# taz.de -- Ölpest im Golf von Mexiko: Schätzungen von BP ist nicht zu trauen
       
       > Am Golf von Mexiko tritt offenbar mehr Öl pro Stunde aus als bislang
       > angenommen. Präsident Barack Obama zitierte die Verantwortlichen des
       > Ölkonzerns BP am Mittwoch ins Weiße Haus.
       
 (IMG) Bild: Erschöpft vom Kampf gegen das Öl: US-Präsident Obama und Chef der Küstenwache Thad Allen
       
       WASHINGTON/ HOUSTON apn/dpa |Die Menge des sprudelnden Öls im Golf von
       Mexiko ist nach neuesten Expertenschätzungen wohl deutlich höher als
       bislang angenommen. Das von der US-Regierung gebildete Forscherteam zur
       Messung des Ölflusses korrigierte seine Zahlen am Donnerstag stark nach
       oben.
       
       Inzwischen gehen die meisten Schätzungen von einer Menge austretenden Öls
       aus, die pro Stunde höher ist als anfänglich für einen gesamten Tag
       angenommen wurde. Täglich traten demnach bis zu acht Millionen Liter aus,
       wie die Direktorin des Geologischen Dienstes, Marcia McNutt, sagte. Sie
       koordiniert die unterschiedlichen Schätzungen der Experten. Die Angaben
       gelten für den Austritt vor dem 3. Juni, als ein beschädigtes Steigrohr
       abgesägt und ein Absaug-Trichter über die defekte Bohrleitung gestülpt
       wurde. Nach dem Absägen trat nach Angaben des Konzerns BP bis zu 20 Prozent
       mehr Öl aus, über den Trichter wurden bislang mehr als elf Millionen Liter
       abgesaugt.
       
       "Das ist ein Alptraum, der jede Woche schlimmer wird", sagte Michael Brune,
       Direktor des Sierra Clubs. "Wir können den Schätzungen von BP über die
       Menge des austretenden Öls ganz offensichtlich nicht trauen." Die
       Schätzungen sind noch immer nicht endgültig, das Ozeanografische Institut
       Woods Hole etwa nannte noch höhere Zahlen: Zwischen 3,8 Millionen und acht
       Millionen Liter Öl träten demnach täglich aus - insgesamt somit bislang
       fast 400 Millionen Liter. Andere Experten sprechen von rund 240 Millionen
       Litern. Nach der Havarie der "Exxon Valdez" 1989 vor Alaska, der bisher
       schwersten Ölkatastrophe in US-Gewässern, strömten insgesamt 41 Millionen
       Liter Öl ins Meer, so viel wie den Schätzungen zufolge derzeit im Golf von
       Mexiko alle fünf bis 13 Tage.
       
       Die korrigierten Ergebnisse beruhen auch auf hochauflösenden Videos, die BP
       jüngst öffentlich machte. Sie gelten für den Zeitraum, bis der Konzern das
       defekte Steigrohr an der Quelle in 1500 Meter Tiefe ansägte und einen
       Deckel darauf platzierte. Seitdem fängt BP nach eigenen Angaben
       mittlerweile mehr als 2150 Tonnen Öl pro Tag ab.
       
       Am Wochenende will das Unternehmen ein zweites System testen, um die Menge
       des abgefangenen Öls auf etwa 3800 Tonnen täglich zu erhöhen. Das Öl soll
       in diesem Fall auf eine Plattform gesaugt und dann verbrannt werden.
       
       Viele Fischer in der Krisenregion, die ihren Lebensunterhalt verloren
       haben, klagen unterdessen darüber, dass der Konzern BP ihre Anträge auf
       Schadenersatz zu langsam bearbeite. Küstenwachen-Admiral Thad Allen, der im
       Auftrag von Präsident Barack Obama die Maßnahmen im Kampf gegen die Ölpest
       überwacht, forderte bei einem Treffen mit BP-Vertretern am Mittwoch
       (Ortszeit) mehr Transparenz bei der Abwicklung der Kompensationszahlungen.
       BP versprach, die Prozeduren zu beschleunigen. Nach Angaben des Konzerns
       liegen 42 000 Anträge vor und sind teils bereits bearbeitet worden. 53
       Millionen Dollar seien schon ausgezahlt worden, hieß es am Donnerstag.
       
       Obama sagt Hinterbliebenen der Ölarbeiter Hilfe zu
       
       US-Präsident Barack Obama versicherte unterdessen den Hinterbliebenen der
       elf Arbeiter, die bei der Explosion auf der Ölbohrplattform "Deepwater
       Horizon" getötet wurden, seine Unterstützung. Er empfing die Familien am
       Donnerstag im Weißen Haus, und Keith Jones, dessen Sohn am 20. April ums
       Leben kam, erklärte danach: "Er sagte uns, dass wir nicht vergessen
       werden." Das Treffen mit den Hinterbliebenen erfolgte am 51. Tag nach der
       Katastrophe. Zuvor informierte Obama die Führung des Kongresses über die
       Maßnahmen zur Bekämpfung der Ölpest.
       
       Zudem ließ er die Verantwortlichen des Ölkonzerns BP für kommenden Mittwoch
       zu Gesprächen über die Bekämpfung der Ölpest ins Weiße Haus bestellen. Ein
       entsprechendes Einladungsschreiben habe Allen an den BP-Vorsitzenden
       Carl-Henric Svanberg geschickt, hieß es am Donnerstag in Washington.
       
       Der US-Kongress stellte der Küstenwacht unterdessen mehr Geld für die
       Beseitigung der Ölpest zur Verfügung. Ein Gesetz, das die bisherige
       Obergrenze von hundert Millionen Dollar aufhebt, die die Küstenwacht aus
       einem Regierungsfonds nutzen konnte, wurde am Donnerstag an Obama
       weitergeleitet. Ansonsten wäre der Küstenwacht in der kommenden Woche das
       Geld ausgegangen, erklärte der Abgeordnete James Oberstar, der Vorsitzende
       des Verkehrsausschusses des Repräsentantenhauses.
       
       US-Präsident Obama will sich am Montag und Dienstag kommender Woche erneut
       vor Ort ein Bild von der Lage machen, außerdem schickte er seine
       Arbeitsministerin Hilda Solis nach Louisiana. Sie traf sich dort mit
       Hilfsmannschaften, die die verseuchten Küsten säubern - zum Teil auf Kosten
       ihrer Gesundheit. Der größte Teil der Ölpest-Kranken gehörte diesen
       Reinigungstrupps an.
       
       11 Jun 2010
       
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