# taz.de -- Protestdemo gegen "Stuttgart 21": "Keine Chance auf Gespräche"
> Zehntausende Stuttgarter demonstrierten am Freitagabend friedlich gegen
> das Bahnhofsprojekt "Stuttgart 21". Dabei machten sie klar, dass die
> Bäume zwar tot sind, ihre Bewegung aber nicht.
(IMG) Bild: Großdemonstration nach der Eskalation am Donnerstag im Schlossgarten.
STUTTGART taz | Die Gegner des Milliardenprojekts "Stuttgart 21" haben am
Freitagabend ihre Antwort auf die Eskalation und das massive Vorgehen der
Polizei vom Vortag gegeben: Mit nach Veranstalterangaben rund 100.000
Demonstranten haben sie sich ihren Schlossgarten bunt und friedlich
zurückerobert. Es war ein eindrucksvoller Protest gegen die Abholzung der
Bäume, die für den Bau des neuen Tiefbahnhofs weichen müssen, und gegen die
Vorwürfe seitens der Polizei und der Landesregierung, die Demonstranten
seien am Donnerstag gewalttätig vorgegangen.
"Gestern haben wir die ausgestreckte Hand von Ministerpräsident Stefan
Mappus zu spüren bekommen. Diese ausgestreckte Hand hatte Knüppel in der
Faust", sagte Gangolf Stocker vom Aktionsbündnis gegen "Stuttgart 21" bei
der Protestkundgebung. Seit Donnerstag sei alles klar: "Sie möchten
Stuttgart 21 durchsetzen, wir wollen es verhindern. Im Moment sehe ich
überhaupt keine Chance für Gespräche."
Am Donnerstag war der Streit um das Bahnprojekt endgültig eskaliert. Die
Polizei war mit Wasserwerfern und Pfefferspray gegen die Demonstranten
vorgegangen, um einen Teil des Schlossgartens für die Baumfällungen
abzusperren. Dabei gab es mehrere hundert Verletzte, viele mit
Augenverletzungen.
Auch Kinder, Jugendliche und Ältere wurden nach Zeugenaussagen von der
Polizei angegangen. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag begannen dann
die ersten Baumfällungen. Öffentliche Kritik wurde vor allem daran geübt,
dass die Polizei mit ihren Hundertschaften ausgerechnet dann angerückt war,
als eine angemeldete Schülerdemonstration in der Stadt stattfand. Die
Polizei und die schwarz-gelbe Landesregierung fanden den Einsatz
verhältnismäßig.
"Das sind nicht nur Gesten von Macht", sagte Stocker am Freitagabend. "Das
sind auch Gestern der Panik." Vor allem deshalb, weil die Landtagswahl vor
der Tür stünde. Im März nächsten Jahres wird in Baden-Württemberg ein neues
Parlament gewählt. Nach aktuellen Umfragen würden CDU und FDP zusammen
erstmals nicht mehr die Mehrheit erzielen. "Stellt euch vor, es ist Wahl
und wir gehen hin", stand auf einem Protestplakat.
"Wer meint, mit den Bäumen sei auch unsere Bewegung gestorben, der hat sich
gründlich verrechnet", sagte die Stuttgarter Pfafferin Guntrun
Müller-Enßlin auf der Kundgebung. Die Politiker hätten am Donnerstag ihr
wahres Gesicht gezeigt. "Wer denken kann, der zieht seine Rückschlüsse
daraus." Auch lobte sie den Mut der Jugendlichen von der
Schülerdemonstration. "Ich bin stolz auf diese Jugendlichen, die für ihre
Überzeugungen eintreten, die für ihr friedliches Demonstrationsrecht
einstehen und nicht das Feld geräumt haben", so Müller-Enßling. "Hut ab vor
dieser Jugend!"
Nach der etwa eineinhalbstündigen Kundgebung machte sich die Menschenmasse
als Demonstrationszug auf den Weg durch Stuttgarts Innenstadt. Als bereits
der Großteil den Schlossgarten verlassen hatte, gingen dort plötzlich die
Lichter auf der Baustelle wieder an. Diese wurde nach wie vor von der
Polizei abgesperrt. Die Organisatoren hielten es deshalb zunächst für
angebracht, dass ein Teil der Demonstranten besser vor Ort bleibe. Doch
viel tat sich nicht in dem abgesperrten Bereich hinter der Polizeikette.
Im Nachhinein vermuteten viele, dass es ein gezieltes Ablenkungsmanöver der
Projektträger gewesen sei, um Demonstranten zahlreich aus der Innenstadt
fern zu halten - allein schon deshalb, weil beim Demozug die Teilnehmerzahl
ermittelt werden sollte. Dies ist den Veranstaltern deshalb besonders
wichtig, da die Zahlen seit Wochen immer wieder für Diskussionsstoff
sorgen. Die Zahlen der Polizei sind nach jeder Demonstration deutlich
geringer als die der Veranstalter. An diesem Freitag zählte sie 50.000.
Nachdem schließlich auch der Demozug den Schlossgarten wieder erreicht
hatte, feierten dort viele noch bis tief in die Nacht ein buntes Fest.
Provozieren lassen wollen sie sich nicht.
2 Oct 2010
## AUTOREN
(DIR) Nadine Michel
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(DIR) Schwerpunkt Stuttgart 21
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