# taz.de -- Koalition will Finanzmarkt besteuern: Die gezähmten Liberalen
> Die FDP muss eine Finanzmarktsteuer hinnehmen. Doch ob es wirklich die
> geforderte Transaktionssteuer wird, ist offen. Ebenso, wann und wo sie
> eingeführt werden soll.
(IMG) Bild: Die Niederlage der Liberalen verkündet Unions-Fraktionschef Volker Kauder. FDP-Kollegin Birgit Homburger steht bedröppelt daneben.
Berlin taz | Sie nahm das böse Wort gar nicht in den Mund. Nach der Sitzung
des Koalitionsausschusses am Dienstagmorgen sprach die Fraktionsvorsitzende
der FDP nur knapp über die EU-Beschlüsse zur Regulierung von Hedgefonds und
nationale Pläne zum Verbot ungedeckter Leerverkäufe. "Diejenigen, die zu
Lasten von Steuerzahlern spekulieren, müssen an den Kosten der Krise
beteiligt werden", fügte Birgit Homburger hinzu. Wie das geschehen soll,
sagte sie nicht. Kein Wort von der Transaktionssteuer.
Die Niederlage der FDP zu verkünden, das hatte soeben der Kollege von der
Unionsfraktion erledigt. Die beiden Koalitionsfraktionen forderten die
Bundesregierung auf, erklärte Volker Kauder, "sich für eine europäische
globale Beteiligung der Finanzmärkte einzusetzen, das heißt für
Finanztransaktionssteuer oder Finance-Activity-Steuer". Jetzt werde nicht
mehr geredet, sondern gehandelt, sagte er noch beim Weggehen. Er musste
etwas vorzeigen können, bevor er am Nachmittag zu seinen Abgeordneten in
die Fraktionssitzung ging. In den Wahlkreisen ist der Unmut groß, dass die
Steuerzahler schon wieder bürgen sollen für Risiken, gegen die der Staat
nichts unternimmt.
Eine halbe Stunde länger als üblich hatte der Koalitionsausschuss getagt
und um Formulierungen gerungen, wie es sonst nur auf internationalen
Gipfeltreffen mit Amerikanern und Chinesen üblich ist. "Guido Westerwelle
erwägt eine Finanzmarktsteuer" - das klingt ein bisschen wie die
Abschlusserklärung der G-8-Runde von Heiligendamm, als Angela Merkel dem
US-Präsidenten George W. Bush die Zusicherung abrang, eine Reduzierung der
Treibhausgase ernsthaft in Betracht zu ziehen. "We seriously consider",
heißt das in den Communiqués.
Wie auf den globalen Gipfeln die Berater der Kanzlerin, so weisen auch die
Unionsleute im Koalitionskrieg mit der FDP gerne darauf hin, was man der
anderen Seite alles abgehandelt habe. So groß sind Ärger und Not in den
eigenen Reihen inzwischen, dass sich die Union kaum noch um die
Gesichtswahrung des Partners sorgt. "Manchmal haben auch Wahlergebnisse
pädagogische Effekte", sagte der parlamentarischer Geschäftsführer der
Union, Peter Altmaier, am Dienstag über den Kursschwenk bei der FDP, mit
Blick auf deren schlechtes Abschneiden in NRW. Guido Westerwelle äußerte
sich zum Finanzthema nicht.
CDU und CSU hätten sich gerne auf die Forderung nach der Transaktionssteuer
festgelegt, die bei jedem Umsatz auf den Finanzmärkten anfällt und deshalb
das pausenlose Kaufen und Verkaufen von Wertpapieren unattraktiver macht.
Darauf wollte sich aber die FDP nach wie vor nicht einlassen. Sie bestand
darauf, auch die Finanzaktivitätssteuer in den Text hineinzuschreiben, eine
Abgabe auf Boni und Gewinne, die an den Geschäftsmodellen nichts ändert.
Offen bleibt auch, was geschieht, wenn eine globale Transaktionssteuer am
Widerstand der USA und Großbritanniens scheitert. Darüber will
Finanzminister Wolfgang Schäuble erst nach dem G-20-Gipfel im Juni
nachdenken. "Eine Einigung auf eine europäische Initiative können wir
frühestens ins Auge fassen, wenn sich bei dem G-20-Treffen herausstellen
sollte, es gibt diese Einigung nicht", sagte er beim der Treffen der
EU-Finanzminister in Brüssel.
Innenpolitisch hat der Koalitionskompromiss seinen Zweck schon erfüllt.
Dass die SPD dem Euro-Hilfspaket am Freitag im Bundestag zustimmt, ist nun
wahrscheinlich. Die Regierung habe "in atemberaubender Geschwindigkeit ihre
Haltung geändert", sagte der Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier.
Sein Stellvertreter Florian Pronold sagte der taz, Union und FDP hätten
sich innerhalb von zwei Wochen um 180 Grad gedreht. "Wenn der Kurs bis
Freitag beibehalten wird, ist unsere wichtigste Forderung für eine
Zustimmung erfüllt."
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und der österreichische Kanzler und
SPÖ-Chef Werner Faymann kündigten an, ein europaweites Volksbegehren zur
Einführung einer Transaktionssteuer beim Handel mit Finanzprodukten auf den
Weg zu bringen. Das Volksbegehren solle bis Ende des Jahres eingeleitet
werden, wenn die konservativ-liberalen EU-Regierungen bis dahin keine
Maßnahmen zur Regulierung der Finanzmärkte ergriffen hätten.
Bei der FDP forderte der Kurswechsel sein erstes Opfer. Der Abgeordnete
Frank Schäffler legte sein Amt als Obmann der Fraktion im Finanzausschuss
nieder. Anders als die Parteispitze wollte er den Kurswechsel nicht
schweigend hinnehmen.
19 May 2010
## AUTOREN
(DIR) R. Bollmann
(DIR) M. Lohre
(DIR) G. Repinski
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