# taz.de -- Arabische Reaktionen auf Revolte in Tunesien: Der Westen soll Schuld haben
       
       > In den arabischen Ländern erklärt die politische Elite, der Umsturz in
       > Tunesien sei das Ergebnis westlicher Einmischung. Doch viele Menschen
       > sind durch die Ereignisse elektrisiert.
       
 (IMG) Bild: Am Montag protestierten Jemeniten zur Unterstützung der tunesischen Revolte.
       
       Drei Tage nach dem Sturz des tunesischen Diktators Zine El Abidine Ben Ali
       und den äußerst zurückhaltenden Reaktionen der arabischen Regierungen hat
       der ägyptische Außenminister Ahmed Abul Gheit sicherheitshalber schon mal
       einen möglichen Sündenbock ausgemacht: die westliche Einmischung in
       arabische Angelegenheiten. Er machte seine Äußerungen in Sharm el Scheich,
       wo die arabischen Außenminister einen Wirtschaftsgipfel vorbereiten, der am
       Mittwoch beginnt.
       
       Abul Gheit schlug vor, der Gipfel solle angesichts der "Versuche einiger
       westlicher und europäischer Staaten, sich in ägyptische und arabische
       Belange einzumischen" eine entsprechende Erklärung verabschieden.
       Gleichzeitig wies er die Auffassung zurück, die Menschen in der arabischen
       Welt würden sich die Ereignisse in Tunesien zum Vorbild nehmen. "Das Gerede
       über die Ausweitung dessen, was in Tunesien geschehen ist, auf andere
       Länder, ist Unsinn," sagte er auf einer Pressekonferenz. "Jede Gesellschaft
       hat ihre eigenen Gegebenheiten."
       
       Seine Äußerungen waren eine Reaktion auf US-Außenministerin Hillary
       Clinton. Sie hatte die arabischen Führer zu Refomen aufgefodert, da
       andernfalls Extremisten die Lücke füllen würden. Die Menschen der Region
       seien korrupte Instititionen leid, fügte sie hinzu. In Äygpten fanden Ende
       vergangenen Jahres gefälschte Parlamentswahlen statt, die Staatschef Hosni
       Mubarak, seit 29 Jahren an der Macht, für die Präsidentschaftswahlen 2011
       eine komfortable Basis verschaffen.
       
       In den Chor der zurückhaltenden Stimmen fügte sich auch die Organisation
       der Islamischen Konferenz (OIC) ein, die in einer Erklärung verlauten ließ,
       die Unruhen in Tunesien seien eine "interne Angelegenheit". Dies sowie
       Appelle zur "nationalen Einheit Tunesiens" machte die Mehrzahl offizieller
       Stellungnahmen aus.
       
       Eine etwas andere Stimme kam, wenig überraschend, aus Damaskus. In der
       staatlichen syrischen Tageszeitung Al Watan hieß es, die Ereignisse in
       Tunesien "sind eine Lehre, die keine arabische Regierung ignorieren
       sollte". Dies gelte vor allem für die tunesische Haltung, auf Freunde zu
       vertrauen, die sie unterstützen. Womit wiederum "der Westen" gemeint ist.
       In Syrien sind Wahlen eine Farce und Dissidenten verschwinden regelmäßig
       hinter Gittern.
       
       Der türkische Regierungschef Recep Erdigan indes zeigte am Montag
       Verständnis für die Proteste in Tunesien. Es gehe nicht nur um Probleme wie
       Arbeitslosigkeit, sondern auch um Defizite bei den Grund- und
       Freiheitsrechten, sagte er am Montag vor Journalisten in Istanbul. Die
       Türkei wird in arabischen Gesellschaften zunehmend als ein mögliches
       politisches Vorbild diskutiert.
       
       Ungeachtet der offiziellen Erklärungen hat der Umsturz in Tunesien kleinere
       Demonstrationen von Jordanien bis zum Jemen ausgelöst. Viele Menschen,
       elektrisiert durch die Ereignisse, klebten vor dem Fernsehsender Al Jazeera
       oder im Internet - zum Teil mit einer guten Portion Neid. Die
       Selbstverbrennung, Auslöser für die Jugendrevolte in Tunesien, fand
       ebenfalls Nachahmer. Vor dem ägyptischen Parlament setzte sich ein Mann in
       Brand, der ins Krankenhaus gebracht wurde. In Algerien kam es seit
       vergangener Woche gleich zu vier Selbstmordversuchen. Und in der
       mauretanischen Hauptstadt Nouakchott zündete sich ein 42 Jahre alter
       Geschäftsmann in seinem Auto an.
       
       In der sudanesischen Hauptstadt Khartum drohten Oppositionelle am Sonntag
       mit Demonstrationen, falls die Regierung nicht den Finanzminister und das
       Parlament wegen Preiserhöhungen entlässt. Bereits vergangene Woche kam es
       deswegen zu Auseinandersetzungen auf den Straßen in drei Städten im
       überwiegend arabischen Norden des Landes. Über soziale Netzwerke
       mobilisierten Aktivisten dazu, sich als Zeichen des Protests jeden Abend um
       19 Uhr vor die Häuser zu stellen.
       
       Der Sudan blickt selbst auf einen Umsturz zurück, der von einer
       studentischen Protestbewegung ausgelöst wurde, die sich zu einem
       Generalstreik ausweitete und Hunderttausende auf die Straßen brachte.
       Schließlich lief die Militärführung zur Opposition über. Am 6. April 1985
       wurde Präsident Dschafar Numeiri, der in den USA über neue Finanzhilfen
       verhandelte, durch einen unblutigen Putsch abgesetzt.
       
       17 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Beate Seel
       
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