# taz.de -- Neun Antworten zur Krise: Griechen, was nun?
       
       > Heute debattiert der Bundestag über die Bürgschaft für Griechenland. Die
       > taz erklärt, warum Deutschland am meisten zahlt, wer von der Krise
       > profitiert - und wieso die Gefahr noch nicht gebannt ist.
       
 (IMG) Bild: Dunklen Wolken über Athen: Wieso? Weshalb? Warum?
       
       1. Wie kommen EU und IWF auf 110 Milliarden Euro Kredithilfe für
       Griechenland? 
       
       So viel Geld, gerechnet über drei Jahre, ist nötig, um Griechenland vor dem
       Staatsbankrott zu retten. Das haben die Verhandlungen zwischen der EU, dem
       Internationalen Währungsfonds und der griechischen Regierung ergeben. Das
       Rettungspaket soll etwa ein Drittel der derzeitigen griechischen
       Staatsschuld abdecken. Das Land soll seine Zahlungsverpflichtungen der
       kommenden 18 Monate sowie die Zinsen für seine Anleihen in den kommenden
       drei Jahren bedienen können.
       
       2. Warum bürgt Deutschland für das meiste Geld? 
       
       Die 110 Milliarden Euro Kredithilfe teilen sich der IWF und 15
       Mitgliedsstaaten der Euro-Zone auf; Letztere übernehmen rund 80 Milliarden.
       Deutschland übernimmt gemäß seiner Bevölkerungsgröße und Wirtschaftskraft
       den Löwenanteil der staatlichen Hilfen, nämlich 22,4 Milliarden. Diese
       stellt die staatliche KfW-Bank zur Verfügung, der Bund bürgt dafür.
       
       3. Wer ist schuld an der Krise? 
       
       Der Fastbankrott Griechenlands hat viele Ursachen: wirtschaftliche
       Schwäche, Korruption, Bilanztricks, Spekulation. Zunächst: Die griechische
       Wirtschaft (wichtige Branchen sind Tourismus, Reedereien, Landwirtschaft,
       Nahrungsgüterproduktion) ist international kaum konkurrenzfähig. Die Folge
       ist ein enormes Defizit in der Leistungsbilanz. Griechenland produziert
       weniger, als es verbraucht, und es exportiert weniger, als es importiert.
       Seit der Einführung des Euro kann Griechenland seine Exportschwäche nicht
       mehr durch Abwertung der eigenen Währung lindern; zudem verlor Griechenland
       gegenüber seinem wichtigen Handelspartner Deutschland an Boden, weil
       hierzulande die Lohnstückkosten vor der Wirtschaftskrise sogar sanken. In
       Griechenland ist die Korruption weit verbreitet, der Staat zieht Steuern
       (zum Beispiel Mehrwertsteuer und Einkommenssteuer bei Reichen) nicht
       konsequent ein. Nachdem die neue Regierung von Giorgos Papandreou im
       Oktober 2009 das wahre Ausmaß des Defizits offenlegte, wurde Griechenland
       zu einem gefundenen Fressen für Spekulanten auf den internationalen
       Finanzmärkten, die auf einen Bankrott des Landes wetteten.
       
       4. Warum ist Griechenland zahlungsunfähig? 
       
       Ein Staat gilt als insolvent, wenn er Zinsen und Tilgung seiner Schulden
       nicht mehr bezahlen kann. Wie Griechenland: Am 19. Mai laufen
       Staatsanleihen ab, für die Griechenland inklusive Zinsen 8,2 Milliarden
       Euro an die Gläubiger zurückzahlen muss. Normalerweise würde dies mit der
       Ausgabe neuer Staatstitel erledigt. Dieser Weg ist aber versperrt, weil die
       Anleger zuletzt keine griechischen Staatsanleihen mehr kaufen wollten -
       oder so horrende Zinsen forderten, dass an eine spätere Tilgung nicht zu
       denken wäre. Zwar besitzt das Land noch Volksvermögen, das ändert aber
       nichts an der mangelnden Liquidität. Es zu verkaufen, würde keinen Bankrott
       verhindern, sondern eine Auflösung Griechenlands bedeuten.
       
       5. Wer profitiert von der Krise in Griechenland? 
       
       Die Rettungsaktionen kommen den Gläubigern Griechenlands zugute. Sie können
       jetzt hoffen, dass ihre Staatsanleihen bedient werden, und müssen sie
       vorerst nicht abschreiben. Nicht jeder dieser Gläubiger ist ein Spekulant.
       Viele Versicherungen und auch Banken haben vor Jahren lang laufende
       griechische Staatsanleihen gekauft und sich dabei auf die exzellenten
       Bewertungen der Ratingagenturen verlassen. Allerdings gibt es auch
       kurzfristig agierende Spekulanten, die nun von der Griechenlandhilfe
       profitieren. Gewinne hat beispielsweise eingefahren, wer griechische
       Anleihen aufgekauft hat, als die Risikoprämien am höchsten waren. Mit
       Gewinnen kann auch rechnen, wer Kreditversicherungen auf
       Griechenlandanleihen verkauft hat. Die Versicherungsprämie ist kassiert,
       aber der versicherte Ausfall ist bei vielen Anleihen nicht mehr zu
       befürchten, weil der Internationale Währungsfonds und die Europäische Union
       einsteigen.
       
       6. Ist die Gefahr, dass Griechenland pleite geht, gebannt? 
       
       Nein. Zum einen reichen die geplanten Hilfen nur so weit, dass sich
       Griechenland bis Anfang 2012 refinanzieren kann. Getilgt wären die
       Staatsschulden damit aber noch nicht, die Zinsbelastung bliebe gigantisch.
       Und wie viel das Sparpaket zum Schuldenabbau beitragen kann, ist unklar, da
       die Kürzungen zugleich das Wirtschaftswachstum bremsen. Zum anderen ist es
       auch möglich, dass Griechenland den Auflagen von IWF und EU gar nicht
       nachkommen kann und diese die Zahlungen einstellen. Ökonomen fordern
       deshalb einen Schuldenschnitt. Das entspräche einer Art geordneter
       Staatsinsolvenz, für die es offiziell kein Verfahren gibt. Eine Versammlung
       aller Gläubiger, also der Geberländer, der Banken und auch der
       Finanzmagnaten in Griechenland, müsste beschließen, auf einen Teil der
       Forderungen zu verzichten.
       
       7. Wie kann die EU dazu beitragen, dass sich eine solche Krise nicht
       wiederholt? 
       
       Als Sofortmaßnahme könnte an den Finanzmärkten der Handel mit Produkten und
       Leerverkäufen verboten werden, mit denen gegen Länder oder Währungen
       spekuliert werden kann. Ein Insolvenzrecht für Staaten würde dafür sorgen,
       dass die Lastenverteilung bei Überschuldung vorab geregelt wird. Zudem
       sollte die Statistikbehörde Eurostat eigenständig Daten erheben dürfen, um
       Krisensymptome früh zu erkennen. Auch eine europäische Ratingagentur mit
       transparenten Kriterien könnte hier helfen. Mittel- und langfristig braucht
       die Europäische Währungsunion eine gemeinsame Wirtschaftspolitik, wie sie
       die EU-Kommission vorgeschlagen hat. Sie könnte die Fiskal- und
       Steuerpolitik der Mitgliedsländer koordinieren und dafür sorgen, dass die
       das System destabilisierenden Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen
       ausbalanciert werden.
       
       8. Wird der Euro überleben? 
       
       Wahrscheinlich ja, obwohl Griechenland nicht das einzige Euro-Land in der
       Krise ist. Als gefährdet gelten auch Portugal, Spanien, Irland und Italien.
       Allein die Italiener müssen bis zum Jahresende auf den Finanzmärkten
       Darlehen von mehr als 200 Milliarden Euro aufnehmen. Bei den Spaniern sind
       es fast 100 Milliarden. Diese Summen machen die Anleger nervös - obwohl die
       Ratingagentur Fitch Spanien erst am Dienstag mit der Bestnote AAA versehen
       hat. Wenn die Märkte auch für Italien oder Spanien enorme Risikoprämien
       verlangen sollten, werden IWF und EU erneut mit Krediten einspringen
       müssen. Trotzdem dürfte die Angst vieler Bürger vor einer Inflation
       unbegründet sein. Stattdessen dürften die Preise voraussichtlich eher
       sinken, weil die Löhne in vielen Ländern fallen und die Firmen unter
       immensen Überkapazitäten leiden, wie beispielsweise in der
       Automobilindustrie.
       
       9. Wer würde denn Deutschland helfen, wenn es in eine Krise gerät? 
       
       Niemand. Sollte Deutschland jemals eine Staatspleite drohen, könnten andere
       Länder nicht mehr helfen - sie wären längst vorher bankrott. Die
       Bundesrepublik gehört weltweit zu den finanziell stärksten Staaten. Sie ist
       sogar weit gesünder als die USA. Zwar häufen Bund, Länder und Kommunen
       Defizite auf, doch dafür sind die Bundesbürger - im Gegensatz zu
       beispielsweise den US-Amerikanern - fast schuldenfrei. Der deutsche Staat
       kann seinen Kreditbedarf also bei den eigenen Bürgern decken. Zudem ist
       Deutschland nicht im Ausland verschuldet, sondern häuft dort Guthaben durch
       die Exportüberschüsse auf. Falls also Deutschland jemals in eine
       existenzielle Krise geraten sollte, wäre dies das Zeichen, dass das
       weltweite Finanzsystem am Abgrund steht. Dann bleibt nur noch der totale
       Crash.
       
       5 May 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) U. Herrmann
 (DIR) R. Rother
 (DIR) B. Willms
       
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