# taz.de -- Korruption in Verwaltung und Wirtschaft: „Keine X-Euro-Grenze“
       
       > Der Leiter der Zentralen Antikorruptionsstelle Bremens erklärt die
       > Schwelle, hinter der gut gemeinte Geschenke unter den „Anschein der
       > Bestechlichkeit“ fallen.
       
 (IMG) Bild: Das Thema Rüstungsexporte ist Schwerpunkt der ZAKS. Im Visier: Rheinmetall.
       
       taz: Herr Heinke, Sie sind Leiter der Zentralen Bremer
       Antikorruptionsstelle, das heißt, Sie haben 40.000 Staatsdiener unter sich? 
       
       Daniel Heinke: Unter mir nicht. Aber die Zentralstelle ist zuständig für
       das Land Bremen.
       
       Haben Sie viel zu tun? 
       
       Ja.
       
       Wie viele Fälle liegen bei Ihnen auf dem Tisch? 
       
       Im Jahr 2014 wurden bei der Zentralen Antikorruptionsstelle 10 neue
       Ermittlungsverfahren eingeleitet, denen insgesamt 25 mutmaßliche
       Korruptionsstraftaten zugrunde lagen. Die weit überwiegende Anzahl der
       Verdachtsfälle richtete sich gegen Mitarbeiter von Wirtschaftsunternehmen.
       Diese Verfahren sind dabei zumeist – wie üblich im Bereich der
       Wirtschaftskriminalität – sehr umfangreich.
       
       Worum geht es da? 
       
       Das Thema Rüstungsexporte ist bei uns zu einem Schwerpunkt geworden,
       Bestechung ausländischer Amtsträger. In diesem Zusammenhang wurde bei uns
       erstmals eine gemeinsame Ermittlungsgruppe von ZAKS, Polizei Bremen und
       Steuerfahndung Bremen eingerichtet.
       
       Nennen Sie mal Namen. 
       
       Die Informationshoheit über Einzelfälle liegt bei der Staatsanwaltschaft.
       Die hat zum Beispiel mitgeteilt, dass sie gemeinsam mit uns, der Polizei
       und der Steuerfahndung ermittelt gegen die Firmen Rheinmetall und Atlas
       Defence Electronic, da geht es um Bestechung ausländischer Amtsträger.
       
       Welches Ausland? 
       
       Griechenland.
       
       Ihr Alltag bezieht sich vermutlich sonst mehr auf kleine Summen? 
       
       Das kann man so nicht sagen. Die Präventionsarbeit ist sehr erfolgreich,
       die Fälle in der Bremischen Verwaltung gehen zurück.
       
       Für die öffentliche Verwaltung gelten ja ganz andere, strengere Maßstäbe.
       Ist das ein Problem bei Schulungen, wenn Sie sagen müssen: Sie arbeiten im
       Öffentlichen Dienst, Sie dürfen 100 Euro nicht annehmen? 
       
       Bargeld darf auch niemand in der privaten Wirtschaft annehmen. In der
       Wirtschaft geht es eher um Sachleistungen, Einladungen zu
       Festveranstaltungen, zu Essen. Bei Mitarbeitern, die aus der Wirtschaft in
       den Öffentlichen Dienst wechseln, müssen wir tatsächlich erst einmal für
       Akzeptanz für die strengeren Regelungen werben.
       
       Hat Melf Granz, der Oberbürgermeister von Bremerhaven, bei Ihrer Schulung
       nicht aufgepasst? 
       
       Sie müssen verstehen, dass ich zu laufenden Ermittlungsverfahren keine
       Auskunft geben darf. Das machen zudem die Kollegen in Bremerhaven.
       
       Wenn eine Firma wie die ePhilos-AG, die dem Bürgerschaftsabgeordneten
       Andreas Kottisch gehört, Bremerhavener MitarbeiterInnen der
       Beschaffungsstelle zum Weihnachtsessen ins Variete-Theater einlädt – hätten
       die Eingeladenen in Ihrer Schulung lernen müssen, dass das ein No-Go ist?
       Oder gibt es Umstände, unter denen so etwas nicht den Korruptionsverdacht
       begründet? 
       
       Ich kann den konkreten Vorgang nicht kommentieren. Generell ist es so: Es
       gibt eine Verwaltungsvorschrift über die Annahme von Belohnungen und
       Geschenken. Danach darf ein Mitarbeiter Zuwendungen nur annehmen, wenn er
       das vorher seinem Vorgesetzten angezeigt hat und wenn das genehmigt worden
       ist. Davon wären nur „geringwertige Aufmerksamkeiten“ ausgenommen, also der
       Kugelschreiber oder ein Schreibblock. In Bremen gibt es dafür keine
       X-Euro-Grenze. Entscheidend ist, dass nicht der Anschein der
       Bestechlichkeit entsteht.
       
       Und wenn der Vorgesetzte das genehmigt? 
       
       Der Dienstvorgesetzte muss entscheiden, ob hier der Anschein einer
       Vorteilsnahme entstehen kann. Wenn der Vorgesetzte zu dem Schluss kommt,
       dass es um mehr geht als um eine Aufmerksamkeit, aber unter Betrachtung
       aller Umstände nicht der Eindruck einer Bestechlichkeit oder auch nur einer
       Beeinflussung aufkommen kann, dann kann er das genehmigen. Aber das sollte
       die Ausnahme sein.
       
       Und wenn der Mitarbeiter sagt: Ein gutes Verhältnis zu der Privatfirma
       könnte nützlich für den Öffentlichen Dienst sein? 
       
       Das wäre nicht zulässig, der Öffentliche Dienst muss neutral auftreten.
       
       Ein anderes Beispiel: Wenn eine Lehrerin am Ende der Schulzeit von den
       Eltern eines Schülers ein größeres Geschenk bekommt? 
       
       Solche Situationen sind nicht ganz einfach, natürlich möchten Eltern sich
       bedanken. Der Anschein einer Zuwendungsbereitschaft kann aber auch
       entstehen, wenn es ein jüngeres Geschwisterkind auf der Schule gibt. Man
       muss also genau hinschauen. Dafür ist die Antikorruptionsbeauftragte des
       Bildungsressorts zuständig.
       
       11 Oct 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Wolschner
       
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