# taz.de -- Deutsch-türkischer Schriftsteller verhaftet: Dürftige Indizien
> 19 Jahre war Dogan Akhanli nicht mehr in der Türkei, als politischer
> Flüchtling hatte er 2001 die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Bei
> seiner Einreise wurde er jetzt in Istanbul verhaftet.
(IMG) Bild: Türkische Behörden werfen ihm einen Raubüberfall vor, Freunde vermuten jedoch politische Motive: der Schriftsteller Dogan Akhanli.
ISTANBUL taz | Der deutsch-türkische Schriftsteller Dogan Akhanli ist in
der Türkei verhaftet worden. Als Dogan Akhanli am 10. August von Köln
kommend in Istanbul landete, kam er nicht weit. Schon bei der Passkontrolle
wurde er an die Seite genommen und ihm ein Haftbefehl präsentiert. Seitdem
sitzt Akhanli in Untersuchungshaft. Der zuständige Haftrichter hat zwei Mal
eine Freilassung aus der U-Haft abgelehnt und Dogan Akhanli vom
Untersuchungsgefängnis Mertris in Istanbul in ein Gefängnis nach Tekirdag,
westlich von Istanbul verlegen lassen.
Akhanli wird vorgeworfen, 1989 an einem Raubüberfall auf eine Wechselstube
beteiligt gewesen sein. Der Beschuldigte weist diesen Vorwurf zurück, er
habe von dieser Sache noch nie gehört, geschweige denn daran teilgenommen.
Freunde von ihm aus Köln - darunter auch der Schriftsteller Günther
Wallraff - setzen sich für seine Freilassung. Sie verweisen darauf, dass
Akhanli sich in seinen Romanen und mit seinem menschenrechtlichen
Engagement wie als Mitarbeiter des gemeinnützigen Vereins "Recherche
International" für das Gedenken an die Genozide des 20. Jahrhunderts
einsetzt und deshalb auch den Völkermord an den Armeniern immer wieder
thematisiert hat.
Tatsächlich ist der Fall Dogan Akhanli ein weiteres Beispiel für die
politische Justiz in der Türkei seit dem Militärputsch 1980. Er war als
Student Mitglied der maoistischen TDKP und ging nach dem Putsch am 12.
September 1980 in den Untergrund. 1984 wurde er in Izmir verhaftet, wohin
ihn seine Partei geschickt hatte, um dort eine neue Gruppe aufzubauen. Es
gab mehrere Gerichtsverhandlungen, Akhanli saß drei Jahre im Gefängnis und
wurde in dieser Zeit auch gefoltert.
Obwohl seine Organisation nie als "Terrororganisation" eingestuft worden
war, erhielt er eine lange Haftstrafe. Als er 1988 vorübergehend wieder
freikam, ging er erneut in den Untergrund. Drei Jahre später floh er mit
gefälschten Papieren aus der Türkei nach Deutschland. Dogan Akhanli wurde
als politischer Flüchtling anerkannt, die Türkei bürgerte ihn aus, seit
2001 ist er deutscher Staatsbürger.
Dogan Akhanli war seit 1991 nicht mehr in der Türkei. In der Zwischenzeit
ist seine Mutter gestorben, sein Vater ist 91 Jahre alt und sehr krank. Um
ihn zu sehen, hatte er sich entschlossen, nach knapp 20 Jahren eine
Wiedereinreise zu wagen. Zuvor hatte er über einen Anwalt vorfühlen lassen,
ob ihm noch etwas vorgeworfen wird, doch der hatte keine hinreichende
Auskunft bekommen. Akhanli wusste aber, dass seine Strafen von 1987
verjährt oder amnestiert waren.
Der Vorwurf, er habe an einem Raubüberfall teilgenommen, stammt von einem
Zeugen, der Akhanli 1992 unter Folter belastet hatte. Daraufhin hatte ihn
ein Sohn des Wechselstubenbesitzers, der bei dem Überfall erschossen wurde,
auf einem alten Foto angeblich erkannt. Trotz dieser überaus dürftigen
Indizien hat der zuständige Haftrichter eine Freilassung Akhanlis bislang
abgelehnt. Mittlerweile sind dem Sohn des Opfers und dessen Bruder erneut
Fotos von Akhanli vorgelegt worden und beide konnten ihn nicht mehr als
Täter identifizieren. Trotzdem bleibt Dogan Akhanli in Haft.
26 Aug 2010
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