# taz.de -- Haltung Deutschlands zum Krieg: Libyen befreien? Nicht mit uns!
       
       > Zu gefährlich der Einsatz, zu unabsehbar die Folgen, zu willkürlich die
       > Gründe: Die Bundesregierung verteidigt ihre Ablehnung der
       > Libyen-Resolution. Doch die Kritik bleibt.
       
 (IMG) Bild: Eindruck der Isolation "ist völlig falsch": Außenminister Guido Westerwelle verteidigt Deutschlands Libyen-Politik.
       
       BERLIN taz | Es ist kein einfacher Auftritt. Als Außenminister Guido
       Westerwelle (FDP) am Sonntagmittag erneut das Nein der Regierung zum
       Libyen-Einsatz erklärt, haben sich übers Wochenende große Fragen
       angesammelt: Kuscht Deutschland vor einem mörderischen Diktator, wie es
       SPD-Chef Sigmar Gabriel vermutet? Hat die Regierung mit ihrer Enthaltung im
       UN-Sicherheitsrat wichtige Bündnispartner wie Frankreich oder die USA
       brüskiert?
       
       Westerwelle versuchte, solche Interpretationen zu entkräften. "Der
       Eindruck, Deutschland sei in Europa oder in der internationalen
       Gemeinschaft isoliert, ist völlig falsch", sagte der Außenminister. Andere
       Länder wie Polen verstünden und respektierten die Haltung der deutschen
       Regierung. Deutschland setze sich dafür ein, Finanzströme des Regimes
       auszutrocknen, und stelle fünf Millionen Euro für Flüchtlinge bereit. Und
       die USA könnten ihre Stützpunkte in Deutschland für den Libyen-Einsatz
       nutzen. Wir tun etwas, lautet seine Botschaft.
       
       Gleichzeitig betonte Westerwelle aber erneut den Punkt, in dem sich die
       Regierung einig ist: "Die Bundeswehr wird nicht nach Libyen geschickt."
       Während sich Merkel 2003 aus der Opposition heraus an die Seite der USA
       stellte und für den - nicht von den UN abgesegneten - Irakkrieg eintrat,
       scheint sie heute konsequent gegen den Einsatz zu sein: Vor Wochen spielte
       man im Kanzleramt das Szenario einer Flugverbotszone über Libyen durch.
       Viel zu gefährlich sei ein Krieg in der Region, zu unabsehbar die Folgen,
       zu willkürlich gewählt die Gründe für den Einsatz. "Wieso da und nicht im
       Ost-Kongo?", hieß es noch Anfang März in der CDU-Spitze.
       
       Das taktische Vorgehen der Regierung bei der Durchsetzung dieser Linie aber
       sorgt sogar in den eigenen Reihen für Kritik. "Man kann Bündnissolidarität
       zeigen, ohne bei jedem Einsatz an vorderster Front mitzumachen", sagte
       CDU-Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz dem Deutschlandfunk. Sein
       Parteikollege und Bundestagspräsident Norbert Lammert äußerte sich ähnlich:
       Zwischen der Zustimmung zu der Resolution und der Entscheidung über eine
       deutsche Beteiligung an einem Militäreinsatz bestehe kein unmittelbarer
       Zusammenhang.
       
       Die jetzt ablaufenden Bombardements in Libyen geschehen auf Grundlage einer
       in der Nacht zum Freitag beschlossenen UN-Resolution. Diese ermöglicht
       unter anderem eine Flugverbotszone über Libyen, um die Zivilbevölkerung vor
       Angriffen von Gaddafis Luftstreitkräften zu schützen. Deutschland hatte
       sich ebenso wie Russland, China, Indien und Brasilien enthalten.
       
       Ebendiese Enthaltung kritisiert auch die Opposition scharf. "Das ist das
       Ende einer wertegebundenen Außenpolitik", sagte der grüne
       Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour am Sonntag. "Ich will die deutsche
       Menschenrechtspolitik nicht neben der von China oder Russland einordnen."
       Außerdem habe der Sicherheitsrat nicht nur eine Flugverbotszone, sondern
       auch Maßnahmen wie ein Waffenembargo beschlossen. "Natürlich müsste
       Deutschland solche Punkte unterstützen." Die Zone an sich sieht Nouripour
       jedoch genauso kritisch wie die Bundesregierung. "Ihre Einrichtung ist
       nicht zu Ende gedacht. Es lässt sich eben keine glasklare Grenze zwischen
       Luft und Boden bei einem solchen Einsatz ziehen."
       
       Wie die Regierung Unmut ihrer internationalen Bündnispartner über ihr Veto
       beruhigen will, deuteten Merkel und Westerwelle am Wochenende an.
       Deutschland könnte die am Libyen-Einsatz beteiligten Länder entlasten,
       indem sich Deutschland am Einsatz von Awacs-Überwachungsflugzeugen in
       Afghanistan beteiligt. Dies könnte das Kabinett schon am Mittwoch
       beschließen, dann müsste der Bundestag zustimmen.
       
       Ein Trick, vermutet die Opposition. "Die Regierung will Druck von sich
       abwenden, den jetzt Bündnispartner aufbauen", sagt der
       Linkspartei-Verteidigungsexperte Paul Schäfer. "Mit einem solchen Vorgehen
       unterstützt sie den Krieg durch die Hintertür doch, sie agiert halbherzig
       und streut den BürgerInnen Sand in die Augen." Der Grüne Nouripour ergänzt:
       "Das ist die Taktik: Ich vertiefe mich in einen Krieg, um mich aus einem
       anderen herauszuhalten." Zwar seien Awacs-Einsätze in einem Land wie
       Afghanistan "in der Sache durchaus nötig", sie seien auch für zivile
       Navigation sinnvoll, sagt Nouripour. "Aber das politisch mit Libyen zu
       verbinden stinkt zum Himmel."
       
       20 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Schulte
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Westerwelle vor der UN-Vollversammlung: Neue Brille, aber nur wenig Klarheit
       
       Bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung versteckte sich Westerwelle
       hinter dem Nahost-Quartett. Besonderen Eindruck hat er jedenfalls nicht
       hinterlassen.
       
 (DIR) Ticker Libyen am Dienstag: Gaddafi gegen die Nato
       
       Trotz neuer Angriffe der internationalen Streitmacht auf Tripolis gibt sich
       Libyens Staatschef Gaddafi siegessicher. Er verspricht einen langen
       Kriegsverlauf. Kritik an Westerwelle wächst.
       
 (DIR) Bürgerkrieg in Libyen: Gaddafi bleibt hart
       
       Gaddafi kündigt "grünen Marsch" auf Bengasi an. Die EU weitet die
       Sanktionen gegen Libyen aus. Bei Luftangriffen der Alliierten ist eine
       Kommandozentrale des Militärs schwer beschädigt worden.
       
 (DIR) Ticker Libyen am Montag: EU verhängt weitere Sanktionen
       
       Innerhalb der EU gibt es Streit darüber, wer die Führung der Luftangriffe
       in Libyen übernimmt. Putin spricht von einem "Kreuzzug". Gaddafis Truppen
       greifen unterdessen weiter Misrata an.
       
 (DIR) Kommentar Angela Merkel: Die wertlose Kanzlerin
       
       Als Oppositionsführerin forderte Angela Merkel eine deutsche Beteiligung am
       Irak-Krieg, nun stimmt sie dem Militäreinsatz in Libyen nicht zu - das ist
       opportunistisch.
       
 (DIR) Krieg in Libyen: Die USA haben das Heft in der Hand
       
       Scheinbar ist Europa in der Libyen-Intervention führend. Das täuscht: Die
       USA spielen in dem Einsatz die tragendste Rolle - was von der Mehrheit der
       US-Bürger abgelehnt wird.
       
 (DIR) Frankreich kritisiert deutsche Libyen-Politik: Breitseite gegen "Deutschland AG"
       
       Ungewöhnlich scharf kritisieren französische Medien die Enthaltung Berlins
       bei der Abstimmung über die Libyen-Resolution. Tenor: Die Drecksarbeit
       dürfen die anderen machen.
       
 (DIR) Krieg in Libyen: Angriff auf die Nachschublinien
       
       Die westliche Allianz greift Flugabwehrstellungen und andere militärische
       Einrichtungen an. Währenddessen toben weiterhin heftige Kämpfe zwischen
       Rebellen und Regierungstruppen.
       
 (DIR) Krieg in Libyen: Berichterstatter und Vorbild
       
       Er war entschlossen, die Revolution zu gewinnen - dafür berichtete er
       unermüdlich. Am Samstag wurde der junge Netzaktivist Mohammed Nabbous
       erschossen.
       
 (DIR) Libyen-Protest in Berlin: Bomben sorgen für Jubel - und Protest
       
       Der Kampfeinsatz in Libyen bewegt auch Berlin: Vor dem Brandenburger Tor
       protestiert die Linkspartei gegen das Bombardement, in Charlottenburg
       fordern Exil-Libyer genau diesen Einsatz.
       
 (DIR) Kommentar Krieg in Libyen: Erst bomben, dann denken
       
       Wer die beste moralische und rechtliche Begründung für einen Krieg hat, ist
       nicht davon entbunden, die Sache zu Ende zu denken. Und zwar vor dem ersten
       Schuss.
       
 (DIR) +++ Liveticker Libyen +++: Gaddafis Zelt getroffen
       
       Gaddafi verkündet erneut eine Waffenruhe. Das Pentagon bezeichnet die
       Luftschläge als vollen Erfolg. Für zivile Opfer gebe es keine Belege.
       Westerwelle bekräftigt: Wir schicken keine Soldaten.