# taz.de -- NGO über Flüchtlinge in Slowenien: „Unnötiges Leid, unnötige Ängste“
       
       > Slowenien macht es sich zu leicht, wenn es Flüchtlinge nur als
       > Durchreisende betrachtet. Die Soziologin Veronika Bajt vermisst eine
       > breite politische Debatte.
       
 (IMG) Bild: Da Slowenien nur eine kontrollierte Einreise zulässt, müssen die Flüchtlinge in einem improvisierten Zeltlager auf der kroatischen Seite der Grenze warten
       
       taz: Frau Bajt, haben sie einen Überblick über die derzeitige Situation der
       Flüchtlinge in Slowenien? 
       
       Veronika Bajt: Wir versuchen die verschiedenen Meldungen zusammenzubringen,
       wohin die Flüchtlinge gebracht werden, wo die ganzen Busse hinfahren. Wir
       stehen im Kontakt mit anderen NGOs und den humanitären Organisation, aber
       auch einzelnen Aktivisten und versuchen die Hilfe zu koordinieren. Dabei
       geht es darum, herauszufinden, wo was gebraucht wird und Informationen zu
       verifizieren, die an die Flüchtlinge weitergegeben werden können. Auf der
       anderen Seite bleiben wir in Verbindung mit den Nachbarländern,
       insbesondere Österreich, um im Blick zu behalten, was dort passiert.
       
       Wie stellt sich die Gesamtsituation für sie denn dar? 
       
       Glücklicherweise ist alles etwas ruhiger derzeit (Anm. der Redaktion:
       Samstag Abend), etwas organisierter. Es scheint sich alles in die richtige
       Richtung zu bewegen, hoffentlich.
       
       Das machte nicht von Anfang an den Anschein. Ihr Mirovni Institut und
       andere NGOs haben noch am Freitag eine gemeinsame Erklärung zum
       Flüchtlingskomplex veröffentlicht. Was war das Ziel dieser Stellungnahme? 
       
       Die Erklärung zielte hauptsächlich auf die slowenische Regierung und war
       die Aufforderung, die Grenzen zu öffnen, um die Flüchtlinge nach Slowenien
       zu lassen und ihnen eine sichere Einreise zu gewährleisten. Hier können
       sie, so sie es wünschen, Asyl beantragen. Sollten sie weiterreisen wollen,
       müssen wir ihnen alle humanitäre Hilfe auf ihrem Weg zukommen lassen.
       
       Sie fordern ihre Regierung auf, das europäische Regelwerk, insbesondere
       Dublin, zu ignorieren? 
       
       Wir weisen unsere Regierung wieder und wieder darauf hin, dass die Regeln
       für Asyl und Migration einer solchen Situation einfach nicht gewachsen sind
       und dass es höchste Zeit ist, hier etwas zu verändern. Denn warum sollen
       wir uns immer nur auf die formalistischen Argumente zurückziehen? Warum
       heißt es in so einer Situation zuerst einmal immer, dass wir den Regeln
       folgen müssen? Warum nicht nach der Devise handeln, dass das Menschen sind,
       denen wir jetzt helfen müssen – Menschen wie wir, die die selben Rechte
       haben sollen?
       
       Und ihre Regierung handelt nicht danach? 
       
       Es hat halt zu lange gedauert, bis etwas passiert ist. Es gab eine Menge
       unnötiges Leid für die Flüchtlinge, eine Menge unnötiger Ängste unter der
       lokalen Bevölkerung und wirklich völlig unnötige Spekulationen in den
       Medien. Das hätte schon früher verhindert werden können.
       
       Wie sieht es denn aus mit der Unterstützung aus der Zivilgesellschaft? 
       
       Ich kann sagen, dass die Reaktionen von den NGOs, aber auch von ganz
       gewöhnlichen Menschen sehr, sehr positiv ist. Wir sehen eine große
       Bereitschaft zu helfen. Aber ich muss trotzdem festhalten, dass die
       humanitäre Dimension, so wichtig sie derzeit ist, nicht die Antwort auf die
       Probleme ist. Im Kern geht es doch darum: Gibt es einen politischen Willen,
       Menschen ihre grundsätzlichen Rechte zu garantieren? Dazu gehört unbedingt
       die Möglichkeit, sich frei zu bewegen, Grenzen zu passieren und ganz
       besonders das Recht, um Asyl anzusuchen, und zwar dort wo die Menschen das
       wollen.
       
       Aber es gibt jetzt Hilfe für die Ankommenden? 
       
       Ja, viele Menschen melden sich bei uns und fragen, was gebraucht wird, wo
       man Dinge spenden kann. Andere fragen wo an der Grenze ihre Hilfe gebraucht
       wird. Sie bringen dann Essen, Kleidung, Wasser, Decken und so weiter. Aber
       meine Sorge ist, dass das nicht nachhaltig wirkt. Slowenien steckt nicht
       allzu viele Gedanken in langfristige Integration. Die jetzige Situation
       wird als einmalig behandelt, Slowenien ist ja nur ein Transitland. Und so
       reden wir nicht darüber, dass es auch hier einen starken und schnell
       wachsenden Rassismus gibt und auch viel Intoleranz gegenüber anderen, auch
       gegenüber den Flüchtlingen.
       
       Wie geht es für Sie in der jetzigen Situation weiter? 
       
       Es ist ja eine Menge passiert seit Freitag. Wir haben Vertreter in der
       Operativen Gruppe des Innenministeriums, die die Lage seit drei Wochen zu
       steuern versucht. Wir als humanitäre NGOs wollen natürlich informiert
       bleiben und auch selber Input geben über die Lage, wie sie sich bei unserer
       Arbeit präsentiert.
       
       20 Sep 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniél Kretschmar
       
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