# taz.de -- Parteitag der Berliner SPD: Wowereit wird zum Wahlkämpfer
       
       > Der Regierende Bürgermeister schießt lustvoll gegen die Grünen und Renate
       > Künast. Sogar seinen Uraltslogan "Arm aber sexy" kann er noch steigern.
       > Die Delegierte stimmen für eine umfassende Rekommunalisierung.
       
 (IMG) Bild: Da ist er wieder in seinem Element: Wowereit auf dem Parteitag am Samstag.
       
       Vielleicht ist es mit Klaus Wowereit und seiner SPD so wie mit der
       launischen Dame Hertha: Je besser der Gegner, desto überzeugender das
       eigene Spiel. Nachdem Renate Künast am Freitag vor einer Woche ihre
       Spitzenkandidatur als Grüne erklärt hat, zeigte Wowereit beim
       SPD-Landesparteitag am Samstag: Die Sozialdemokraten und ihr Regierender
       Bürgermeister sind wieder da. Und sie wollen, wie es Fraktions- und
       Landeschef Michael Müller ankündigte, bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus am
       18. September 2011 wieder stärkste Kraft werden.
       
       Nicht der lustlose, zuletzt amtsmüde Wowereit präsentierte sich im
       Seminaris Campus Hotel in Dahlem den 230 Delegierten, sondern ein
       kämpferischer Regierungschef, der sich seine Bilanz nicht von den Grünen
       schlecht reden lassen will. "Wir versprechen keine Arbeitsplätze, wir
       schaffen Arbeitsplätze", sagte Wowereit. In ihrer Berlinrede hatte Künast
       100.000 neue Jobs versprochen, in mehreren Interviews aber nur vage auf das
       Engagement der Wirtschaft verwiesen.
       
       Überhaupt, die Grünen. "Manche sagen nun, es passiert zu wenig", sagte
       Wowereit in Anspielung auf seine Herausforderin Renate Künast. "Aber ist
       das auch das Gefühl der Berlinerinnen und Berliner?" Wowereit verwies auf
       90 Prozent der Bewohner, die jüngst in einer Umfrage erklärt hätten, gerne
       in Berlin zu leben. "Mal nicht zu meckern, das ist doch das größte Lob, das
       es in dieser Stadt gibt."
       
       Der Regierende Wahlkämpfer Wowereit bekannte sich auch ausdrücklich zum Bau
       des Flughafens Berlin-Brandenburg International. Den Protest gegen den
       Fluglärm könne er verstehen, sagte Wowereit. "Aber es war die Diepgen-CDU,
       die den Flughafen in Schönefeld haben wollte. Die SPD war immer für
       Sperenberg." Und wo waren die Grünen?, setzte Wowereit nach. "Die haben
       sich in Sperenberg für die Lurche eingesetzt."
       
       Vor Wowereits anderthalbstündiger Wahlkampfrede, die die Delegierten mit
       Standing Ovations quittierten, hatte bereits Michael Müller den Wahlkampf
       mit den Grünen aufgenommen. "Es ist noch zu früh für Inszenierungen",
       stichelte der Landes- und Fraktionschef. Aber wenn die Grünen den Berlinern
       vorhielten, sie müssten sich mehr anstrengen, so sei dies herzlich wenig.
       "Diese Frau, die so was sagt, war offenbar sehr lange, sehr weit weg. Die
       Berliner haben sich angestrengt. Die Berliner haben es nicht nötig,
       Nachhilfeunterricht in Sachen Engagement zu bekommen." Die Gastrede beim
       Parteitag hielt die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore
       Kraft (SPD).
       
       Unter das Motto "Berlin Miteinander" hatte die SPD ihren Landesparteitag in
       Dahlem gestellt. Zu diesem neuen Wir-Gefühl gehörte auch die Absage an
       jegliche neue Privatisierung. Stattdessen wollen die Sozialdemokraten den
       kommunalen Einfluss auf die Versorgung mit Energie, Gas und Fernwärme
       wieder zu erhöhen. Dazu soll das Land die Netze eigenständig übernehmen
       oder an strategisch kommunal orientierten Partner" übergeben, hieß es in
       einem bei wenigen Enthaltungen verabschiedeten Antrag. Zur Umsetzung dieses
       Ziels soll ein Stadtwerk gegründet werden. Bei der S-Bahn soll der Senat
       prüfen, ob das Land oder die BVG den Betrieb übernehmen kann - eine klare
       Absage an Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD), die eine
       Ausschreibung von Teilstrecken der S-Bahn ab 2017 angekündigt hatte. Auch
       die Grünen verlangen die Ausschreibung der S-Bahn.
       
       Klar auf Distanz ging der Parteitag auch zu Thilo Sarrazin und dem
       Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (beide SPD). Bei der
       Debatte um das Thema Integration, sagte Wowereit in seiner Rede, habe er
       einen Aufstand der Anständigen vermisst. "Wenn selbst Intellektuelle nicht
       auf Sarrazin reagieren, sondern ihn sogar unterstützen, dann ist etwas
       falsch gelaufen." Er selbst habe erlebt, wie die NPD mit Sarrazin-Plakaten
       werbe. "Ich lasse es mir deshalb nicht bieten, dass einige sagen:
       Integration ist gescheitert", wetterte Wowereit in Richtung Buschkowsky.
       "Das ist ein Schlag ins Gesicht derer, die sich für die Integration
       eingesetzt haben." Buschkowsky verfolgte den Parteitag aus sicherer
       Entfernung von der Pressetribüne
       
       Den größten Beifall bekam Wowereit von den Delegierten für die
       leidenschaftliche Verteidigung eines Zitats - Berlin sei arm, aber sexy.
       Menschen in aller Welt hätten verstanden, was er damit habe sagen wollen,
       betonte der 57-Jährige. Berlin könne beim Geld nicht mit Städten wie Paris
       oder London mithalten. "Aber diese Stadt hat etwas, was man mit Geld nie
       kaufen kann: Eine Ausstrahlung, eine Anziehung, eine Wildheit und eine
       Schönheit, wie es sie in dieser Kombination nicht nochmal auf dieser Welt
       gibt. Und das bedeutet, arm aber sexy sein."
       
       15 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uwe Rada
       
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