# taz.de -- Trotz „sicheren Herkunftsstaats“: Roma-Verfolgung anerkannt
       
       > Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat einer Romni aus Mazedonien den
       > Flüchtlingsstatus zuerkannt. Sie wurde als Aktivistin politisch verfolgt.
       
 (IMG) Bild: Das Engagement gegen die Lebensbedingungen der Roma kann in Mazedonien Verfolgung nach sich ziehen.
       
       BREMEN taz | Die Klage, über die Ende September das Verwaltungsgericht
       Oldenburg entschied, hätte zu einem weiteren der vielen tausend Fälle
       werden können, bei denen der Asylantrag eines Rom oder einer Romni aus dem
       Westbalkan abgelehnt wird. Zu einem Antrag, der als „offensichtlich
       unbegründet“ zu gelten hat und dann zu den anderen 99 Prozent abgelehnter
       Fälle in die Statistik eingeht, mit der politisch begründet wird, dass etwa
       Mazedonien auch für Roma „sicher“ sei. Doch diesmal kam es anders.
       
       Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat einer Romni aus Mazedonien den
       Flüchtlingsstatus zuerkannt. In Mazedonien drohe ihr aufgrund ihrer
       Tätigkeit für eine Roma-Organisation „politische Verfolgung“, heißt es in
       dem Urteil (AZ: 6 A 32/15). Und: „Die Verfolgungshandlungen gehen von der
       Polizei aus.“ Entsprechend sei die Entscheidung des Bundesamts für
       Migration und Flüchtlinge aufzuheben, das 2013 den Asylantrag der Frau
       ablehnte und ihr die Abschiebung androhte.
       
       Mazedonien steht mit Serbien und Bosnien-Herzegowina seit Ende 2014 auf
       jener Liste „sicherer Herkunftsstaaten“, die Ende dieser Woche durch
       Bundestag und Bundesrat um Albanien, Kosovo und Montenegro erweitert werden
       soll. Organisationen wie Pro Asyl kritisieren dies als eine Aushöhlung des
       individuellen Rechts auf Asyl.
       
       Noch ist das Urteil aus Oldenburg nicht rechtskräftig, aber die
       Ausführungen des Gerichts, über das, was die Frau erlebte, lassen erahnen,
       dass Mazedonien für Roma nicht sicher ist – und bestätigen Einschätzungen,
       wie sie von Nicht-Regierungsorganisationen, aber auch etwa der Europäischen
       Kommission in ihrem Fortschrittsbericht vorgenommen werden: Die Frau hatte
       sich in Mazedonien mit einem Verein für die Rechte von Roma stark gemacht
       und staatliche Gewalt dokumentiert.
       
       ## Malträtiert und geschlagen
       
       Über Jahre sei sie deshalb von der Polizei malträtiert worden, unter
       anderem seien das Büro des Vereins aufgebrochen und ihr Mann geschlagen
       worden. Die Polizei habe sogar mit einem unrechtmäßigen Akteneintrag
       verhindert, dass sie über das Arbeitsamt eine Stelle bekomme. „Man habe ihr
       gesagt, sie habe es nicht verdient, eine Arbeitsstelle zu finden“, heißt es
       in den Ausführungen des Gerichts.
       
       2011 dann wurde die Frau von PolizistInnen so schwer verprügelt, dass sie
       ihr ungeborenes Kind verlor. Die Polizei habe sie aufgefordert, bei der
       Parlamentswahl Stimmen aus der Roma-Community für die Partei von
       Regierungschef Nikola Gruevski zu „sammeln“, wessen sie sich verweigerte.
       Es ist die Schilderung eines vermutlichen Wahlbetrugs, der seit Monaten für
       eine politische Krise im Land sorgt.
       
       Das Verwaltungsgericht Oldenburg hielt die Beschreibungen der Frau für
       „schlüssig und glaubhaft“. Der Sprecher des Gericht erklärte, die Regelung
       zu „sicheren Herkunftsstaaten“ lasse offen, ob „abweichend von der
       allgemeinen politischen Lage“ Verfolgung drohe. „Das Vorbringen der
       Klägerin ist ein Vorbringen im Einzelfall.“
       
       ## Kein Einzelfall, sagt der Anwalt
       
       Der Anwalt der Frau, Henning Bahr, sieht das anders: „Wenn die Gerichte bei
       angeblich sicheren Herkunftsstaaten wie Mazedonien Schutz zuerkennen, ist
       die Einschätzung des Gesetzgebers, dass es dort ungefährlich ist, sehr
       zweifelhaft“, erklärte er. „Auch in diesen Staaten gibt es immer wieder
       asylrelevante Verfolgung.“
       
       Das sagt auch Marc Millies vom Bremer Flüchtlingsrat, der im Frühjahr 2015
       selbst in Mazedonien recherchierte: „Das Urteil beweist, was ich mit einer
       Recherchegruppe selbst dokumentiert habe: dass es Übergriffe gegen Roma
       gibt und Schutz notwendig ist.“ Millies verweist auf die Schwierigkeiten
       vieler Roma, Übergriffe und Diskriminierungen belegen zu können. „Oft
       drängt die Polizei Roma dazu, Anzeigen zurückzunehmen – wenn sie überhaupt
       kommt oder nicht sogar selbst das Problem ist.“
       
       Gleichzeitig zeige die Entscheidung, dass das Recht auf Asyl individuell
       geprüft werden müsse. Oberflächliche Prüfungen für bestimmte
       Herkunftsländer dürfe es nicht geben.
       
       13 Oct 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jean-Philipp Baeck
       
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