# taz.de -- Netzneutralität wird verhandelt: Google gegen die Freiheit im Netz
       
       > Zum Thema offenes Internet veröffentlicht Google ein Manifest –
       > ausgerechnet zusammen mit dem größten US-Telekom-Konzern Verizon. Das
       > verheißt nichts Gutes.
       
 (IMG) Bild: Was darf durchs Netz – und wie schnell?
       
       BERLIN taz | Noch vergangene Woche hatten sich Google und Verizon
       angestrengt bemüht, Gerüchte [1][über eine gemeinsame Strategie] bei der
       umkämpften Netzneutralität zu zerstreuen. Nun ist klar: Die größte
       Suchmaschine der Welt und der größte US-Telekommunikationsanbieter haben
       hinter verschlossenen Türen doch ein gemeinsames Papier ausgekungelt, das
       sie am Montagabend vorlegten.
       
       Mit ihrem [2]["gemeinsame Vorschlag für ein offenes Internet"] wollen die
       Konzerne offenbar die Richtung für eine offizielle Regulierung durch die
       US-Telekommunikationsaufsicht FCC vorgeben. Das so genannte "Manifest"
       wiederholt die Formulierung "offen" auffallend häufig. Demnach sprechen
       sich die beiden Konzerne für einen Erhalt der Netzneutralität aus. So dürfe
       ein Breitband-Anbieter nicht einzelne Websites oder Inhalteanbieter
       bevorzugen, solange diese dem Netzwerk oder Nutzern keinen Schaden
       zufügten. "Es darf keine Diskriminierung geben."
       
       Allerdings lassen Google und Verizon mehrere Hintertüren offen. So sollen
       Firmen wie Verizon zwar im Festnetz-Internet ihren "klassischen
       Breitbanddienst" nicht verändern dürfen, also beispielsweise ungeliebte
       Konkurrenten ausbremsen und Jungfirmen ihre Chancen nehmen. Doch bei so
       genannten "neuen Diensten" – im Papier "differenzierten Online-Services"
       genannt –, sollen die Telekom-Riesen künftig komplett selbst entscheiden
       dürfen, was sie durchleiten und was nicht. Kritiker fürchten, dadurch könne
       mit der Zeit das Internet sich wieder in einzelne Online-Diensten
       fragmentieren, wie sie bis Mitte der Neunzigerjahre vorherrschten.
       
       Zudem sollen die Regeln eines offenen Netzes auch nicht für das mobile
       Internet gelten. Dieser Bereich erlebe "mehr Wettbewerb" und "verändere
       sich schnell", heißt es in der mehr als fadenscheinigen Begründung. Dabei
       ist das Drahtlos-Netz in den USA genauso wie in den meisten anderen Ländern
       der Welt jeweils nur auf eine Handvoll Betreiber beschränkt, die gerne auch
       noch ähnliche Preise verlangen. Wettbewerb sieht anders aus – zumal das
       mobile Internet seit Jahren weiterhin viel teurer ist als das
       drahtgebundene.
       
       Faktischwürde dies bedeuten, dass Verizon laut dem Manifest beispielsweise
       unliebsame Dienste wie Internet-Telefonie blockieren dürfte, wenn sie im
       Wettbewerb zum eigenen lukrativen Sprachservice stehen – oder Online-Chats,
       die SMS-Einnahmen gefährden.
       
       Interessant an dem Verizon-Google-Papier ist vor allem die Frage, warum
       sich der Internet-Riese so sehr an den US-Telekom-Giganten anschmiegt.
       Google könnte ohne Probleme weiterhin wie bisher für die Regeln eines
       offenen Netzes eintreten, das die Firma großgemacht hat. Es gibt keinen
       echten Grund für ein Abrücken, zumal dieser Biss in den verbotenen Apfel
       noch unangenehme Konsequenzen für den Rest des Netzes haben könnte.
       
       Warum Google sich auf die gemeinsame Lobby-Arbeit mit Verizon einlässt,
       darüber lässt sich nur spekulieren: Eine Möglichkeit wäre, dass der
       Internet-Konzern den Telekommunikationsriesen braucht, um seine
       Mobilfunkplattform Android weiter durchzusetzen und damit Apples iPhone
       Konkurrenz zu machen.
       
       Die Reaktionen im Netz auf den Verizon-Google-Deal fielen nach
       Bekanntwerden am Montagabend jedenfalls verheerend aus. Im [3][offiziellen
       Google-Blog] machten Kommentatoren ihrem Unmut Luft. "Google hat letzte
       Woche gelogen", hieß es zum Beispiel oder "Was für ein Ausverkauf!". Kritik
       wurde auch am Begriff der "legalen Inhalte" laut, die allein unter das
       Netzneutralitätsgebot fallen sollen. "Das bedeutet, dass die zentralen
       Behörden Dinge wie Wikileaks für illegal erklären und abschalten können",
       schrieb ein User. Ein anderer meinte: "Leute, wacht auf. Google ist
       wirklich böse."
       
       Vor allem Online-Aktivisten, die bislang annahmen, den Internet-Riesen auf
       ihrer Seite zu haben, zeigten sich am Montagabend schwer enttäuscht. "Der
       Vorgang beweist, dass Kunden, die Netzneutralität wünschen, sich nicht auf
       große Firmen verlassen können", sagte ein Sprecher der Initiative "Public
       Knowledge" gegenüber taz.de. Dort hofft man nun darauf, dass die zuständige
       Regulierungsbehörde FCC sich nicht auf die Vorstellungen von Google und
       Verizon einlässt, sondern strikte Neutralitätsregeln aufstellt. Das ist
       jedoch alles andere als sicher.
       
       Die gemeinsame Position eines Internet-Riesen und eines bedeutenden
       Telekom-Konzerns könnte auch Auswirkungen auf den europäischen Markt haben.
       Dort wird ein Recht auf Netzneutralität bislang nur debattiert.
       
       10 Aug 2010
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /1/netz/netzoekonomie/artikel/1/wer-zahlt-sendet-schneller/
 (DIR) [2] http://www.scribd.com/doc/35599242/Verizon-Google-Legislative-Framework-Proposal
 (DIR) [3] http://googlepublicpolicy.blogspot.com/2010/08/joint-policy-proposal-for-open-internet.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ben Schwan
       
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