# taz.de -- Polizeispitzel in Hamburgs linker Szene: Schnüffelei im Trägerverein
       
       > Maria B. hatte Einblick ins Finanzwesen linker Gruppen. Das überschreitet
       > einen Einsatz zur Gefahrenabwehr, wie ihn das LKA behauptet.
       
 (IMG) Bild: Sie war umstritten: IBA-Baustelle in Hamburg-Wilhelmsburg.
       
       Hamburg taz | Im Fall der verdeckten Ermittlerin Maria B. kommen immer mehr
       Details ans Licht. Nachdem die LKA-Beamtin Ende August von einer
       Recherchegruppe der linken Szene enttarnt worden war, haben mittlerweile
       auch andere Gruppen, die von Maria B. ausspioniert wurden, damit begonnen,
       die Infiltrierung aufzuarbeiten.
       
       Anhand ihrer Ergebnisse wird deutlich, dass die Polizistin unter ihrer
       Tarnidentität als „Maria Block“ noch stärker in die Szene involviert war,
       als bisher bekannt war. Und dass sie tiefe Einblicke in Personalien,
       Finanzen und Organisationsstrukturen linker Projekte hatte. Der Infoladen
       Wilhelmsburg, ein Anlaufs- und Informationsort für linke Stadtteilpolitik
       im Hamburger Süden, hat eine umfassende Dokumentation von B.s Eindringen in
       die dortigen Strukturen vorgelegt.
       
       Hatte es bisher so ausgesehen, als sei die antirassistische Szene um die in
       den 80er Jahren besetzte Hafenstraße das Hauptziel ihres Einsatzes gewesen,
       so zeigt sich nun, wie sehr das LKA auch an linker Stadtpolitik und der
       gentrifizierungskritischen „Recht auf Stadt“-Bewegung interessiert war.
       
       Maria B. war nicht nur über 15 Monate zahlendes Mitglied im Trägerverein
       des Wilhelmsburger Infoladens, sie beteiligte sich auch aktiv am Ausbau des
       Projekts: Die Beamtin half dabei, Finanzierungskonzepte zu erstellen, eine
       eventuelle Gemeinnützigkeit des Trägervereins zu prüfen und Fördergelder zu
       beantragen. So erlangte sie tiefen Einblick in den Spenden- und
       UnterstützerInnenkreis. Auch nach außen vertrat sie den Infoladen und
       erfragte als Delegierte Informationen über die Finanzierungsstruktur
       anderer linker Projekte.
       
       ## Besonderes Interesse am Protest gegen Großprojekt IBA
       
       Besonders interessiert hat das LKA offenbar vor allem der Protest gegen das
       millionenschwere Großprojekt IBA, die Internationale Bauausstellung, die
       2013 in Wilhelmsburg stattgefunden und wesentlich zur Aufwertung des
       Stadtteils beigetragen hatte. Die AktivistInnen schreiben dazu: „Maria
       äußerte während ihrer Arbeit im Infoladen und privat Interesse an
       vielfältigen Themenfeldern linksradikaler Politik, aber insbesondere am
       Thema Stadtentwicklung und Gentrifizierungs-Kritik, sowie sich
       entwickelnder Anti-IBA-Proteste.“
       
       Immer wieder habe sie versucht, AktivistInnen dazu zu bringen, sich zur IBA
       zu positionieren – und auch Stellungnahmen zu anderen an der IBA
       beteiligten AkteurInnen, wie beispielsweise der städtischen
       Baugenossenschaft SAGA, zu provozieren. In einer E-Mail an den
       Infoladen-Verteiler schrieb B. im Dezember 2009: „Für mich stellt sich
       jetzt die Frage, ob wir sie [kostenlose Räume der SAGA; Anm. d. Redaktion]
       nutzen sollten, können, wollen??? Denn natürlich wird sich das dann die
       tolle SAGA GWG auf ihren Zettel schreiben und so werden wir vielleicht noch
       mehr Teil der ‚tollen‘ Stadtentwicklung sein. Also gebt mal bitte eure
       Meinung dazu ab.“
       
       Bemerkenswert ist das vor allem vor dem Hintergrund der wenig später
       erteilten Kündigung der vom Infoladen gemieteten Räume durch die SAGA.
       „Völlig aus dem Nichts“ habe den Infoladen Ende November die erste
       Abmahnung erreicht, sagte ein Aktivist gegenüber der taz.nord. Das
       Mietverhältnis sei bis dahin immer sehr gut gewesen, daher habe man sich
       gewundert. Als offizielle Begründung hatte die SAGA auf der Hauswand
       angebrachte Sticker und Poster angegeben, die die AktivistInnen daraufhin
       entfernten.
       
       Die inoffizielle Begründung habe ein SAGA-Mitarbeiter in einem persönlichen
       Gespräch geäußert: Die kritische Haltung des Infoladens zur IBA. „Woher die
       SAGA davon wusste, war allen damals ein ziemliches Rätsel“, so der
       Aktivist. Man habe die Ablehnung der IBA zwar nicht verheimlicht, aber sich
       auch nicht öffentlich positioniert. Im März 2010 kündigte die SAGA das
       Mietverhältnis.
       
       Fragwürdig bleibt die Dimension des Einsatzes der verdeckten Ermittlerin –
       nach Angaben des LKA war Maria B. zur Gefahrenabwehr in der linken Szene
       eingesetzt. Das Ausforschen finanzieller Strukturen sowie der Spenden- und
       UnterstützerInnenszene im Stadtteil dürfte damit allerdings kaum zu
       rechtfertigen sein. „Ihre Arbeit scheint hier eher dem zu entsprechen, was
       gemeinhin dem Aufgabenfeld des Verfassungsschutzes entspricht“, schreiben
       die Betroffenen.
       
       13 Oct 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Schipkowski
       
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