# taz.de -- Jüdische Siedlungen: Die Arbeiter sind schon bestellt
       
       > Von den Siedlern ist das Ende des Baustopps heiß ersehnt worden. Ihr
       > Zuhause soll sich vergrößern. Zwei-Staaten-Lösungen finden sie gut - aber
       > bitte nicht im Westjordanland.
       
 (IMG) Bild: Landarbeit in einem Außenposten der Siedlung Tekoa im Westjordanland.
       
       TEKOA taz | "Die Bauarbeiter sind bestellt", frohlockt Judith Amichai vor
       dem Grundstück, auf dem ihre Tochter Ortal eines Tages ihr eigenes Heim
       haben soll. Nicht mehr als eine Furche schafften die Arbeiter, ehe die
       Aufsichtsbeamten den Traktor konfiszierten. "Wir hatten gerade mit dem Bau
       angefangen, als alle Neubauten eingefroren wurden", schimpft Mutter Amichai
       aus der Siedlung Tekoa bei Bethlehem.
       
       Sonntag um Mitternacht lief das auf zehn Monate angelegte Moratorium aus.
       "Wenn alles gutgeht, kann Ortal schon im Frühjahr in ihr neues Haus
       einziehen." Vorläufig wohnt die 26-Jährige mit Mann und zwei kleinen
       Kindern bei ihren Eltern.
       
       Der 26. September, das Ende des Moratoriums, droht die erst Anfang
       September wieder aufgenommenen Friedensgespräche gleich wieder zu beenden.
       Die PLO, Verhandlungspartner Israels, hatte eine Fortsetzung des Baustopps
       zur Bedingung gemacht. Das jedoch, so machte der israelische
       Premierminister Benjamin Netanjahu [1][im Vorfeld der neuen Gespräche klar,
       werde nicht passieren].
       
       Vergangene Woche signalisierte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas indes
       erneut Flexibilität. Eine Wiederaufnahme des Baugeschehens werde die
       Verhandlungen nicht zwingend beenden, meinte er, sondern nur "sehr
       erschweren".
       
       Die USA hofften bis zuletzt auf einen Kompromiss. Möglich wäre, dass nur in
       den sogenannten Siedlungsblöcken, die wahrscheinlich im Rahmen einer
       endgültigen Lösung ohnehin Israel angegliedert werden, weitergebaut werden
       darf, während das Moratorium für die isolierten Siedlungen weiterhin gilt.
       Die Siedlung Tekoa liegt im östlichen Winkel des "Siedlungsblocks" Gusch
       Etzion und könnte zum Streitpunkt werden, wenn über den Grenzverlauf
       verhandelt wird.
       
       "Wir haben uns darauf verlassen, dass nach zehn Monaten weitergebaut wird",
       sagt Judith Amichai, die nicht daran glaubt, dass territoriale Kompromisse
       eine Lösung sind. "Ob hier gebaut wird oder nicht, ändert nichts am
       Frieden." Den Bau der Häuser einzufrieren, empfindet sie als "reine
       Zeitverschwendung".
       
       Gut 2.000 neue Bauten stehen im Westjordanland an. Für Tekoa hatte die
       Regierung unter Jitzhak Rabin schon vor 15 Jahren den Plan für das Bauland
       abgesegnet. "Hier unten sind 58 Bauplätze", zieht Judith Amichai mit dem
       Arm einen großen Kreis um das Grundstück ihrer Tochter, "und dort hinten
       sind nochmal 60 Einfamilienhäuser geplant." Mit attraktiven Preisen, die
       mit umgerechnet 40.000 Euro für einen Bauplatz etwa ein Fünftel des Preises
       für ein vergleichbares Grundstück in Israel ausmachen, lockt die Siedlung
       vor allem junge Familien aus Jerusalem und Umgebung.
       
       Ein grünes Licht für die Neubauten ist das Gesprächsthema Nummer eins in
       der Siedlung. Auf dem Nachbargrundstück der Amichais steht ein Mann und
       betrachtet sichtlich zufrieden sein Bauland. Um die verpasste Zeit
       aufzuholen, setzen viele Familien auf schnelle Fertigbauten. Schon
       innerhalb von zwei Monaten soll, so versprechen Unternehmen, das Traumhaus
       stehen. Die Siedler stehen unter Druck. Niemand weiß, wann der nächste
       Baustopp kommt.
       
       Dass die PLO zum Einlenken bereit war und von der Vorbedingung des
       Einhaltens des Baustopps, wofür sie breite internationale Rückendeckung
       genießt, momentan abrückt, mag die akute Krise beilegen. Die latente
       Bedrohung für eine Fortsetzung der Verhandlungen bleibt jedoch bestehen,
       solange es keine Einigung darüber gibt, in welchem Umfang in welchen
       Siedlungen gebaut werden darf. Die Fernsehbilder der Traktoren, die in die
       Siedlungen zurückkehren, werden es dem Palästinenserpräsidenten nicht
       gerade leichter machen, seine Fatah-Partei und die PLO bei der Stange zu
       halten. Kritiker sind der Ansicht, dass Abbas die Verhandlungen gar nicht
       erst hätte aufnehmen dürfen.
       
       Netanjahu wiederum hat vor allem innerhalb seiner Partei zu kämpfen, in der
       die schärfsten Gegner des Baustopps sitzen. "Er ist uns in den Rücken
       gefallen", schimpft Judith Amichai. Seit 35 Jahren lebt sie schon in Tekoa.
       Nur dass die arabischen Ortschaften immer näher rücken, scheint ihr Sorgen
       zu bereiten. "Als wir herkamen, waren dort drüben drei Häuser", deutet die
       Siedlerin auf die Vororte Bethlehems. "Bei denen kommt niemand auf die
       Idee, einen Baustopp zu fordern." Die Lösung zweier Staaten für zwei Völker
       findet Judith Amichai prinzipiell gut, nur nicht in Israel und Palästina.
       "Wir bleiben hier", schlägt sie vor, "und die Palästinenser bekommen den
       Sinai."
       
       27 Sep 2010
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Knaul
       
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