# taz.de -- Künast nominiert: Der Wettlauf beginnt
       
       > Grüne nominieren ihre Bundestagsfraktionschefin Renate Künast fast
       > einstimmig für den Posten der Regierenden Bürgermeisterin. Parteichefin
       > warnt vor zu großer Siegeszuversicht.
       
 (IMG) Bild: Die nun ganz offiziell Nominierte im Kreise ihrer Partei.
       
       "Und die wollen regieren?" So richtig kann sich die Kollegin auf der
       Pressebank das nicht vorstellen. Erst gibt's beim Grünen-Parteitag am
       Sonntag zu wenig Stromleitungen, dann kein Kaffee-Nachschub im Foyer. Und
       über eine Dreiviertelstunde nach angekündigten Beginn geht es noch immer
       nicht los, weil die Tagesordnung weiterhin fehlt - der Drucker sei
       überlastet. So können all jene beruhigt aufatmen, die schon befürchtet
       hatten, die Grünen könnten als Regierungspartei in spe plötzlich pünktlich
       und organisiert werden - und langweiligen Sekundärtugenden verfallen.
       
       Renate Künast, Chefin der grünen Bundestagsfraktion, hatte am Freitag im
       Museum für Kommunikation ihre Bereitschaft verkündet, bei der Wahl im
       September 2011 für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin zu kandidieren.
       In den Uferstudios in Wedding, einem ehemaligen Bus-Instandsetzungswerk und
       jetzigem Kreativstandort, machen am Sonntag über 150 Delegierte aus dieser
       Bereitschaft eine offizielle Nominierung, ohne Gegenstimme und bei nur
       einer Enthaltung. Künast war bereits in den 90er-Jahren Spitzenkandidatin
       der Grünen für die Abgeordnetenhauswahl - aber angesichts der damaligen
       Wahlergebnisse ohne Anspruch auf den Chefposten im Roten Rathaus. Aktuell
       hingegen führen die Grünen mit bis zu 30 Prozent klar vor der SPD und
       könnten sich aussuchen, ob sie mit Sozialdemokraten, CDU oder Linkspartei
       koalieren.
       
       Entsprechend euphorisch ist die Stimmung beim Parteitag. Jetzt werde auch
       der immer noch rot genannte Wedding grün, ruft die Landesvorsitzende Irma
       Franke-Dressler zur Begrüßung den Delegierten zu. Das soll schon an den
       grünen Bärentatzen abzulesen sein, die vor dem Sitzungssaal aufgeklebt
       sind. Wie um sich selbst und ihre Parteifreunde zu bremsen, warnt
       Franke-Dressler aber vor zu großer Siegeszuversicht: "Das wird keine
       gemütliche Kutschfahrt zum Roten Rathaus, das dann grün werden soll,
       sondern eine anstrengende Ochsentour."
       
       Künast geht in die gleiche Richtung. "Wir halten Bodenkontakt", sagt sie in
       einer Rede kurz vor ihrer Nominierung. Und schwört die Grünen - ohne den
       Begriff Volkspartei zu verwenden - darauf ein, sich mit einer Rolle als
       breit aufgestellter Partei anzufreunden. Es gehe nicht um einzelne
       Projekte, sondern darum, Verantwortung für die gesamte Stadt zu übernehmen.
       "Die Berliner Grünen sind bereit, diese Verantwortung anzunehmen", sagt
       Künast und wehrt sich damit zugleich gegen den Vorwurf der Klientelpolitik.
       Den hatte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) geäußert, der
       ihr im Spiegel vorwarf, sie habe bei ihrer Rede am Freitag "einfach vielen
       vieles verheißen". Wenn es wieder um ernsthafte Politik gehe, "wird sich
       das entzaubern".
       
       Das lässt Künast nicht auf sich sitzen und kontert: Welches der vielen
       harten Probleme Berlins habe Wowereit denn bislang gelöst, fragt sie die
       Delegierten. "Vielleicht sollte er lieber etwas ruhiger sein an dieser
       Stelle und arbeiten gehen." Und sie geht auch auf die wiederholte Forderung
       Wowereits ein, sie solle bei einer Kandidatur ihren Posten als
       Bundestagsfraktionschefin aufgeben. Sie müsse "ohne Rückfahrkarte in die
       Bundespolitik" antreten, hatte der Regierende Bürgermeister gedrängt. Täte
       Künast das und würden die derzeit hohen Grünen-Werte noch einbrechen,
       drohte der früheren Bundesministerin ein Dasein als weitgehend machtlose
       Oppositionspolitikerin in einem Landesparlament.
       
       Darauf will sie sich offensichtlich nicht einlassen. "Wo immer ich bin, es
       geht immer um Berlin", sagt sie mit einem kurzen Abriss ihrer Biografie -
       "um das mal klarzustellen, weil der Regierende Bürgermeister zum
       Fahrkartenhändler wird." Sie setze auf Sieg, ruft sie den
       Grünen-Delegierten zu, "und nur auf Sieg, ich will mit Euch Regierende
       Bürgermeisterin werden."
       
       7 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
       
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