# taz.de -- Assange, der "Guardian" und "Aftenposten": Was sich leakt, das neckt sich
       
       > Während "Aftenposten" durch ein Leck bei Wikileaks erhaltene
       > Informationen veröffentlicht, beschwert sich Assange bitter über die
       > Sex-Enthüllungen des "Guardian".
       
 (IMG) Bild: Leck ist nicht gleich Leck, findet Herr Assange.
       
       STOCKHOLM taz | "Wir haben durch ein Leck innerhalb von Wikileaks den
       Zugriff erhalten und soweit ich weiss, sind wir damit bislang die ersten
       und einzigen", sagt Ole Erik Almlid. Stimmt es, was der
       Nachrichtenredakteur der Osloer Aftenposten behauptet, hat die norwegische
       Tageszeitung einen von der Leitung der Enthüllungsplattform nicht
       autorisierten und unbegrenzten Zugang zu den rund eine Viertelmillion
       "Cablegate"-Dokumenten bekommen.
       
       In ihrer Vorweihnachtsausgabe zeigt Aftenposten auch gleich, was man da so
       hat. Das Blatt publizierte bislang auf der Wikileaks-Webseite nicht
       veröffentlichte Dokumente der US-Botschaft in Oslo, zum Hintergrund der
       Verhandlungen zwischen Norwegen und Russland über die Grenzziehung der
       Hoheitsgewässer beider Länder im Barents-Meer. Und Almlid betont: "Wir
       haben nicht dafür bezahlt, wir haben Zugang ohne Bedingungen und wir
       bestimmen damit selbst, was wir publizieren und wie genau wir die Dokumente
       behandeln."
       
       Ein Scoop für dieses auflagenstärkste Blatt des Landes. Doch leckt
       Wikileaks tatsächlich so, wie "Aftenposten" behauptet, würde das auch
       Fragen nach der Kontrolle über und damit der Sicherheit dieser Dokumente
       aufwerfen. Selbst werde man jedenfalls verantwortungsvoll mit dem Material
       umgehen, betont die Aftenposten-Chefredaktion. Und werde daraus ausgehend
       von den Interessen der eigenen LeserInnen lediglich eine Auswahl treffen
       und die Dokumente jeweils sorgfältig journalistisch aufbereiten:
       "Keinesfalls werden wir einfach alle Dokumente ins Netz stellen."
       
       Die für Aftenposten geöffnete Hintertür könnte darauf hindeuten, dass es
       innerhalb von Wikileaks Opponenten gegen die bisherige
       Veröffentlichungspolitik gibt. Und dass diese die Sache nun kurzerhand
       selbst in die Hand nehmen.
       
       Denn wie wurden die privilegierten Medien – Guardian, Le Monde, Spiegel -
       ausgewählt und welche Bedingungen mussten sie dafür akzeptieren? Der
       US-Fernsehsender CNN und das Wallstreet-Journal hatten nach eigenen Angaben
       zwar Interesse an einer Zusammenarbeit gezeigt. Man sei aber nicht zum Zuge
       gekommen, weil man nicht bereit gewesen sei, die von Wikileaks geforderten
       Vertragsklauseln zu unterzeichnen. Die u.a. eine nicht mit Wikileaks
       abgestimmte Publikation verbieten und eine Vertragsstrafe von 100.000
       Dollar bei Zuwiderhandlung vorsehen sollen.
       
       Die New York Times soll sich laut Informationen der [1][Washington Post] -
       die aus Kreisen ehemaliger Wikileaks-Mitarbeiter bestätigt, von Julian
       Assange selbst aber bestritten werden - wegen eines kritischen Portraits,
       das die Zeitung über Assange veröffentlicht hatte, für die
       „Cablegate“-Dokumente eigentlich disqualifiziert haben.
       
       Dass sie trotzdem veröffentlichen konnte, sei dem britischen Guardian zu
       verdanken, der dieses Embargo aufgrund der vorangegangen engen
       Zusammenarbeit beider Blätter um die Irak- und Afghanistankriegs-Dokumente
       gebrochen und sein Rohmaterial im Austausch gegen Teilhabe an der Expertise
       der New York Times-Redaktion weitergegeben habe.
       
       Jetzt beschwert sich Assange bitter darüber, Opfer von Enthüllungen des
       Guardian geworden zu sein, der ausführlich aus den vertraulichen
       Ermittlungsakten der schwedischen Staatsanwaltschaft gegen ihn zitiert hat.
       Mit Einzelheiten der Sex-Vorwürfe und nicht gerade schmeichelhaften Details
       aus seinem Intimleben. Diese Veröffentlichung sei dazu bestimmt gewesen,
       seine juristische Position zu unterminieren, klagte Assange der Londoner
       Times.
       
       Ein Argument, das gar nicht trägt. Denn natürlich lagen die fraglichen
       Akten dem Gericht in London schon lange vollinhaltlich vor. Eine breite
       Öffentlichkeit kennt sie nun aber auch. Und es ist wohl das, was Assange
       ärgert. Ob Medien bei Wikileaks allein deshalb durchs Raster fallen können,
       weil sie Negatives über Assange leaken, wird sich beim nächsten
       Wikileaks-Leak zeigen. Und ob der „Guardian“ dann noch zu den
       Privilegierten gehören wird.
       
       26 Dec 2010
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/story/2010/11/28/ST2010112802494.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
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