlerin
       brüskiert. Nun erschien er zum Gegenbesuch in Karlsruhe.
       
 (DIR) Kommentar 10 Jahre Angela Merkel: Ein Sandsack für Populisten
       
       Der Stern Angela Merkels ist im Sinken begriffen. Das liegt auch daran,
       dass sie es versäumt hat, Deutschland politische Debatten aufzuzwingen.
       
 (DIR) Bundesparteitag der Grünen: Peter und Özdemir bleiben Spitze
       
       Die Grünen bestätigen ihre Vorsitzenden mit 145 Prozent Zustimmung – die
       allerdings verteilt auf zwei Personen. Prominente Gegenkandidaten gab es
       nicht.
       
 (DIR) Kommentar Merkel beim CSU-Parteitag: Abgekanzlert
       
       Horst Seehofer hat die Kanzlerin in München vorgeführt. Ganz bewusst. In
       der Partei herrscht ein populistischer Unterbietungswettbewerb.
       
 (DIR) Merkels Auftritt beim CSU-Parteitag: Wie ein bedröppelter Pudel
       
       Wahlkampf-Eskalation: Die Kanzlerin wird auf dem CSU-Parteitag frostig
       empfangen und von Horst Seehofer rüde abgefertigt.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Söder in Not
       
       Bayerns Finanzminister wird verwirrt in Berlin aufgegriffen und bekommt
       Asyl in einer barmherzigen Wohngemeinschaft.