# taz.de -- "Stuttgart 21"-Äußerung von Grube: Gegner drohen Bahn mit Boykottaufruf
       
       > Bahnchef Grube hat den Gegnern des Bahnhofbaus in Stuttgart das Recht
       > abgesprochen, sich gegen das Projekt einzusetzen. Diese erwägen nun, eine
       > Aktion "Tag ohne Bahn" auszurufen.
       
 (IMG) Bild: "Ein Widerstandsrecht gegen einen Bahnhofsbau gibt es nicht": Bahnchef Rüdiger Grube.
       
       BERLIN dpa/ dapd | Bahnchef Rüdiger Grube hält den Widerstand der Gegner
       des umstrittenen Bahnprojekts Stuttgart 21 für nicht gerechtfertigt. "Ein
       Widerstandsrecht gegen einen Bahnhofsbau gibt es nicht", sagte Grube der
       "Bild am Sonntag". "Bei uns entscheiden Parlamente, niemand sonst." Das
       Projekt sei demokratisch ausreichend legitimiert.
       
       Grube warnte auch mit Blick auf andere Projekte dieser Art in ganz
       Deutschland vor einem Scheitern von Stuttgart 21. "Es gehört zum Kern einer
       Demokratie, dass solche Beschlüsse akzeptiert und dann auch umgesetzt
       werden. Sonst werden bei uns keine Brücke, keine Autobahn und kein
       Windkraftpark mehr gebaut", so Grube. Die Bahn sei daher nach wie vor
       entschlossen, Bahnhof und Neubaustrecke zu bauen. "Das ist wichtig für die
       Region und Deutschland", betonte Grube.
       
       Mit scharfer Kritik haben die Gegner von Stuttgart 21 auf die Äußerung des
       Bahnchefs reagiert. Einer der Initiatoren des Protests, Gangolf Stocker,
       sagte am Sonntag, über das Recht auf Widerstand bestimme immer noch das
       Grundgesetz und nicht der Bahnchef. Er fügte hinzu: "Das ist Demokratie aus
       Sicht eines Industriellen." Verwundert sei er allerdings nicht über die
       Aussage, denn "von Grube bin ich schon alles gewohnt".
       
       Laut Stocker erwägen die Gegner, einen Boykott der Deutschen Bahn
       auszurufen. Die Aktion "Tag ohne Bahn" sei aber noch in der Diskussion.
       "Wir wollen eigentlich die Bahn treffen und nicht die Kunden", betonte
       Stocker.
       
       Grünen-Chef Cem Özdemir ist der Ansicht, dass auch angesichts der
       gewalttätigen Auseinandersetzungen der Bahnhofsbau nicht mehr durchsetzbar
       sei. "Stuttgart 21 kann nicht gegen friedliche Demonstranten durchgeprügelt
       werden", so der Grünen-Parteivorsitzende. Baden-Württembergs
       Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) warf den Grünen vor, einen
       unangemessenen außerparlamentarischen Widerstand zu organisieren. Für eine
       schwarz-grüne Koalition im Land sieht er kaum noch Chancen.
       
       Die Auseinandersetzung um "Stuttgart 21" war am Donnerstag eskaliert. Bei
       einer Demonstration war die Polizei mit Wasserwerfern und Pfefferspray
       gegen die Protestierenden vorgegangen. Mehr als hundert Menschen wurden
       verletzt. Eine neuerliche Versammlung der "Stuttgart 21"-Gegner am Freitag
       mit mehreren zehntausend Teilnehmern bleib friedlich. Am Samstag war die
       Lage in Stuttgart zunächst ruhig. Gegner des Projekts diskutierten mit
       Befürwortern. Am Abend waren noch etwa 1.000 Demonstranten im Schlosspark.
       Sie hatten unterer anderem Kerzen um die Bäume gestellt.
       
       Mappus bedauerte, dass es Verletzte gegeben hatte. Es dürfe keine weitere
       Eskalation geben, mahnte er. Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech
       (CDU) verteidigte das Vorgehen der Polizei erneut. Er habe "keine Zweifel",
       dass die Polizei "rechtmäßig gehandelt" habe. Verwirrung sorgte er zunächst
       mit der Aussage, er scheue persönlich keinerlei Konsequenzen, sollte sich
       erweisen, dass die Polizei unverhältnismäßig agiert habe. Das
       Innenministerium stellte kurze Zeit später in einer Mitteilung klar, dass
       Rech einen Rücktritt ausschließe.
       
       Einem "Spiegel"-Bericht zufolge gehen die folgenschweren Zusammenstöße am
       Donnerstag auch auf eine Änderung bei der Einsatzplanung der Polizei
       zurück. Weil am Tag zuvor im Internet bereits davor gewarnt worden sei,
       dass die Beamten die Baustelle ab 15 Uhr absichern würden, seien die
       Polizisten schon um 10 Uhr vorgerückt, sagte Stuttgarts Polizeipräsident
       Siegfried Stumpf dem Nachrichtenmagazin. Dabei wurde dem Bericht zufolge
       nicht berücksichtigt, dass sich eine angemeldete Schülerdemonstration in
       die Nähe des Schlossgartens bewegte. Als die Schüler den Polizeieinsatz
       bemerkten, seien viele der jungen Protestler zu den Bäumen geströmt. Um die
       gesamte Bauaktion zu stoppen, war es laut Stumpf zu spät.
       
       Das Stuttgarter Innenministerium betonte, Minister Rech habe am Donnerstag
       keinen Auftrag an den Polizeiführer des Einsatzes im Schlosspark gegeben.
       Dieser habe vielmehr selbst entschieden. Auch habe das Polizeipräsidium
       Stuttgart bei seiner Einsatzplanung die angemeldete Schülerdemonstration
       berücksichtigt.
       
       Zudem wurde bekannt, dass vor der Baumfällaktion das zuständige
       Eisenbahn-Bundesamt Zweifel angemeldet hatte. Anlass für die Zweifel war
       unter anderem das Vorkommen des seltenen Juchtenkäfers auf dem betroffenen
       Areal des Stuttgarter Schlossgartens. In einem Schreiben hatte die Behörde
       die Bahntochter DB Projektbau noch am Donnerstag aufgefordert, ihr weiteres
       Vorgehen vor dem Fällen der Bäume aus Naturschutz-Gründen mit dem
       Regierungspräsidium Stuttgart, der Bezirksstelle für Naturschutz und
       Landschaftspflege Stuttgart und dem Bundesamt abzustimmen.
       
       Eine Sprecherin der Bahn sagte dazu am Samstag: "Das Eisenbahn- Bundesamt
       hat keinen Stopp der Fällarbeiten verfügt." Wenige Stunden vor Beginn der
       Rodung am Freitagmorgen habe es noch Gespräche gegeben, in denen nach dem
       Schreiben noch offene Fragen geklärt worden seien. Die
       Naturschutzorganisation BUND bewertete die Aktion dennoch als illegal.
       
       In dem Brief des Eisenbahn-Bundesamtes hatte es geheißen: "Im Zusammenhang
       mit den bevorstehenden Baumfällarbeiten im Schlosspark weise ich darauf
       hin, dass Sie mit den Baumfällarbeiten nicht beginnen dürfen, bevor diese
       konkreten Ausführungsunterlagen dem Eisenbahn-Bundesamt vorgelegt wurden."
       Ein Gutachten habe ergeben, dass zum Schutz des schwarzen Juchtenkäfers
       einige Bäume stehen bleiben oder beispielsweise Käfer samt Larven
       umgesiedelt werden müssten. Auch Untersuchungen zu Fledermäusen oder zur
       Hohltaube seien beim weiteren Vorgehen zu berücksichtigen. Das Bundesamt
       müsse über das weitere Vorgehen bis zum kommenden Freitag (8. Oktober)
       informiert werden, um mögliche Konflikte mit dem Naturschutz beurteilen zu
       können, hieß es in dem Brief weiter.
       
       Nach Bedenken der Naturschutzverbände prüfe die ökologische Bauüberwachung
       der Bahn derzeit mögliche artenschutzrechtliche Beeinträchtigungen während
       der Fällarbeiten. "Über etwaige weitere Schritte wird dann entschieden
       werden", betonte das Eisenbahn-Bundesamt in Bonn.
       
       Der BUND-Landesgeschäftsführer Berthold Frieß sagte: "Ich bin der Meinung,
       und ich habe es auch mit dem Rechtsanwalt gegengecheckt, dass die
       Baumfällaktion illegal war." Er ist der Ansicht, das Schreiben des
       Eisenbahn-Bundesamtes sei eine Reaktion auf einen BUND-Eilantrag gegen die
       Baumfällung. Dass alle Zweifel in den weniger Stunden zwischen Brief und
       Fällarbeiten ausgeräumt worden seien, bezweifelt er.
       
       3 Oct 2010
       
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