# taz.de -- Tempelhofs Zukunft: Sinkflug und Neustart
       
       > Nach dem Volksentscheid ist klar: Der Flughafen Tempelhof bereitet sich
       > auf die letzte Landung am 30. Oktober 2008 vor. Und mögliche Nachnutzer
       > wie das Filmstudio Babelsberg stehen bereit.
       
 (IMG) Bild: Tolle Kulisse: Historische Flieger in Tempelhof bei Dreharbieten für den Stauffenber-Film mit Tom Cruise im Juli 2007
       
       Wenn selbst der Chef keinen Bock mehr auf seinen Laden hat, wird es Zeit,
       die Umzugskisten auszupacken. Rainer Schwarz ist der Chef der drei Berliner
       Flughäfen Tegel, Tempelhof und Schönefeld - und am Tag nach dem
       Volksentscheid hat er Tempelhof schon einmal innerlich gekündigt. Dass der
       innerstädtische Airport nach dem Votum vom Sonntag jetzt endgültig
       dichtgemacht werden kann, geht für Schwarz völlig in Ordnung.
       Wirtschaftlich rentabel und auch zukunftsfähig fand der Flughafenvorstand
       Tempelhof nie. Sein Ziel heißt Schönefeld. Und das hat Schwarz nun vor
       Augen: "Das Scheitern des Volksentscheids gibt uns nun die Chance, die
       Debatte mehr als bisher auf das wichtigste Zukunftsprojekt zu
       konzentrieren: unseren neuen Flughafen BBI." Tempelhof ist für den
       Flughafenchef endgültig Geschichte.
       
       Ihre Sachen packen müssen bis spätestens 30. Oktober 2008 - dem letzten
       Betriebstag von Tempelhof - somit auch die Handvoll Fluggesellschaften vor
       Ort. Rund 300 Starts und Landungen kleinerer Flugzeuge gibt es derzeit noch
       pro Woche, täglich schlagen dabei knapp 1.000 Passagiere in Tempelhof auf.
       Zu vermuten ist, dass es bis zum Herbst noch viel weniger werden. So
       schätzt es jedenfalls die Berliner Flughafen Gesellschaft ein. Das sinkende
       Schiff wird verlassen.
       
       Cirrus Airlines und die Lufthansa lassen noch offen, ob sie vorzeitig ihre
       Zelte abbrechen werden und ob sie nach Tegel ausweichen oder gleich nach
       Schönefeld umziehen wollen. Die Fluggesellschaft habe den Volksentscheid
       abwarten wollen und werde sich jetzt "neu orientieren", erklärt eine
       Mitarbeiterin von Cirrus.
       
       Intersky, die nach Friedrichshafen fliegt, wird sich dagegen wohl für eine
       Konzession in Schönefeld bewerben. Ebenso Brussels Airlines, die derzeit
       mit den meisten Verkehr in Tempelhof verursachen. Allen Fluggesellschaften
       ist nun klar, dass es endgültig vorbei ist. Ihr eigener Versuch, die
       Schließung gerichtlich anzufechten, war schon im vorigen Jahr mit der
       Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts gescheitert.
       
       Im steten Sinkflug befinden sich auch weitere Firmen im Airportgebäude. Die
       Autovermieter Sixt, Hertz, Avis und Europcar werden ihre Filialen wohl noch
       vor dem letzten Flugtag schließen. Offen ist, wann die Nutzer der großen
       Büro- und Gewerbetrakte - Dekra, eine Berufsakademie und ein
       Kleinkunsttheater - ihre Räume verlassen müssen. Ihre Verträge werden
       überprüft, wenn sicher ist, was aus Tempelhof wird.
       
       Es hat in der Vergangenheit zwar nicht wenige, aber doch überwiegend vage
       Vorschläge zur Nachnutzung des 380 Hektar großen Areals mit dem 1.200 Meter
       langen Flughafengebäude aus der Nazizeit 1934 gegeben. Auch war der Vorwurf
       laut geworden, der rot-rote Senat habe sich zu wenig um ein Konzept für die
       Zeit nach der Schließung Tempelhofs gekümmert. Und bis auf Pläne für eine
       ringförmige Bebauung, die zentrale Grünfläche und die Nutzung des
       Flughafengebäudes durch die "Kreativwirtschaft" liegt tatsächlich nichts
       auf dem Tisch.
       
       Umso handfester ist der Vorstoß der Studio Babelsberg AG, die den Ort zu
       einem hochkarätigen "Filmstandort" ausbauen will. Der Chef des Film- und
       Fernsehstudios, Carl Woebcken, hat sein Interesse am Bauwerk erneuert.
       "Tempelhof soll der dritte Filmstandort in der Hauptstadtregion neben
       Potsdam-Babelsberg und Berlin-Adlershof werden." Zwei frühere
       Flugzeughangars will er zu Filmateliers umbauen, da das Babelsberger
       Gelände aus allen Nähten platze. Ein dritter Hangar könnte für den
       Kulissenbau genutzt werden. Hinzu kämme die Nutzung einer Vielzahl von
       Büros für die Produktionen und Filmfirmen.
       
       Klaus Wowereit gefällt dieses Zukunftsbild für Tempelhof. "Es gibt das
       Interesse der Betreiber von Babelsberg", bestätigte er am Montag. Er
       "persönlich" halte die Babelsberg-Initiative "für gut", trat aber noch
       etwas auf die Bremse. Das Gebäude werde zunächst einmal offiziell zur
       Vermietung ausgeschrieben. Theoretisch könne ja ein Interessent das gesamte
       Gebäude mieten.
       
       Was kaum geschehen dürfte. Das gigantische Flughafenensemble gleicht zum
       Teil einer Ruine und müsste aufwendig saniert werden. Zudem, betont Berlins
       Senatorin für Stadtentwicklung, Ingeborg Junge-Reyer, soll "das unter
       Denkmalschutz stehende Gebäude seinen architektonischen Charakter
       vollständig bewahren". Ein Umbau kommt also schwerlich infrage - was man
       auch als Vorlage für die Filmkulisse lesen kann.
       
       29 Apr 2008
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rolf Lautenschläger
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Mehr Demokratie nach Tempelhof: "Die CDU ist selbst Schuld"
       
       Das Quorum bei Volksentscheiden muss weg, sagt Michael Efler von "Mehr
       Demokratie". Unterstützung erhofft er sich ausgerechnet von der CDU.
       
 (DIR) Kommentar: Pflüger schrumpft sich klein
       
       Für CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger war Tempelhof der Privatjet zum
       Erfolg. Nun muss er wieder zu Fuß gehen. Das fällt im offensichtlich
       schwer.
       
 (DIR) Tempelhof und die CDU: Pflügers Bauchlandung
       
       Nach der Niederlage beim Volksentscheid erntet der CDU-Fraktionschef
       heftige Kritik. Die Linkspartei macht ihn für eine neue Ost-West-Spaltung
       verantwortlich. Schwarz-Grün rückt in weite Ferne.
       
 (DIR) Flughafen Tempelhof: Last-Minute-Angebot für die Flugfeldnutzung
       
       Zwölf Tage vor dem Volksentscheid über Tempelhof nickt der Senat neuen
       Flächennutzungsplan für das Flugfeld ab
       
 (DIR) Tempelhof-Nachnutzung: Die Hinwendung zum Raum
       
       Der Umbau des Flugfeldes in Tempelhof soll zum Maß für kreative
       Stadtentwicklung werden, fordert Ingeborg Junge-Reyer. Ein Holländer will
       einen Berg.