# taz.de -- Augenzeugenbericht von Kairos Straßen: Pullover helfen beim Durchhalten
> Pause vom Protest: Auch Demonstranten müssen einmal etwas essen. Nicht
> überall klappt die Versorgung so gut wie in Downtown Kairo. Eine
> Berlinerin berichtet.
(IMG) Bild: Die Demonstranten halten durch – und machen nur Pause für ein warmes Essen.
Selbst die ausdauerndsten Demonstranten müssen mal etwas essen und aufs
Klo. Unser Haus, ein ehemaliges Hotel mit vielen Wohnungen, hat sich
deshalb in diesen Tagen in eine Art Zufluchtsort verwandelt, denn es liegt
nur wenige Gehminuten vom Tahrir-Platz entfernt, dem Zentrum des
Geschehens.
Meine Freundin Lamma, die mit ihrer Mutter auch hier wohnt, hat mich zum
Frühstück eingeladen. Als ich bei ihr ankomme, ist die Wohnung voll von
Leuten, die gerade von dem Protest kommen oder bald wieder hingehen. Unter
ihnen sind Journalisten, Schauspieler, Büroangestellte und Studenten, und
sie alle sind sich einig in ihrem Ziel: Mubarak muss gehen.
Lammas Freund Ali sitzt auf der Couch und schaut nur kurz vom Fernseher
auf, als ich das Zimmer betrete. Es läuft ein Tennisturnier. "Guck in den
Kühlschrank und mach dir Frühstück", ruft Lamma mir zu, während sie im Bad
verschwindet. Am Freitag war dieser Kühlschrank noch leer, doch heute, es
ist Samstag, hat die Familie vom Supermarkt Lebensmittel liefern lassen.
Erstaunlich, was in einem Billiglohnland selbst in Zeiten des Aufruhrs noch
funktioniert.
Ich mache mir ein Käsesandwich und setze mich neben Ali. "Ich wette, du
bist jetzt froh, dass du nach Downtown gezogen bist", sagt er. Bin ich.
Nicht nur, weil man in diesen Tagen nicht in allen Vierteln so leichten
Zugang zu Grundnahrungsmitteln hat wie hier. Bis vor wenigen Monaten lebte
ich in Mohandessin, in einem ruhigen, bürgerlichen Stadtteil. Das Haus, in
dem ich gewohnt habe, muss inzwischen von Zivilisten geschützt werden. Eine
ehemalige Nachbarin hat erzählt, dass dort Leute, als Polizisten
verkleidet, aus gestohlenen Krankenwagen gesprungen sind und angefangen
haben zu schießen und zu plündern. Ja, ich bin froh, dass ich nach Downtown
gezogen bin. Dank der Proteste und der Militärpräsenz gibt es wohl derzeit
keinen sichereren Ort in Kairo.
Lamma kommt wieder aus dem Bad und stellt sich vor den Spiegel. "Ich habe
gestern eine Gesichtsmaske aufgelegt, dieses Tränengas ruiniert meine
Haut." Ali fängt an zu lachen, doch Lamma bleibt keine Zeit, die Ironie
ihrer Äußerung zu erkennen. Ihre Mutter kommt ins Zimmer und scheucht uns
auf. Sie möchte auf den Tahrir-Platz gehen, bevor die Ausgangssperre in
Kraft tritt. Alle Hinweise darauf, dass noch viel Zeit bleibt und am
Freitag sogar die U-Bahnen noch lange nach Beginn der Sperre fuhren, lassen
sie kalt. Ich gehe zurück in meine Wohnung und halte die Stellung.
Vier Stunden später, eine Stunde nach der Ausgangssperre, ist Lammas Mutter
noch immer auf dem Platz und Al-Dschasira berichtet von Gerüchten, dass
Soldaten Befehle hätten, scharf auf Demonstranten zu schießen. Ich rufe
Lamma an, um ihr das zu erzählen, und sie versichert mir, alles sei noch
immer sehr friedlich. Doch es schwingt ein nervöser Unterton in ihrer
Stimme mit.
Als Hubschrauber und Militärflugzeuge anfangen, tief über dem Platz zu
kreisen, kommt sie zu mir in die Wohnung. "Die hören sich gruselig an." Wir
reden und witzeln, doch wir entspannen uns erst, als der Lärm endet und die
Flugzeuge weg sind. Was sie zu bedeuten hatten, bleibt uns unklar. Lamma
geht wieder nach unten, und ich suche schon mal Pullover raus für die
Freunde, die auf dem Platz übernachten wollen.
Es ist Sonntagabend, und ich koche Abendessen. In der Ferne höre ich wieder
Lärm von Militärhubschraubern. Ich beschließe, ein paar Portionen mehr zu
machen.
31 Jan 2011
## AUTOREN
(DIR) Nora Mbagathi
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