# taz.de -- Angst vor "Brotaufstand" im Sudan: Islamist droht mit zweitem Tunesien
       
       > Präsident Bashir entgleitet allmählich sein Land. Der Süden stimmt für
       > die Unabhängigkeit, im Norden steigen die Preise und Khartums Opposition
       > schaut neidisch auf Tunesien.
       
 (IMG) Bild: Gegenspieler von Präsident Bashir: Hassan al-Turabi.
       
       BERLIN taz | Der Preis für Mehl hat sich verdreifacht, Tomaten kosten
       viermal so viel wie noch vor wenigen Wochen, Bananen und Fisch das
       Doppelte: Wer heute in Sudans Hauptstadt Khartum einkaufen geht, muss sich
       bescheiden. Die Benzin- und Brotpreise haben sich um 50 Prozent erhöht.
       
       Am Dienstag kam es zum wiederholten Mal zu Protesten gegen die hohen
       Nahrungsmittelpreise. In Al-Kamleen nahe Khartum gingen Anwohner sowie
       Studenten der Universität Gezira auf die Straße und forderten die
       Entlassung des Finanzministers sowie die Rücknahme staatlich verfügter
       Preiserhöhungen. Dies fordert auch Sudans parlamentarische Opposition. Die
       Polizei löste die Kundgebung nach einer Stunde mit Tränengas und
       Schlagstöcken auf.
       
       Die Angst von Sudans Präsident Omar Hassan al-Bashir vor einer Welle von
       Massenprotesten ist groß. In Sudan kam es zu Machtwechseln immer nur als
       Folge von "Brotunruhen". Am Dienstag wurde der 78-jährige islamistische
       Oppositionsführer Hassan al-Turabi zusammen mit weiteren
       Führungsmitgliedern seiner PCP (Volkskongresspartei) festgenommen. Die PCP
       habe gemeinsam mit Darfurs stärkster Rebellenbewegung JEM (Bewegung für
       Gerechtigkeit und Gleichheit) putschen wollen, behaupten regierungsnahe
       Medien. Am Montag hatte Turabi in einem Interview vor Massenprotesten
       tunesischer Art gewarnt.
       
       Die Stellung Präsident Bashirs in Khartum ist schwach, weil es inzwischen
       klar ist, dass Südsudan bei seinem Unabhängigkeitsreferendum vergangene
       Woche massiv für die Gründung eines eigenen Staates gestimmt hat. Die
       täglich eintrudelnden Teilergebnisse liegen zumeist bei 90 bis 100 Prozent
       für die Unabhängigkeit.
       
       Internationale Beobachter erklärten am Montag, die Abstimmung sei korrekt
       verlaufen und ein Votum für Unabhängigkeit sei "so gut wie sicher". Bashirs
       Regierungspartei NCP (Nationale Kongresspartei) hat gesagt, sie werde die
       Sezession akzeptieren. Doch zugleich begründet sie laut Medienberichten die
       Preissteigerungen mit dem Hinweis auf die möglichen Folgen einer Teilung.
       
       Bereits vor der Volksabstimmung war der Dollarkurs im Sudan stark
       gestiegen, was importierte Lebensmittel landesweit verteuerte. Und der
       unabhängige Südsudan wird den Großteil der sudanesischen Ölförderung
       kontrollieren, von deren Erlösen das ganze Land derzeit lebt.
       
       "Ökonomen sagen, die Preiserhöhungen reflektierten den Preis der Abspaltung
       des Südens", schreibt die Exilsudanesin Nisrin Elamin. Dies schürt den Zorn
       der Nordsudanesen auf Südsudanesen, von denen 1,5 Millionen im Norden
       leben, vor allem in den Slums von Khartum. Politiker in Khartum sagen, die
       Südler sollten gehen, sobald sie ihren eigenen Staat haben. Seit Oktober
       sind nach UN-Angaben 180.000 von ihnen nach Süden gezogen, derzeit kommen
       demnach täglich 2.000 dazu.
       
       In dem Maße, wie aus dem Strom von Rückkehrwilligen ein Strom von
       Zwangsvertriebenen wird, bahnt sich eine humanitäre Katastrophe an, warnen
       Hilfswerke. Unzählige Südsudanesen haben sich nach Berichten aus Khartum in
       zehn Sammellagern am Stadtrand versammelt und warten dort zuweilen
       wochenlang ohne Versorgung.
       
       Sie hätten ihre Habe verkauft und könnten die Sammelpunkte nicht mehr
       verlassen, berichtet die vom Evangelischen Entwicklungsdienst entsandte
       Referendumsbeobachterin Marina Peter: "Derzeit ist es sehr kalt in Khartum
       und die Leute warten unter freiem Himmel ohne sauberes Wasser oder
       Latrinen. Familien werden zerrissen, weil manche abgereist sind, und die
       anderen warten und werden jeden Tag ängstlicher."
       
       19 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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