# taz.de -- Prozess in der Türkei: Dogan Akhanli angeklagt
> Der Schriftsteller Dogan Akhanli soll in der Türkei vor Gericht gestellt
> werden. Freunde und Kollegen Akhanlis sehen rein politische Motive für
> die Anklage.
(IMG) Bild: Dogan Akhanli ist seit dem 10. August in Haft. Nun wird er angeklagt - auf Basis zweifelhafter Beweise.
ISTANBUL taz | Der vor einem Monat in der Türkei verhaftete deutsche
Schriftsteller Dogan Akhanli soll im Gefängnis bleiben. Wie gestern bekannt
wurde, fordert der Staatsanwalt eine lebenslängliche Freiheitsstrafe gegen
Akhanli, weil dieser als Kopf einer "terroristischen Gruppe" den Umsturz
der verfassungsmäßigen Ordnung der Türkei angestrebt habe. Das Gericht hat
die Anklage akzeptiert. Wann der Prozess beginnen soll, steht noch nicht
fest.
Dogan Akhanli war am 10. August bei der Einreise in die Türkei verhaftet
worden. Angeblich wurde er gesucht, weil er 1989 an einem Überfall auf eine
Wechselstube beteiligt gewesen sein soll, bei dem der Besitzer getötet
wurde. Der einzige Zeuge, der ihn damals auf einem Foto erkannt haben will,
einer der Söhne des getöteten Wechselstubenbesitzers, hat mittlerweile nach
einer neuerlichen Gegenüberstellung seine Aussage von 1992 zurückgezogen.
Er konnte Akhanli nicht als Beteiligten identifizieren.
Trotzdem hielt die Staatsanwaltschaft an ihrer Behauptung fest, Akhanli sei
einer der Täter gewesen, und erweiterte die Anklage sogar noch, weil der
Überfall angeblich politisch motiviert war und dazu habe dienen sollen, die
Kasse einer "Terrororganisation" zu füllen.
Akhanli bietet sich für einen solchen Prozess an, weil er nach dem Putsch
1980 als Mitglied einer linken Organisation untergetaucht war, 1984
verhaftet wurde und danach mehrere Jahre im Gefängnis saß. Er floh 1992 aus
der Türkei und bekam in Deutschland politisches Asyl. Die Türkei bürgerte
ihn schließlich 1998 aus und Akhanli wurde deutscher Staatsbürger.
Er hat in Deutschland angefangen zu schreiben und mittlerweile mehrere
erfolgreiche Bücher vorgelegt. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist der
Völkermord an den Armeniern in der Türkei. Er engagiert sich auch in einem
Verein, Recherche international, der politisch auf die Genozide des 20.
Jahrhunderts aufmerksam macht. Freunde von ihm in Köln, wo Akhanli lebt,
sind überzeugt, dass sein politische Arbeit der eigentliche Grund für
Verhaftung und Anklage ist. Auch sein türkischer Verleger, Ragip Zarakoglu,
hält die Anklage für konstruiert - an Akhanli solle ein Exempel statuiert
werden.
Nach der Anklageerhebung sagte Akhanli seinem Anwalt, er habe sich ja bei
seiner Reise in die Türkei, die dazu dienen sollte, seinen kranken Vater
noch einmal zu treffen, auf Schwierigkeiten gefasst gemacht, von der
jetzigen Entwicklung sei er aber total "geschockt".
8 Sep 2010
## AUTOREN
(DIR) Jürgen Gottschlich
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