# taz.de -- Chaotische Regierungsbildung in NRW: CDU und FDP träumen von Comeback
       
       > Absurder Machtpoker in NRW: Trotz der Wahlniederlage hoffen CDU und FDP,
       > weiter zu regieren. Sie setzen auf die Ampel- oder sogar auf eine
       > Jamaika-Koalition.
       
 (IMG) Bild: Mit der SPD oder mit der CDU? FDP-Chef Pinkwart (Mitte) verfolgt einen Schlingerkurs.
       
       BOCHUM taz | Nordrhein-Westfalens FDP-Landeschef Andreas Pinkwart ist
       Chaosforscher - und so macht er auch Politik. Seit dem Wahlabend fährt der
       "Innovationsminister" des geschäftsführenden Kabinetts Rüttgers einen
       irrlichternden Kurs zwischen Politikverweigerung und Partnersuche.
       
       Pinkwart sorgt so für seine ganz eigenen liberalen Chaostage: Am
       Montagmorgen nach der Wahl lehnte der FDP-Landesvorsitzende jegliche
       Gespräche mit SPD und Grünen noch kategorisch ab. Die Liberalen würden
       fortan in der Opposition für NRW kämpfen, verkündete er. Doch
       FDP-Bundeschef Guido Westerwelle war auf anderem Kurs, zeigte sich für eine
       Ampel offen. Pinkwart schwenkte prompt um: Ein Bündnis mit SPD und Grünen,
       denen im Düsseldorfer Landtag nur eine Stimme zur Mehrheit fehlt, sei doch
       möglich, sagt er jetzt.
       
       Dafür stellt der FDP-Mann beiden potenziellen Partnern aber eine kaum
       erfüllbare Bedingung: Nur wenn die auf jegliche Gespräche mit der neu ins
       Parlament eingezogenen Linkspartei verzichteten, seien die Liberalen
       überhaupt zu Verhandlungen bereit. Schließlich seien die Linken
       "Extremisten", so seine nachgeschobene Begründung.
       
       Pinkwart, der noch Tage vor der Wahl von einen FDP-Ergebnis von "zehn
       Prozent plus x" geträumt hatte, aber nur bei 6,7 Prozent gelandet war,
       sorgt so für Empörung bei SPD und Grünen: Ein "Erpressungsversuch" sei
       Pinkwarts Pirouette, sagt die Landesvorsitzende der Grünen, Daniela
       Schneckenburger. Ähnlich äußerte sich Axel Schäfer, Vorsitzender der
       nordrhein-westfälischen SPD-Bundestagsabgeordneten: "Erpressungen,
       Vorfestlegungen sind mit uns nicht zu machen", so Schäfer zur taz.
       
       Mit Spannung werden in Düsseldorf deshalb die Ergebnisse eines ersten
       Sondierungsgesprächs von SPD und Grünen erwartet. Verhandlungskommissionen
       beider Parteien treffen sich am späten Mittwochnachmittag und wollen
       zunächst den Fahrplan für weitere Verhandlungen festlegen. Doch schon im
       Vorfeld ist klar: Die Sozialdemokraten fordern, dass Rot-Grün zunächst mit
       den Liberalen und dann erst mit den Linken redet. Für den rechten
       SPD-Flügel ist ein Bündnis mit der Linkspartei noch immer der blanke
       Horror.
       
       "Erst treffen wir uns mit den Grünen, dann mit der FDP", sagt deshalb
       SPD-Landtagsfraktionssprecher Thomas Breustedt, der als Sprachrohr der
       sozialdemokratischen Spitzenkandidatin Hannelore Kraft gilt. "Danach wird
       es weitere Gespräche mit anderen Parteien geben", sagt Breustedt aber auch
       - und meint damit die Linkspartei.
       
       Will FDP-Chef Pinkwart überhaupt noch ernst genommen werden, wäre damit
       selbst der Gedanke an eine Ampel hinfällig. Denn die Grünen machen Druck:
       "Zeitnah, innerhalb weniger Tage" wollen sie auch mit der Linkspartei
       sprechen. Auch innerhalb der grünen Landtagsfraktion, in der viele vor der
       Wahl mit einer schwarz-grünen Koalition geliebäugelt hatten, sehen viele in
       der "marktradikalen FDP" den politischen Hauptgegner. Und in Köln hat sich
       ein kleiner Parteitag der Grünen bereits klar für Sondierungen mit den
       Linken ausgesprochen. In NRW sei jetzt ein "Politikwechsel" nötig, so die
       Kölner Landtagsabgeordnete Andrea Asch: Mit der FDP gebe es inhaltlich
       schlicht "fast keine Gemeinsamkeiten".
       
       Doch gerade linke Grüne fürchten jetzt, dass "Professor Pinkwart" abermals
       umfällt und den SPD-Rechten trotz Verhandlungen mit der Linken erneut
       Bereitschaft für eine Ampel signalisiert: "Bei der FDP herrscht doch das
       blanke Chaos", sagt die grüne Landeschefin Schneckenburger. "Die fallen
       schrittweise um."
       
       Dabei sind die abgewählten Liberalen nicht allein auf Partnersuche. Selbst
       die mit Verlusten von über zehn Prozent abgewählten Christdemokraten
       träumen weiter von einer Regierungsbeteiligung. Der amtierende
       Integrationsminister Armin Laschet (CDU) wirbt wie sein Noch-Regierungschef
       Jürgen Rüttgers bereits für eine große Koalition mit den Sozialdemokraten.
       Schließlich wird der zum linken CDU-Flügel zählende Christdemokrat in
       Düsseldorf selbst als potenzieller Ministerpräsident eines schwarz-roten
       Bündnisses gehandelt.
       
       Sogar eine Jamaika-Koalition mit FDP und Grünen hält der zur schwarz-grünen
       "Pizza Connection" zählende Laschet offenbar weiter für denkbar: "Alle
       demokratischen Parteien" müssten gesprächsbereit bleiben, mahnt er bereits
       - erntet aber eine klare Absage der Grünen, die Jamaika im Wahlkampf immer
       ausgeschlossen haben: "Eine Koalition mit CDU und FDP ist für uns kein
       Thema", sagt Grünen-Chefin Schneckenburger. "Dazu haben wir klare
       Beschlüsse."
       
       12 May 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Wyputta
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Machtpoker in NRW: Warten auf Krafts Fehler
       
       Nach dem Vorbild Hessen können nur Neuwahlen Jürgen Rüttgers retten.
       Jedenfalls wenn weder eine rot-rot-grüne Landesregierung noch eine große
       Koalition zustande kommt.
       
 (DIR) NRW-FDP mag nicht mehr: Die Ampel zeigt Rot
       
       Die FDP in der Schmollecke: Die Liberalen wollen in die Opposition – weil
       SPD und Grüne auch mit den Linken reden. Die wären "kommunistische
       Verfassungsgegner".
       
 (DIR) Regierungsbildung in NRW: Die drei denkbaren Koalitionen
       
       Wer könnte in Nordrhein-Westfalen mit wem regieren? Drei Koalitionsmodelle
       sind denkbar. Die taz zeigt Gemeinsamkeiten und Differenzen der Parteien.
       
 (DIR) Linkspartei in NRW: Orientierung gesucht
       
       Die beiden Spitzenkräfte der Linksfraktion aus Düsseldorf suchen
       Orientierung. Seit klar ist, dass Rot-Grün keine Mehrheit hat, kursieren
       Abwerbe-Gerüchte.
       
 (DIR) Bedingung für Gespräche mit Rot-Grün in NRW: FDP verlangt Absage an Linke
       
       Nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen hat das Koalitions-Geschacher
       begonnen. Die FDP stellte nun eine Bedingung, unter der sie mit SPD und
       Grünen zumindest reden würde. Doch die ist hoch.
       
 (DIR) Kommentar Ampel-Diskussion: Emanzipation von Westerwelle
       
       In der Debatte über eine Ampelkoalition in NRW liegt eine Chance für die
       FDP. Die angeblich privilegierte Partnerschaft zur Union ist den Liberalen
       zur Fessel geworden.
       
 (DIR) Nach Wahl in NRW: SPD prüft ihre Kraft für Rot-Rot-Grün
       
       SPD-Kandidatin Kraft hat die Wahl: Entweder sie wagt in NRW Rot-Rot-Grün
       oder geht als Juniorpartnerin in die große Koalition. In ihrer Partei
       beginnt die Debatte.